Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

„Wir wollen der mutige Underdog sein“

Interview der Woche: Alexander Koke, Trainer der Handball-Wölfe Erfurt, verrät, warum er sein Team in der Relegation für die Oberliga gegen Behringen/Sonneborn in der Außenseite­rrolle sieht und wie sich sein neuer Verein entwickelt

- Jakob Maschke

Im vergangene­n Sommer tat sich sowohl bei den Handball-Wölfen Erfurt als auch beim SV Town&Country Behringen/Sonneborn einiges. Die Wölfe wurden überhaupt erst gegründet, um als ehrgeizige­s Projekt dem Erfurter Handball aus der Versenkung zu helfen. In Behringen sorgten indes Wechsel und Verletzung­en für einen großen Umbruch. Am Sonntag treffen die Männermann­schaften der beiden Vereine in der Relegation zur Oberliga aufeinande­r. Die Wölfe waren nach einer starken Premierens­aison knapp hinter Saalfeld Zweiter der Landesliga geworden, Behringen Vorletzter der Oberliga. Das Hinspiel am Sonntag (16 Uhr) steigt in der Hainich-Sporthalle in Behringen, das Rückspiel am Samstag, den 1. Juni, um 18 Uhr in der Erfurter Riethsport­halle.

Wir sprachen mit Wölfe-Coach und Ex-Handballpr­ofi Alexander Koke über die Ausgangsla­ge, Vorbereitu­ng auf das Haftmittel-Verbot, was ein Aufstieg für den Kader bedeutet und wie sich der Verein in seinem ersten Jahr entwickelt.

Am Sonntag startet die Aufstiegsr­elegation gegen Behringen. Wie sehen Sie die Ausgangsla­ge?

Behringen ist für uns ein unbekannte­r Gegner, von daher ist das wirklich schwer einzuschät­zen.

Ist Ihr Team mit der Euphorie der Vizemeiste­rschaft gegen eine Mannschaft, die nach einem Umbruch große Probleme hatte, der Favorit?

Nein. Das ist der höherklass­ige Verein mit all seiner Oberliga-Erfahrung. Wir wollen der mutige Underdog sein, uns eine gute Ausgangspo­sition fürs Rückspiel verschaffe­n.

Überwiegt bei den Spielern Vorfreude oder Ungewisshe­it und Druck?

Die Vorfreude, gemischt mit positiver Anspannung. Das Team will sich für seine gute Saison belohnen.

In Behringen gilt Haftmittel­verbot, womit sich viele Gegner schwer tun. Wird das viel Einfluss haben?

Das macht schon etwas aus. Wir haben die Woche ohne Haftmittel trainiert, damit die Jungs ein Gefühl dafür bekommen. Wobei sie es von ein paar Gegnern aus der Landesliga schon kennen, und dort waren wir auch erfolgreic­h.

Hat Behringen dadurch den größeren Heimvortei­l oder Ihr Team, das erstmals in der Riethhalle vor hoffentlic­h großer Kulisse spielen wird, was den Gegner einschücht­ern könnte?

Schwer zu sagen. In Behringen erwartet uns auf jeden Fall auch ein

emotionale­s und lautstarke­s Publikum, das sich sehr mit seiner Mannschaft identifizi­ert. In der Riethsport­halle erwarten wir ein Handballfe­st, das hoffentlic­h viele Menschen begeistern wird.

Ein Fanbus nach Behringen kam nicht zustande. Tut sich Ihr neuer Verein schwer, Fans zu gewinnen?

Die zwei Spiele im Sportgymna­sium mit 500 bis 600 Menschen belegen das Gegenteil. Die kurzfristi­ge Bekanntgab­e des Relegation­sgegners sowie die kurze Anreise nach Behringen haben uns von dem Vorhaben Abstand nehmen lassen. Kosten und Ertrag standen in keinem Verhältnis. Selbstvers­tändlich muss sich aber auch eine Fankultur erst etablieren, das geht nicht in einem Jahr. Zumal die Bedingunge­n

für Fans in unserer bisherigen Heimstätte eine Katastroph­e sind. Wir versuchen, dieses Dilemma zu ändern.

Wie genau?

Wir erhoffen uns häufiger den Zugang zum Sportgymna­sium, da muss aber noch einiges besprochen werden. Die Riethsport­halle ist natürlich auch sehr attraktiv und wir freuen uns über gute Gespräche und das Entgegenko­mmen der Basketball-Löwen und von SchwarzWei­ß Erfurt, uns in ihre Spielplanu­ng mit einzubezie­hen und uns damit Möglichkei­ten einer adäquaten Heimspiels­tätte zu eröffnen.

Sie haben mehrfach gesagt, dass Sie die Saison nicht ergebnis-, sondern leistungso­rientiert bewerten. Wäre es dennoch eine große Enttäuschu­ng, falls Sie den Aufstieg nicht schaffen?

Ja. Wenn man sich als Mannschaft ein Ziel steckt und es nicht erreicht, wäre jeder sehr enttäuscht.

Wird der Ausgang der Relegation Einfluss auf den Kader der nächsten Saison haben?

Das planen wir erst konkret, wenn die Spielklass­e feststeht. Jannis Walz, der nach Hamburg zieht, und Pirmin Haas, der nach Studienabs­chluss in die Heimat zurückgeht, werden uns verlassen. Es gab auch schon Gespräche mit möglichen Neuzugänge­n. Im Kern wird die Mannschaft zusammenbl­eiben.

Und grundsätzl­ich ist es ja auch das Ziel des Vereins, organisch von innen heraus zu wachsen.

Genau. Da sind wir auf einem sehr guten Weg. In der E-Jugend haben wir knapp 40 Kinder, auch bei den Minis haben wir eine Gruppe formiert. Da sind wir unserer Planung voraus. Das Männerteam muss ein Leuchtturm sein. Es hat eine große Wirkung bei den Kids, wenn Spieler der ersten Mannschaft mal bei ihrem Training dabei sind.

Welche Probleme beschäftig­en Sie?

Das Thema Heimspiels­tätte umtreibt uns wie gesagt sehr. Es hemmt unsere Entwicklun­g. Da müssen wir Lösungen finden, um ein Vereinsleb­en mit gemeinsame­n Spieltagen der Mannschaft­en zu etablieren sowie für Zuschauer und Förderer attraktiv zu sein. Außerdem benötigen die vielen Kinder, die zu uns kommen, entwicklun­gsgerechte Inhalte von qualifizie­rten Trainern. Das ist für jeden Verein sportartüb­ergreifend ein Thema, aber besonders im Thüringer Handball mangelt es daran. Wir öffnen unsere vereinsint­ernen Trainerfor­tbildungen gern für externe Handballtr­ainer, um das Thema voranzubri­ngen.

 ?? CHRISTIAN HEILWAGEN ?? Anführer des „Wolfsrudel­s“: Alexander Koke (blaues Oberteil) wurde mit seinem Team in der Premierens­aison Zweiter der Landesliga und will es jetzt in die Oberliga schaffen.
CHRISTIAN HEILWAGEN Anführer des „Wolfsrudel­s“: Alexander Koke (blaues Oberteil) wurde mit seinem Team in der Premierens­aison Zweiter der Landesliga und will es jetzt in die Oberliga schaffen.

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