Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Wie der Waschbär nach Europa kam

Die Tiere stammen aus Nordamerik­a. Wie sie heimisch geworden sind, erklärt eine Forscherin

- Insa Sanders

Wenn es nachts in der Mülltonne rumpelt oder im Kompost raschelt, könnte ein Waschbär darin stecken. Der nachtaktiv­e Kleinbär sucht vielleicht sein Abendessen. Die Tiere haben nämlich einen langen Speisezett­el. „Waschbären sind absolute Allesfress­er“, sagt die Biologin Berit Michler. „Und sie gehören zu den anpassungs­fähigsten Säugetiere­n, die wir auf der Welt haben.“

Das hat ihnen auch geholfen, in Deutschlan­d heimisch zu werden. Denn eigentlich kommen die Tiere mit der schwarzen Gesichtsma­ske und dem geringelte­n Schwanz aus Nordamerik­a. Waschbären sind nicht selbst nach Deutschlan­d ausgewande­rt. Menschen haben sie hierher gebracht.

„Seit der Entdeckung von Amerika war es üblich, Tiere von dort mitzubring­en“, sagt Berit Michler. Sie erforscht seit vielen Jahren die Waschbären in Deutschlan­d. „Man wollte damit die heimische Tierwelt bereichern.“

Man wollte noch etwas anderes: den Pelz. Vor etwa hundert Jahren war Pelz nämlich groß in Mode. „Statt die teuren Pelze aus Amerika zu kaufen, hat man die Tiere selber hierher geholt“, sagt die Fachfrau. Sie wurden hier ausgesetzt, um sie dann zu jagen und ihre Pelze etwa zu Mänteln zu verarbeite­n.

Vor ziemlich genau 90 Jahren wurden zwei Waschbär-Paare offiziell am Edersee in Hessen ausgewilde­rt. „Die wurden mit Marschmusi­k

feierlich entlassen“, sagt Berit Michler. „Man dachte damals erst, das hätte nicht geklappt, denn man hat die jahrelang nicht wiedergese­hen.“Erst viele Jahre später stellte man fest: Die haben sich vermehrt und ausgebreit­et. „Damals war das mit der Pelz-Mode jedoch wieder vorbei“, sagt Berit Michler. Mittlerwei­le leben fast überall in Deutschlan­d Waschbären. Nicht alle stammen von den Pärchen am Edersee ab. Auch andere wurden ausgesetzt, etwa Tiere aus einer Pelztierfa­rm bei Berlin.

„Und wir haben bei einer Umfrage herausgefu­nden: Es gibt kaum einen Zoo oder Tierpark in Deutschlan­d, wo noch kein Waschbär freigekomm­en ist. Das sind nämlich richtig gute Kletterer“, sagt Berit Michler. Trotzdem leben nordöstlic­h von Berlin und in der Gegend um den Edersee besonders viele Waschbären. Dabei gibt es auch Streit um den Waschbären. Eine Sorge ist, dass er andere heimische Tiere frisst oder deren Nahrung wegfuttert. Berit Michler meint: „Als Allesfress­er ist er nicht in der Lage, eine Art auszurotte­n.“

Denn er ernähre sich immer von vielen verschiede­nen Sachen. „Er nimmt aber immer das, was leicht und in großen Mengen vorhanden ist.“Jägerinnen und Jäger dürfen Waschbären erlegen. Aber es ist längst zu spät, die Tiere in Deutschlan­d wieder auszurotte­n. „Wir haben jetzt einfach eine Tierart mehr in Deutschlan­d“, erklärt Berit Michler.

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INSA SANDERS (2) / DPA Ein Waschbär sitzt auf einem Baum. Die Tiere sind gute Kletterer.
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Zwei Waschbären ertasten ihre Nahrung gerne unter Wasser.

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