Thüringische Landeszeitung (Gera)
„Laufburschen“aus Gera
Am Anfang war ein Auftrag mit einem ungelenken Gefährt – Jetzt gab es Preisgeld für Geraer für die neue Geschäftsidee
Mirko Raatz, Geschäftsführer von RaatzConnectMedia, und Merle Fuchs, Inhaberin des Technologiecontors Gera, freuen sich über den Thüringer Strategiepreis. Den gab es für das Geschäftsmodell zum Verkauf der ElektroLasten räder. Im Geschäftsplan stehen für 2017 insgesamt 350 verkaufte Lastenräder der Marke „Der Laufbursche“in Deutschland, in Österreich und der Schweiz . Foto: Peter Michaelis
GERA. Auf dem Marktplatz sorgte gestern früh der Fototermin mit zwei Lastenrädern für Aufsehen. Am Montag hatte der Geraer Mirko Raatz für seinen Geschäftsplan beim Thüringer Strategiewettbewerb für innovative Gründungen einen mit 5000 Euro dotierten Preis erhalten.
Im Frühjahr 2017 will der Unternehmer, der durch seine Werbeagentur bekannt ist, sein erstes eigenes Produkt auf den Markt bringen. Es heißt „Der Laufbursche“und meint vier Modelle von Lastenrädern, zwei Dreirädrige und zwei Zweirädrige. Privatleute könnten damit ihre Kinder oder die Einkäufe transportieren, Gewerbetreibende zum Beispiel Pizzen ausfahren und Pakete zustellen.
Die Idee dafür verdankt er einem Zufall. Vor zwei Jahren musste er für eine Werbeaktion solche Lastenräder in Stellung bringen. Er kaufte chinesische Modelle ohne Elektroantrieb und fragte sich, ob die nicht verbessert werden könnten. Inzwischen würden 80 dieser aufgehübschten Räder in Hamburg, Berlin, München und Dresden im Stadtverkehr fahren. Die Ausstattung des Rades zu verbessern, beriet sich der Geraer mit Händlern. „Den wichtigsten Rat bekam ich aus Heringsdorf an der Ostsee: Es darf keine Kette haben und nicht rosten“, erzählt der 47-Jährige.
Im Frühjahr 2016 lernte er bei einem Treffen des Bundesverbandes Mittelständische Wirtschaft die promovierte Mikround Molekularbiologin Merle Fuchs kennen. Die Geraerin ist Inhaberin des im Jahr 2000 gegründeten Technologiecontors. Sie hilft, so sagt sie, innovativen Unternehmern so schnell wie möglich zu gründen und dafür das Kapital zu haben. Die 50-Jährige wurde aus zwei Gründen Beraterin, wie sie sagt: „RaatzConnectMedia hat ein breit gefächertes Team mit unglaublichen Kontakten. Hier wird nicht lange rumgelabert. Außerdem geht es um ein wunderschönes, sinnliches Produkt“. Das Lastenrad soll in Gera aus Markenkomponenten montiert werden. Dazu gehören ein verzinkter, pulverbeschichteter Rahmen, hydraulische Bremsen, ein Carbon-Riemenantrieb statt Kette, ein elektrischer Mittelmotor, Nabenschaltung und Smart Grips, Griffe mit integriertem Navigationssystem, die auf der Seite vibrieren, in die gelenkt werden muss. Die Montage sollen fünf Mitarbeiter übernehmen.
Im Moment leisten die gedankliche Vorarbeit neben Geschäftsführer Mirko Raatz der Leiter der seit zwei Jahren existierenden Hamburger Niederlassung Christian Journet, der Leiter der Düsseldorfer Niederlassung Marco Theuring und der Geraer Rechtsanwalt Sven Rothe. Bevor die Produktion starten kann, soll bis Ende 2016 eine höhere sechsstellige Summe eingeworben werden. Raatz denkt an „einen Mix aus Investoren und Crowdfunding“. Letzteres meint das Geldsammeln über das Internet. Für diese Kampagne, die im Oktober starten soll, will er mit einer Thüringer Agentur zusammenarbeiten. „Den Kontakt habe ich erst am Montag bei der Preisverleihung geknüpft“, erzählt Mirko Raatz.
„Die meisten Gründer kommen aus der Forschung, keiner direkt vom Markt“, hat Merle Fuchs beim Wettbewerb der Stiftung für Technologie, Innovation und Forschung Thüringen beobachtet. „Mirko Raatz hat ein Gefühl für Markttrends“, sagt sie und gesteht: „Ich würde ihn am liebsten klonen lassen. Es gibt so wenige Leute mit so guten Ideen, die so gut wie er verkaufen können“.
Im Geschäftsplan stehen für 2017 insgesamt 350 verkaufte Lastenräder der Marke „Der Laufbursche“in Deutschland, in Österreich und der Schweiz. 750 sollen es im Jahr darauf sein, wenn der Vertrieb nach Belgien und die Niederlande ausgedehnt wird. In der dritten Stufe nimmt man sich Skandinavien vor. Ein Rad soll zwischen 3500 und 5000 Euro kosten.
Das innerstädtische Transportmittel schwimmt auf der Retrowelle und ist keine Neuerfindung, wie der Ideengeber erklärt. Unter dem selben Namen sollen Lastenfahrräder Ende des 19. Jahrhunderts Pferdefuhrwerke verdrängt haben, bevor Autos ihnen den Rang abfuhren. Inzwischen beobachtet der Geraer eine umgekehrte Bewegung. „In Hamburg verkaufen meine Freunde ihr Auto und steigen aufs Fahrrad um“. Wer das Lastenrad bald satteln will, kann sich in einer Interessentenliste führen lassen.