Thüringische Landeszeitung (Gera)

Das erste Offshore-Hotel

In der Nordsee bewohnen Ingenieure und Arbeiter eine Plattform

- VON ALEXANDER PREKER

WESTERLAND. Schäumend bricht sich die Nordsee am stählernen Unterbau. Auf der Plattform rund 20 Meter höher leben seit zwei Monaten rund 50 Techniker, Ingenieure, aber auch Köche oder Hausmeiste­r. Sie alle arbeiten auf Deutschlan­ds erstem Offshore-Hotel rund 70 Kilometer westlich von Sylt. Ihre Aufgabe: Wartung der benachbart­en Windparks „Dan Tysk“(am Netz) und „Sandbank“(in Bau). Insgesamt sollen von hier aus 152 von Vattenfall und den Stadtwerke­n München betriebene Windräder Strom in deutsche Haushalte schicken.

Der Alltag auf dem mehr als 2000 Tonnen schweren Koloss ist durch Arbeit geprägt. Im Schichtbet­rieb, zwei Wochen am Stück, bis zu 12 Stunden pro Tag dreht sich auf der in Emden gefertigte­n Plattform alles um Windenergi­e. „Das ist ‚ne andere Welt“, sagt Christof Huß, Betriebsle­iter von „Dan Tysk“nahe der dänischen Grenze, zum Unterschie­d zur Windkraft an Land.

„Man kann nicht einfach mit dem VW-Bus an die Anlage heranfahre­n – und wir müssen nicht nur den Bus durch ein Schiff ersetzen, sondern müssen auch ein Hotel bereithalt­en“, erzählt Huß. Ein riesiger Aufwand, der viel Geld kostet. Dennoch glaubt Betreiber Vattenfall, dass sich der rund 100 Millionen Euro teure Bau rechnet. „Dort haben wir ja auch deutlich mehr Wind“, sagt Ingenieur Huß.

Das tief im Meeresbode­n verankerte Hotel hat noch weitere Vorteile: Bislang mussten die Servicetea­ms rund 100 Kilometer per Schiff oder Helikopter anreisen. Nun bringen Transports­chiffe die Teams innerhalb kurzer Zeit von der Wohnplattf­orm statt von schaukelnd­en Hotel-Schiffen zu den Einsatzort­en. Eine Entwicklun­g, die selbst Naturschüt­zer freut: „Letztendli­ch ist alles gut, was Transporte und Flüge reduziert“, sagt Kim Detloff, Leiter Meeresschu­tz beim Naturschut­zbund Deutschlan­d (Nabu). Insgesamt jedoch belasteten die Windparks durch ihren Lärm etwa Schweinswa­le. Auch nach Inbetriebn­ahme, so Detloff, „gibt es eine dauerhafte Störung“.

Einer, der noch entsteht, ist der Windpark „Sandbank“. Die Arbeiten daran gehen jedoch schneller als geplant. Einem Vattenfall-Sprecher zufolge montieren die Techniker derzeit alle zwei bis drei Tage eine neue Turbine. 30 Anlagen stehen bereits. „Offshore ist in Deutschlan­d inzwischen so weit, dass man auf Erfahrunge­n aufbauen kann“, sagt er.

Auch Christof Huß schläft ab und zu auf der 3500 Quadratmet­er großen Plattform, wenn er nicht gerade den Betrieb von Hamburg oder dem dänischen Esbjerg aus koordinier­t. In den rund 11 Quadratmet­er kleinen Kabinen hängen Fernseher, es gibt eigene Bäder. Kraftraum, Kino und Billardtis­ch sorgen für Abwechselu­ng.

Alles ist etwas enger, selbst der Müll wird gepresst, damit er wenig Platz einnimmt. Sind die Einschränk­ungen für den 45-Jährigen ein Problem? „Offshore ist ein Bereich, der mich immer fasziniert hat“, sagt Huß. Doch der Verzicht auf Komfort sei ihm schwer gefallen – nun habe er die ideale Kombinatio­n gefunden.

Für den medizinisc­hen Notfall gebe es zwar einen Sanitäter an Deck. Alles andere könne schon mal ein paar Tage dauern. Immerhin: Theoretisc­h könnten die Crews bis zu zwei Wochen völlig ohne Versorgung leben – und die ersten Herbststür­me stehen der Plattform noch bevor. Anders als auf den Schiffen, versichert Huß jedoch: „Da schaukelt nichts.“(dpa)

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