Thüringische Landeszeitung (Gera)
Kartenzahlung wird kompliziert
Die Girocard bietet diverse Zahlungsmöglichkeiten – Kunden müssen jetzt wählen
Was manchen Kunden neuerdings beim Bezahlen an der Tankstelle verwirrt, sollte an Deutschlands Ladenkassen seit Juni eigentlich Standard sein. Wer mit der landläufig immer noch EC-Karte genannten Girocard zahlt, darf auswählen, ob das Geld per Girocard, Maestro oder VPay vom Konto abgebucht wird. Die EU-Kommission in Brüssel will es so. Wie sehen die neuen Vorgaben aus Brüssel aus? Die EU-Verordnung über „Interbankenentgelt für kartengebundene Zahlungsvorgänge“gibt Verbrauchern die Möglichkeit, beim elektronischen Bezahlen auszuwählen, über welches Unternehmen sie die Zahlung abwickeln wollen. Denn: Auf vielen Karten sind die Systeme mehrerer Anbieter hinterlegt. Führend in Deutschland ist die Girocard, die bis 2007 EC-Karte hieß. Was will die EUKommission erreichen? Die EU-Wettbewerbshüter werben: „Die neuen Bestimmungen bieten den Verbrauchern die Möglichkeit, die kostengünstigste Marke zu wählen, und versetzen die Einzelhändler in die Lage, diese Marke zu begünstigen, um die Kosten möglichst gering zu halten.“ Ist die Verordnung umgesetzt? Die Verordnung gilt seit dem 9. Juni 2016, umgesetzt ist sie im deutschen Einzelhandel bisher nur vereinzelt. n den nächsten Monaten will der Einzelhandel die knapp 800 000 Bezahlterminals in Deutschland mit neuer Software ausstatten, an denen mit Girocard bezahlt werden kann. Die Umrüstung könnte bis weit ins Jahr 2017 dauern. Profitieren die Verbraucher von der Wahlfreiheit? Für Kunden in Deutschland macht es keinen Unterschied, ob sie per Girocard, über Maestro oder VPay bezahlen. Denn zusätzliche Kosten entstehen für Verbraucher nicht – egal welche dieser Bezahlarten sie nutzen. Auch das Verfahren ist identisch: Karte ins Lesegerät stecken, Zahlung per vierstelliger Geheimnummer (PIN) freigeben – fertig. Allerdings funktioniert das mit der Girocard nur in Deutschland, VPay funktioniert in vielen Ländern Europas, Maestro sogar weltweit. Warum gibt es die neue EURegelung überhaupt? In manchen Ländern, zum Beispiel in Frankreich, gibt es Zahlungskarten, die zugleich Debitund Kreditkarte sind. Der Kunde hat dann beim Einkaufen also durchaus die Wahl, ob sein Konto sofort belastet wird oder erst mit Zeitverzögerung. Solche Karten gibt es in Deutschland bislang nicht. Was bedeutet die Neuregelung für den Handel? Geschäfte und Tankstellen könnten drauflegen müssen. Denn die Gebühren für das Kreditkartenverfahren sind deutlich höher, weil eine zusätzliche Bank dazwischengeschaltet ist. Bei der Zahlung mit der Girocard belaufen sich die Kosten auf 0,2 Prozent des Umsatzes plus die Kosten für den Netzbetrieb. VPay und Maestro kosten den Handel mindestens das Doppelte. Wer könnte profitieren? Eine Chance ist das Auswahlverfahren für Anbieter wie Mastercard und Visa. Zumindest können die US-Kartenriesen darauf hoffen, in Deutschland bekannter zu werden. Nach einer Studie des Handelsinstituts EHI für das Jahr 2015 wurden 23,2 Prozent der gesamten Umsätze im Einzelhandel in Deutschland per Girocard-Verfahren beglichen, Maestro und VPay kamen zusammen gerade einmal auf 0,8 Prozent.