Thüringische Landeszeitung (Gera)
Bandagen für den Weltmarkt
Jahn GmbH in KönigseeRottenbach fertigt für andere Anbieter orthopädische Hilfsmittel – Inzwischen 109 Mitarbeiter
KÖNIGSEEROTTENBACH. Einem Geheimnis auf die Spur zu kommen, kann schon gleich am Anfang eine Hürde beinhalten. Die Adresse der Jahn GmbH in Königsee-Rottenbach (Kreis Saalfeld-Rudolstadt) – eigentlich seit 2013 offiziell – stellt die meisten Navigationssysteme vor eine Hürde. Denn die Werkstraße und die Alte Werkstraße sind ein kleiner feiner Unterschied, bei dem die Alte Werkstraße auch noch die jüngere von beiden Adressen ist.
Doch in Königsee-Rottenbach kennen viele Passanten den Weg zum modernen, zweistöckigen Flachbau, der einst als Kantine für die Werkzeugfabrik Königsee erbaut wurde. Für Dieter Jahn, Gründervater der GmbH, die inzwischen unter diesem Namen und mit dem Slogan „Bandagen aus Königsee” die ganze Welt beliefert, ist dies ein Randthema. Er hat die Anfangszeiten noch im Blick, als für ihn wenige Jahre nach der Wende die Frage stand, ob er weiter vom Wohlwollen anderer abhängig sein wollte oder stattdessen lieber sein eigenes Glück schmieden soll.
Nach einigen Jahren im Außendienst eines Medizinproduktegroßhändlers war er nicht nur um Erfahrungen reicher, sondern auch um den Kontakt in die Orthopädiebranche.
Zusammen mit dem Wissen darum, dass Bruchbänder aus Königsee auch weit ins letzte Jahrhundert hinein einen Ruf erworben hatten, den es zu verteidigen galt, wagte er 1993 den wichtigsten Schritt seines beruflichen Lebens und gründete die Jahn GmbH. Außer ihm gehörten seine Frau Ute und seine Schwester Dagmar Eberhardt zum Trio der ersten Jahre. Bruchbänder waren das erste Produkt, und sie haben auch heute noch einen geachteten Platz in der Produktvielfalt, die auf 1100 angewachsen ist. Derzeit verlassen etwa 95 000 Bandagen den Betrieb – im Monat. 1,4 Millionen Einzelteile sind dazu nötig. Und trotzdem steht auf keiner der Name Jahn.
Der Chef schmunzelt bei der Nachfrage, wie sehr ihn störe, dass seine Qualität nicht auch seinen Namen trägt. Er hat seine Nische im Weltmarkt anders definiert und beliefert keine Endkunden, sondern den Großhandel. Wie der Markt für orthopädische Hilfsmittel funktioniert, hatte er schon vorher verinnerlicht, und so begab er sich nicht in eine aufwendige und riskante Konkurrenz mit den anderen Marken, sondern empfahl sich als deren Auftragnehmer.
Sehr gut möglich, dass die namhaften Produkte von namhaften Anbietern aller Art in Königsee hergestellt wurden. Traditionell hält man mit dieser Marktstrategie viel Verschwiegenheit in Sachen Details. Dieter Jahn betont zumindest: „Ohne unsere Großhandelspartner und das wechselseitige, in langen Jahren aufgebauten Vertrauen, hätten wir gegen Billiglohnkonkurrenz nicht den Hauch einer Chance.“Zugleich zählt die Konzentration auf den Fachhandel viel. „Unsere Produkte werden so gut wie immer vom Arzt verschrieben.” Im Laufe der Zeit hat sich bei Dieter Jahn und seinem inzwischen etwa zehnköpfigen Führungsteam eine Spezialisierung klar als Vorteil erwiesen: In Königsee werden die technischen Umsetzungen der Dinge ersonnen, die sich die Partner im Großhandel ausgedacht haben. „Wir sind sehr gut darin herauszufinden, wie sich das Produkt optimal produzieren lässt, und überlassen unseren Partnern Entwicklung und Vertrieb.”
Dafür, dass kein Fach in den riesigen Hochregalen leer wird, zeichnet die Truppe um Dieter Jahn verantwortlich. Und die ist eingeschworen. Längst ist Tochter Janet als mit geschäftsführende Gesellschafterin auf dem besten Wege, das Erbe des Vaters anzutreten. Familiär geht es aber nicht nur in der Chefetage zu: „Die Belegschaft hatte schon seit Jahrzehnten Vertreter benannt und mit der Geschäftsführung alles besprochen und gelöst, was deren Probleme waren. Seit ein paar Jahren haben wir – nach einem etwas holprigen Start – auch einen Betriebsrat und arbeiten überaus konstruktiv zusammen.”
Die Belegschaft ist stetig gewachsen. Selbst die Zahl 99 auf der ansonsten gepflegten Internetseite des Unternehmens hat sich überholt: Mit Stand Ende August sind es 109 Mitarbeiter.