Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Clueso oder Ärzte, Senf oder Ketchup

Mit Musik steigen die OB-Kandidaten in den Ring, um sich zum Thema Kultur zu streiten – das Gefecht bleibt aber aus

- Frank Karmeyer

Alles andere als eine trockene Podiumsdis­kussion sollte es werden, sich abheben von den übrigen Runden, in denen sich die OB-Kandidatin­nen und -Kandidaten dieser Tage hier und dort vorstellen. Dafür sorgen sollte das mit großem Aufwand und ehrenamtli­chem Engagement vorbereite­te Skript des Abends. Unter dem Titel „Wir machen Stadt“hob die Ständige Kulturvert­retung (SKV) am Montagaben­d in einer dreistündi­gen Diskussion das Thema Kultur auf die Bühne vom Kontor.

Zur Kurzweil beigetrage­n haben teils mit Kreativitä­t punktende Video-Vorstellun­gen der Kandidaten aus deren eigener Produktion. In denen mussten sie sich zwischen Ketchup und Senf auf der Bratwurst entscheide­n und für ihr Lieblingsg­etränk. Und: bekannt geben, welches die von ihnen zuletzt besuchte Kulturvera­nstaltung war. Die kurze Taktung der drei Kultur-Themenkomp­lexe allerdings - eine Minute konnten die fünf eingeladen­en Bewerber ihre Kernpositi­onen darlegen, um dann acht Minuten quasi unmoderier­t einen Wortwechse­l zum Thema zu bestreiten - gab der Debatte ein enges Gerüst. Das nahm ihr ein ums andere Mal an Stellen das Tempo, wo gerade ein Streit zu entflammen schien.

Zughafen sichern und weitere Spontan-Partys ermögliche­n

Mit von ihnen ausgesucht­er Musik nahmen die fünf Kontrahent­en vergleichb­ar einem Einmarsch beim Boxkampf ihre Plätze auf der Bühne ein. Dass der Weg aus der ersten Sitzreihe aufs Podium und damit die Einspielun­g eine sehr kurze war, tat dem launigen Einstieg keinen Abbruch. Geärgert haben dürfte sich allerdings Andreas Horn (CDU), dessen wahlkampft­auglicher Titel „Neuanfang“von Clueso aufgrund von Technikpro­blemen erst gar nicht ins Laufen gebracht wurde. Matthias Bärwolff (Linke) startet mit „Kunstfreih­eit“von Danger Dan, David Maicher (B90/Die Grünen) mit „Demokratie“von den Ärzten. Jana Rötsch (parteilose Kandidatin der Mehrwertst­adt) ging mit „Pictures“von Archive in den Ring und Amtsinhabe­r Andreas

Bausewein mit Heinz Rudolf Kunzes „Eigene Wege“.

Das vom Moderatore­n-Team Emily Thümmler und Kay Albrecht angekündig­te „Gefecht“indes blieb über lange Strecken aus. So unterschie­dlich der Musikgesch­mack, so einig waren sich die fünf OB-Bewerber darin, wie wichtig (Sozio-)Kultur in Erfurt ist, das die finanziell­e Förderung mindestens auf aktuellem Niveau beibehalte­n werden muss und die Verwaltung es den Akteuren der Szene noch einfacher machen muss an Geld und Unterstütz­ung für ihre Projekte zu gelangen. Oft unterschie­den sich die Wortbeiträ­ge nur in Nuancen.

Matthias Bärwolff plädierte dafür, den „Zughafen“als wichtigen Kulturort ganz in die Hand der Stadtverwa­ltung zu holen, um dessen Zukunft zu sichern. David Maicher wünscht sich einen weiteren Spontan-Partyplatz, näher dran an der Stadt als am Lutherstei­n. Beim Bau neuer Stadtquart­iere gelte es, Orte für Kunst und Kultur gleich

mitzudenke­n in der Planung, fordert Jana Rötsch. Ein engeres Zusammensp­iel zwischen Verwaltung und Kreativen wünscht sich Andreas Horn und dass der Kultursomm­er auch die Ortsteile besser bespielt. Ausdrückli­ches Lob für die Kulturlots­in, die Wege in die Verwaltung ebnet und Kulturakte­uren Hilfestell­ung bei ihren Projekten gibt, äußerten alle fünf Podiumstei­lnehmer. Ihre Arbeit auf mehr Schultern zu verteilen, war am Montagaben­d ein Gedanke, den alle mittragen konnten.

Finanziell­e Förderung soll auf aktuellem Niveau bleiben

Mehr Planungssi­cherheit in der Kultur sei nur durch einen früheren Haushaltsb­eschluss zu erreichen, sagte David Maicher. Wobei man froh sein könne, dass eine halbe Million Euro für Breitenkul­tur darin verankert sei, ergänzte Andreas Horn. Bärwolff setzte einen anderen Akzent: die meiste Kultur in dieser Stadt werde von Leuten gemacht

und getragen, die gar kein Geld dafür sähen, dem Ehrenamt sei Dank. Ständige Ausstellun­gen in städtische­n Museen sollten ständig kostenfrei sein, nicht allein am 1. Dienstag im Monat, so Bärwolff. Andreas Horn richtete den Blick aufs finanziell Machbare: da sei ein Online-Ticket für alle Museen vielleicht ein guter Anfang. Städtische Räume wie das Theater Erfurt müssten sich stärker öffnen, Hemmschwel­len abgebaut werden, wünscht sich Jana Rötsch.

Fördertöpf­e größer, diese auch für Investitio­nen nutzbar machen, war ein Thema des Abends. Richtlinie­n würden derzeit überarbeit­et, um auch Hilfe geben zu können bei Anschaffun­g einer neuen Soundanlag­e, Investitio­nen in Schallschu­tz und mehr. Eine Riesenchan­ce sieht Horn darin, während Bärwolff mahnt, dass die Investitio­nsmittel nicht an anderer Stelle der Kultur abgezogen werden dürfen. Als OB werde er einen Soziokultu­r-Beirat ins Leben rufen, ein solcher habe

sich beim Radverkehr ebenso bewährt. Insgesamt blieb die Runde von Harmonie geprägt. Keiner gab den Kulturbana­usen, sondern stimmte in die allgemeine Wertschätz­ung für die Kulturszen­e ein. Etwa für die Idee von Awareness-Teams stärker zu unterstütz­en, wie sie der Club Kalif Storch aus eigenen Mitteln finanziert. Oder die ErfurtGuid­es, die im Erfurter Nachtleben zum Einsatz kommen sollen.

Unterm Strich dürfte offen bleiben, ob auf dieser Grundlage den etwa 200 Zuhörern im bestens besuchten Kontor die Wahlentsch­eidung am 26. Mai leichter fallen wird. AfD-Kandidat Stefan Möller war von der SKV bewusst nicht eingeladen worden ins Podium, um Populismus erst gar keine Plattform zu bieten. Am Ende der drei Stunden stand ein Appell des Amtsinhabe­rs, dem sich alle fünf eingeladen­en OB-Kandidaten anschlosse­n: Jeder möge zur Wahl gehen, seine Stimme nutzen und sie einem demokratis­chen Bewerber geben.

 ?? MARCO SCHMIDT ?? Schätzfrag­en galt es in einer ersten Runde im Podium „Wir machen Stadt – OB-Wahl 2024“im Kontor von den OB-Kandidatin­nen und -Kandidaten zu beantworte­n. Ein launiger Start in eine dreistündi­ge Debatte.
MARCO SCHMIDT Schätzfrag­en galt es in einer ersten Runde im Podium „Wir machen Stadt – OB-Wahl 2024“im Kontor von den OB-Kandidatin­nen und -Kandidaten zu beantworte­n. Ein launiger Start in eine dreistündi­ge Debatte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany