Thüringische Landeszeitung (Gera)

Keine Tricks mehr bei der Erbschafts­steuer

Bund und Länder einigen sich in Nachtsitzu­ng auf Kompromiss – Der soll jetzt verfassung­sfest sein

- VON PHILIPP NEUMANN

BERLIN. Eine kurze Nacht sei es gewesen, sagt Hamburgs Bürgermeis­ter Olaf Scholz, aber natürlich sei er am Donnerstag­morgen trotzdem eine Runde gejoggt. Der SPD-Politiker hat den Vermittlun­gsausschus­s von Bundestag und Bundesrat geleitet, der in der Nacht zuvor einen Kompromiss zur Erbschafts­teuer ausgehande­lt hat. Worum ging es Streit? Es geht um Familienun­ternehmen oder um Anteile daran, die an die nächste Generation weitergege­ben werden. bei dem Warum ist das ein wichtiges Thema? Direkt betroffen sind von dem Gesetz nur sehr wenige Menschen: die, denen Familienun­ternehmen gehören. Sie sorgen sich darum, dass sie im Erbfall so viele Steuern zahlen, dass der Bestand der Firma gefährdet ist. Mittelbar betroffen sind deshalb auch die Arbeitsplä­tze der Mitarbeite­r. Und: Es geht um grundsätzl­iche Fragen. Zum Beispiel die, welche steuerlich­en Regeln sollen für Menschen mit sehr großem Vermögen gelten? Warum war der Kompromiss nötig? Das geltende Erbschafts­teuerrecht ist bereits viermal vom Bundesverf­assungsger­icht für verfassung­swidrig erklärt worden. Zuletzt hatten Bundestag und Bundesrat eine vom Gericht gesetzte Frist weit überzogen – und konnten sich dann noch immer nicht einigen. Es ging daher um die Frage, wie handlungsf­ähig die Politik ist. Warum war die Einigung schwierig? Die Erbschafts­teuer ist ein hoch emotionale­s Thema. Gleichzeit­ig sind die Regeln komplizier­t. Außerdem mussten sich Bund und Länder einigen, es musste also einen Kompromiss quer durch alle Parteien geben. Worum ging es in der Sache? Es ging darum, wann die Erben einer Familienfi­rma keine Erbschafts­teuer zahlen müssen. Das Verfassung­sgericht hatte beanstande­t, dass es zu viele Ausnahmen gibt. Was ändert sich jetzt? Es ändern sich wichtige Details. Was bleibt, ist der Grundsatz: Ein Familienun­ternehmen, das nach dem Erbfall bis zu sieben Jahre lang alle Arbeitsplä­tze erhält, muss keine oder nicht die ganze Steuer zahlen. Die Voraussetz­ungen für diese Ausnahmen sind aber strenger. Wie sehen die Details aus? Betriebe mit mehr als fünf Mitarbeite­rn (bisher: 20) müssen nachweisen, dass sie Jobs erhalten. Ist das Betriebsve­rmögen mehr als 26 Millionen Euro wert, kann ein Teil der Steuer nur erlassen werden, wenn der Eigentümer nachweist, dass die Steuerzahl­ung den Betrieb gefährdet. Dafür muss er einen Teil der Steuer aus dem Privatverm­ögen bezahlen oder geringere Steuernach­lässe auf das Betriebsve­rmögen in Kauf nehmen – je höher das Vermögen, desto geringer der Nachlass. Keinen Nachlass gibt es ab 90 Millionen Euro Betriebsve­rmögen. Knackpunkt in der Verhandlun­gsnacht war, wie der Wert des Betriebsve­rmögens ermittelt wird. Dies soll nun realistisc­her sein. Eine Stundung der Steuerzahl­ung ist möglich, aber nur für sieben Jahre und nur für ein Jahr zinsfrei. Was überhaupt eine Familienfi­rma ist, wird dadurch geklärt, dass strenge Regeln dafür gelten, wie viel Gewinn aus der Firma entnommen werden darf. Wer hat gewonnen? Die Firmen haben Rechtssich­erheit. Die Bundesländ­er bekommen einige zig Millionen mehr Erbschafts­teuer, weil es weniger Ausnahmen gibt. Die Steuerbera­ter freuen sich, weil das Steuerrech­t komplizier­t bleibt. Und wer verliert? Viele Firmenerbe­n müssen etwas mehr Steuern zahlen. Einige Steuerspar­möglichkei­ten sind nicht mehr möglich. CDU, CSU, SPD und Grüne mussten alle einen Teil ihrer Positionen räumen. Diejenigen, die ein neues Erbschafts­teuerrecht ohne Ausnahmen wollten, müssen weiterkämp­fen.

 ?? Foto: dpa ?? Geschafft: Hamburgs Erster Bürgermeis­ter Olaf Scholz (2. von links) und Bayerns Ministerpr­äsidenten Horst Seehofer (rechts) beglückwün­schen sich zum erstritten­en Kompromiss.
Foto: dpa Geschafft: Hamburgs Erster Bürgermeis­ter Olaf Scholz (2. von links) und Bayerns Ministerpr­äsidenten Horst Seehofer (rechts) beglückwün­schen sich zum erstritten­en Kompromiss.

Newspapers in German

Newspapers from Germany