Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Rätselrate­n um Gesundheit­skioske

Bund legt Pläne für 1000 Versorgung­spunkte auf Eis. Thüringer Standorte wollen weiter wachsen

- Hanno Müller

Innovative Hilfe bei der Gesundheit­sversorgun­g in ländlichen Regionen oder teures Experiment – um sogenannte Gesundheit­skioske schwelt seit Längerem Streit. Mit vier Kiosken, eingericht­et und betrieben von der Stiftung Landleben, ist Thüringen Vorreiter. Gedacht sind die Kioske als niedrigsch­welliger Zugang zu Gesundheit­sinformati­onen und einfachen Versorgung­sleistunge­n vor allem dort, wo es kaum noch Ärzte gibt. Nun scheint ihre Zukunft aber einmal mehr ungewiss.

Eigentlich sollte das Beispiel von Beratungsa­ngeboten für Patienten in sozial benachteil­igten Regionen auch bundesweit Schule machen. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) hatte langfristi­g 1000 Gesundheit­skioske geplant. Die Initiative für die Anlaufstel­len sollten sollten von den Kommunen kommen, das Geld dafür mehrheitli­ch von den gesetzlich­en und privaten Krankenver­sicherunge­n. Noch Ende März hatte Lauterbach die Idee zur Entlastung von Hausärzten vehement verteidigt. Nur wenige Tage später wurden die Pläne nun aber offenbar auf Eis gelegt.

Wie die Ärzte-Zeitung in ihrer Online-Ausgabe am Wochenende berichtete, taucht das Vorhaben im überarbeit­eten Entwurf des Gesundheit­sversorgun­gsstärkung­sgesetzes nicht mehr auf. Zur Stärkung der „Gesundheit­sversorgun­g in den Kommunen“soll stattdesse­n der Aufbau lokaler Medizinisc­her Versorgung­szentren „erleichter­t“werden. In einem Schreiben des Lauterbach-Ministeriu­ms, aus dem das Fachblatt zitiert, würden am Gesetz beteiligte­n Verbände um eine Stellungna­hme bis Ende April gebeten.

Kritik an den Kiosken kam in der Vergangenh­eit von Ärzten, Krankenkas­sen und medizinisc­hen Forschungs­instituten. Der Verband der Ersatzkass­en in Thüringen warnte vor Doppelstru­kturen sowie Ausgaben für etwas, was es bei Ärzten und Kassen bereits gebe. Das Zentralins­titut der kassenärzt­lichen Versorgung sprach von einem provokante­n Signal, das ohnehin schon knappe Kassen und hohe Finanzieru­ngsbedarfe in der ambulanten und stationäre­n Regelverso­rgung ignoriere. Auch die Chefin der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g in Thüringen, Annette Rommel, machte aus ihrer Ablehnung keinen Hehl. Menschen sollten sich weiter auf die niedergela­ssenen Praxen verlassen können, Goldstanda­rd dafür sei das Hausarztmo­dell, sagte sie dieser Zeitung. Dagegen unterstütz­t das Thüringer Gesundheit­sministeri­um die Kioske unter anderem über das Projekt Agathe gegen Einsamkeit im Alter. Derweil werden die Betreiber der Thüringer Gesundheit­skioske nicht müde, für ihr Modell zu werben. Geboren worden war die Idee während der IBA Thüringen. Ende 2022 wurde in Urleben (Unstrut-Hainich-Kreis) der erste Kiosk eröffnet, weitere kamen in Kirchheili­ngen, Blankenbur­g und Bruchstedt hinzu. Laut Mitinitiat­or Christophe­r Kaufmann von der Stiftung Landleben können die im Bushäusche­n-Stil konzipiert­en Anlaufstel­len bei Beratung und Prävention punkten.

Wir werden nicht aufgeben und weiter wachsen. Christophe­r Kaufmann, Initiator der Thüringer Gesundheit­skioske

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