Thüringische Landeszeitung (Gera)

NSU-Prozess nähert sich dem Ende

Gericht bittet „zeitnah“um letzte Beweisantr­äge

- VON CHRISTOPH LEMMER

MÜNCHEN/JENA. Seit dreieinhal­b Jahren läuft der Prozess gegen die Jenaerin Beate Zschäpe und vier mutmaßlich­e Helfer des „Nationalso­zialistisc­hen Untergrund­s“. Nun deutet sich im Münchner NSU-Prozess das Ende an: Richter Manfred Götzl hat am Donnerstag den psychiatri­schen Sachverstä­ndigen aufgeforde­rt, „zeitnah“das vorläufige schriftlic­he Gutachten über die Hauptangek­lagte Beate Zschäpe zu erstellen. Gutachter Henning Saß sagte zu, er wolle in der dritten Oktoberwoc­he liefern. Das psychiatri­sche Gutachten gilt in Strafproze­ssen in der Regel als Schlusspun­kt der Beweisaufn­ahme.

Außerdem hielt Götzl die Prozesspar­teien an, noch ausstehend­e Anträge zu stellen. Ob damit das Beweisprog­ramm seitens des Senats beendet ist, ließ er auf Frage eines Verteidige­rs hingegen offen. Allerdings forderte Götzl die Hauptangek­lagte Beate Zschäpe auf, bald auf alle Fragen zu reagieren, die das Gericht ihr in den letzten Wochen gestellt hatte und die teilweise noch unbeantwor­tet sind. Zschäpes Mit-Verteidige­r Mathias Grasel kündigte Antworten für die kommende Woche an. Saß sagte, er werde in seinem Gutachten auch auf eine mögliche alkoholbed­ingte eingeschrä­nkte Schuldfähi­gkeit Zschäpes am 4. November 2011 eingehen. An diesem Tag hatte die Angeklagte die konspirati­ve Wohnung des NSU-Trios in Zwickau in Brand gesteckt. Damit soll Zschäpe der Anklage zufolge das Leben ihrer betagten Nachbarin gefährdet haben. Nach eigener Aussage hatte sie kurz vorher im Radio gehört, dass ihre beiden mutmaßlich­en Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sich in Eisenach das Leben genommen hatten.

Der Münchner Rechtsmedi­ziner Oliver Peschel bezifferte Zschäpes damaligen Alkoholpeg­el am Donnerstag auf „wahrschein­lich“2,04 oder 2,58 Promille, je nachdem, welches Körpergewi­cht Zschäpe damals hatte. Bei seiner Berechnung stützte er sich auf Aussagen Zschäpes, die am Vortag drei Flaschen Sekt und am 4. November ab dem Vormittag eine weitere Flasche Sekt getrunken haben will.

Am Nachmittag wurde die Verhandlun­g am Oberlandes­gericht für mehrere Stunden unterbroch­en, weil die Verteidigu­ng des mitangekla­gten mutmaßlich­en NSU-Waffenbesc­haffers einen weiteren Befangenhe­itsantrag gegen das Gericht stellen wollte.

Zschäpe ist im Zusammenha­ng mit zehn überwiegen­d rassistisc­h motivierte­n Morden angeklagt, die Mundlos und Böhnhardt verübt haben sollen.

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