Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Polizei bestätigt: Kriminalität steigt deutlich an
Anstieg der Fallzahlen in Erfurt viel höher als in Bund und Land. Alle Deliktsfelder betroffen
Die Kriminalität in Erfurt ist im Vorjahr deutlich angestiegen. Laut ihrer am Dienstag vorgestellten Jahresstatistik erfasste die Polizei 25.103 Straftaten, was einen Anstieg um rund 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Die Aufklärungsquote lag bei 60,2 Prozent.
Der Anstieg fiel spürbar höher aus als im Bund (5,5 Prozent) und im Land (10,2 Prozent) und betrifft nahezu alle Deliktsfelder. „Es war ein bewegtes Jahr“, sagt Erfurts Polizeichefin Heike Langguth.
Der Anteil nicht-deutscher Tatverdächtiger betrug 37,8 Prozent. Um Aufenthaltsdelikte bereinigt, sind es 35,5 Prozent nach 32,2 Prozent im Jahr 2022. Der Ausländeranteil in Erfurt beträgt 11,2 Prozent.
Fast 4000 Rohheitsdelikte im Vorjahr registriert
Es gebe einzelne Deliktfelder, in denen eher nicht-deutsche Straftäter aktiv sind, sagt Heike Langguth. Die Polizei kooperiere seit Herbst mit der Volkshochschule, um in Integrationskursen die Polizei vorzustellen, Ängste vor Uniformierten abzubauen und Regeln zu erläutern. „Aber wir erreichen dabei die Menschen in den Kursen, die sich gut integrieren wollen“, sagt die Polizeichefin.
Mord oder Totschlag kamen im Vorjahr nicht vor. Doch stiegen die sogenannten Rohheitsdelikte wie Raub, Körperverletzung und Straftaten gegen die persönliche Freiheit um fast 1200 auf 3837 Fälle an.
Einen, wenn auch überschaubaren, Anteil daran haben die Vorfälle in der Schmidtstedter Straße, wo „verschiedene Gruppierungen im Moment ihre Reviere aushandeln“, wie es Heike Langguth formuliert. Vor allem auf das vergangene Frühjahr konzentriert blieben hingegen die 92 „Raubüberfälle auf Straßen, Wegen und Plätzen“: Jugendgruppen hatten Schüler bedroht und beraubt, wurden aber ermittelt.
Den größten Anteil unter den Straftaten in Erfurt bilden die Diebstähle, von denen über 8800 Fälle mit einem Gesamtvermögensschaden von rund 8 Millionen Euro erfasst wurden. Fast ein Drittel der Fälle waren Ladendiebstähle, die enorm zunahmen – offenbar nicht zuletzt wegen des neuen Rewe im
Anger 7, der laut Heike Langguth ganz besonders unter den Ladendieben zu leiden hat.
Wieder mehr Fälle von Tankbetrug
Mit 74 Fällen war der Diebstahl von Autos eine der wenigen Kategorien, die im Vorjahr weniger Fälle als im Vorjahr verzeichnete (minus 12). Fahrräder hingegen wurden weiter fleißig geklaut: 1026 Fälle registrierte die Polizei, 116 mehr als im Jahr 2022. Die Aufklärungsquote betrug magere 7,6 Prozent.
Wieder zugenommen haben auch die Fälle des Tankbetrugs. Den Anstieg um 42 auf 125 Fälle kann sich die Polizei nur durch ungenügende Sicherheitsvorkehrungen in einzelnen Tankstellen oder durch gerissene Mehrfachtäter erklären.
Zudem verzeichnet die Polizei für 2023 fast 20 Prozent mehr Rauschgiftdelikte. „Wir wissen, dass es einige Stellen in der Stadt gibt, die unter der Bevölkerung für den Handel und den Konsum von Drogen bekannt sind, und richten unsere Ermittlungsarbeit danach aus“, sagt Heike Langguth. Wie sich die Teillegalisierung von Cannabis auf die
Polizeiarbeit und die Statistik auswirken wird, bleibe abzuwarten. Als Problem würden Drogen in Erfurt aber auf absehbare Zeit erhalten bleiben.
Telefonbetrug: Die Zielgruppe wird jünger
Nicht Teil der eigentlichen Statistik, haben auch die sogenannten Auslandsstraftaten stark zugenommen. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um Telefonbetrüger, die aus Callcentern im Ausland den Enkeltrick und alle seine Variationen bei Erfurter Bürgern versuchen. Über 2600 Fälle und damit mehr als doppelt so viele wie 2022 wurden der Polizei im Vorjahr bekannt.
Dabei hätten es die Täter nicht mehr nur auf Senioren, sondern zunehmend auch auf jüngere Opfer ab Mitte 40 abgesehen, etwa durch vorgegaukelte Liebesversprechen. Das beste Gegenmittel sei die Aufklärung, meint die Polizeichefin. „Wir warnen vor der Kontaktaufnahme und sind den Bankangestellten, Taxifahrern und anderen Menschen dankbar, die Geldübergaben an die Täter verhindern helfen“, sagt Heike Langguth.