Thüringische Landeszeitung (Gera)
In Ilmenau ist der Anteil der Professorinnen noch immer verschwindend gering
Problem beginnt schon bei der Studienwahl – ErnstAbbeHochschule in Jena bietet daher die ersten beiden Semester in Elektrotechnik als reines Frauenfach an
EISENACH/GERA/ILMENAU. Thüringer Hochschulen sind mit Blick auf die Professorenschaft nach wie vor überwiegend männlich geprägt: Einzig die SRA Hochschule für Gesundheit Gera weist mit 45,83 Prozent ein fast ausgewogenes Verhältnis auf: Dort unterrichteten im vergangenen Jahr 13 Professoren und elf Professorinnen. Die SRA ist eine kleine Hochschule mit nur 24 Professorenstellen insgesamt. Ganz anders an der TU Ilmenau: 96 Professoren standen gerade mal acht Professorinnen gegenüber. Ihr Anteil betrug im Untersuchungszeitraum 2015 lediglich 7,69 Prozent.
Das hat jetzt für die TLZ die Duale Hochschule Gera-Eisenach herausgefunden. Sie untersuchte den Frauenanteil an den Professorenstellen aller elf Thüringer Hochschulen. Seit 1. September 2016 zählt die Duale Hochschule Gera-Eisenach ebenfalls zur Thüringer Hochschullandschaft. Sie ist durch Umwandlung aus den Berufsakademien in Eisenach und Gera hervorgegangen – und schneidet bei dieser Untersuchung ebenfalls nicht besonders gut ab: nur sechs von 40 Professorenstellen waren im Vorjahr mit Frauen besetzt. Das entspricht einem Anteil von 15 Prozent.
Die Hochschule Schmalkalden und die Ernst-Abbe-Hochschule Jena liegen mit 9 Prozent Professorinnen nur um ein Prozent über dem Niedrigstwert der TU Ilmenau.
Insgesamt gibt es an Thüringer Hochschulen 1202 Professorenstellen (Stand 2015), wovon 987 Stellen mit Männern und nur 215 Stellen mit Frauen besetzt sind. Das entspricht 17,89 Prozent. Bei der Stellenbesetzung spielt neben der Größe der Hochschule auch das Fächerangebot eine wichtige Rolle, so die Einschätzung von Professor Gerhard Reiter von der Dualen Hochschule in Eisenach, der die Zahlen ausgewertet hat. Technische Fächer werden eher von Männern besetzt, da Männer bereits im Studium die meisten Studenten stellen. Dies führe beispielsweise dazu, dass die TU Ilmenau mit knapp acht Prozent den geringsten Frauenanteil in ganz Thüringen aufweise. Große Hochschulen, wie beispielsweise die Uni Jena haben ein breites Fächerangebot. Damit gibt es auch mehr Möglichkeiten, Professorenstellen mit Frauen zu besetzen, so Professor Reiter. Allerdings weist die Uni Jena nur einen Frauenanteil von 18,35 Prozent auf, am Klinikum ist sogar nur etwa jeder neunte Professor weiblich (11,59 Prozent).
Bei den Kunstwissenschaften ist der Frauenanteil an den Professorinnen mit 34 Prozent am höchsten, bei den Ingenieurwissenschaften liegt der Frauenanteil hingegen nur bei 8,5 Prozent, so Professor Reiter. Ende 2015 lehrten und forschten an deutschen Hochschulen und Hochschulkliniken etwa 46 300 Professoren und Professorinnen. Deutschlandweit liegt der Anteil weiblicher Professorinnen bei 23 Prozent – also nicht einmal jeder vierte Professor ist weiblich; Thüringen rangiert mit knapp 18 Prozent deutlich hinter diesem Durchschnittswert.
Professor Gerhard Reiter von der Dualen Hochschule in Eisenach erklärt mit Blick auf die Leitungsstellen an Thüringer Hochschulen: „Dort sieht es noch schlechter aus mit der Frauenquote. Es gibt nur eine Rektorin an den elf Thüringer Hochschulen – nämlich an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena. Das entspricht weniger als 10 Prozent Frauenanteil bei den Rektorenstellen“, so Reiter.
Jene Rektorin, von der Reiter spricht, ist Professorin Gabriele Beibst. Und auf die Frage, woran es liegt, dass so wenige Frauen bisher an Hochschulen lehren, sagt sie: In den „klassischen“Ingenieurwissenschaften, wie beispielsweise im Maschinenbau und in der Elektrotechnik, beginne sich an der Ernst-AbbeHochschule Jena „gerade eine Änderung abzuzeichnen, sowohl bei den Studierenden, als auch bei den Lehrenden“. Konkret heißt das: „Im vergangenen Sommersemester haben wir beispielsweise ausschließlich Frauen berufen, darunter zwei Informatikerinnen.“
Klar ist aus ihrer Sicht, dass die Unwucht nicht im mangelnden Können der Frauen begründet sei. „Insgesamt ist dies jedoch ein Prozess, der wachsen muss. Er beginnt letztendlich schon bei dem ‚Mut zum Fach‘ – also schon bei den Studentinnen, wenn nicht sogar noch eher. Nicht umsonst bietet die EAH Jena seit dem vergangenen Wintersemester ein Studium der Elektrotechnik ausschließlich für Frauen in den ersten beiden Semestern an“, hebt Beibst hervor. Und was braucht es, damit aus klugen Doktorandinnen des Jahres 2016 später auch einige Professorinnen werden? Eine veränderte Einstellung nicht nur bei den Frauen. Oder wie Gabriele Beibst sagt: „Ich freue mich, dass viele junge Väter sich heute ebenso für die Familie engagieren, wie die jungen Mütter. Ein wichtiges Ergebnis dessen sind familienfreundliche Arbeitszeiten und deren Verinnerlichung auch in den derzeitigen Chefetagen. Hier beginnt ein Kreislauf, der die Vereinbarung von Lehrverpflichtungen und Familie erleichtert.“
Aus Sicht des Wirtschaftsministeriums, das auch für die Hochschulen zuständig ist, lassen sich „die Unterschiede in den Professorinnenanteilen weitgehend durch das Fächerspektrum und die damit verbundene Zugehörigkeit der Professorinnen und Professoren zu den entsprechenden Fächergruppen“erklären.
Es geht aufwärts, wenn auch langsam: So ist die Frauenförderung in Thüringen schon lange fester Bestandteil der Gleichstellungsbemühungen der Hochschulen und des Wissenschaftsministeriums. Bereits in dem bis 2016 vereinbarten Mittelverteilungsmodell war Professorinnenanteil ein Indikator für die Mittelverteilung, heißt es auf Anfrage. Außerdem wurde mit den Hochschulen in den Zielund Leistungsvereinbarungen der zu erreichende Professorinnenanteil vereinbart. „Darüber hinaus unterstützen wir die Hochschulen durch zusätzliche Mittel bei der Kofinanzierung des Professorinnenprogramms des Bundes und der Länder. Wir wollen den Professorinnenanteil an den Thüringer Hochschulen auch weiter zu erhöhen, weshalb die Frauenförderung bei der geplanten Novelle des Thüringer Hochschulgesetzes berücksichtigt wird“, betont eine Sprecherin des Ministeriums .
„Im vergangenen Sommersemester haben wir ausschließlich Frauen berufen, darunter zwei Informatikerinnen. ” Gabriele Beibst, Professorin und Rektorin an der ErnstAbbeHochschule in Jena