Thüringische Landeszeitung (Gera)
Warum ein Rührgerät in den Himmel kommt
Dokumentarfilm erzählt die Erfolgsgeschichte des in Suhl produzierten „RG 28“
SUHL. Dass dies ein durchaus rührender Film ist, mag einem zunächst wie ein Kalauer vorkommen. Aber es stimmt wohl auch darüber hinaus. Denn bei der intensiven wie extensiven Betrachtung des Handrühr- und Mixgerätes RG 28 aus dem Kombinat VEB Elektrogerätewerk Suhl kamen diesem und jenem tatsächlich die Tränen, berichtet Produzent Bert Köhler. „Und ein kleines bisschen ist das ja auch ein Liebesfilm.“
Es ist die Liebe zu einer Arbeit und zu einem Produkt, das dabei millionenfach entstand. 18 Millionen mal, um halbwegs genau zu sein. Die Hälfte davon ging in den Export. Aber das RG 28 war geschätzt auch in jedem zweiten DDR-Haushalt zu finden. Und dort läuft es vielfach bis heute, obwohl mit der DDR auch die Produktionsgeschichte des RG 28 endete.
Dem Regisseur Reinhard Günzler zwang das Fragen auf: warum ausgerechnet die als rückständig geltende DDR mit ihrer Mangelwirtschaft Geräte wie dieses hervorbrachte, „das immer noch tadellos funktioniert und das die Menschen gern haben“. Vielleicht, ließe sich antworten, weil in der Planwirtschaft die geplante Obsoleszenz von Konsumgütern schon deshalb nicht systemimmanent sein konnte, weil es chronisch an Material für Nachschub fehlte. Man war gleichsam gezwungen zu einer Strategie, die heutzutage wieder heiß diskutiert und Nachhaltigkeit genannt wird. Mit diesem Thema hat sich Regisseur Günzler, aus dem Ruhrgebiet stammend, „ schon immer beschäftigt.“Bert Köhlers Clip Film- und Fernsehproduktion in Suhl heuerte den „Wessi“aber auch deshalb an, „weil wir keinen Ostalgie-Film machen wollten“.
Gemeinsam drehte man also im August 2015, unter anderem in Suhl und Arnstadt, den abendfüllenden Dokumentarfilm „Kommen Rührgeräte in den Himmel?“. Darin begibt sich Carmen aus der Schweiz – gespielt von Angelina Palacios – auf eine Forschungsreise, nachdem ihr niegelnagelneues Rührgerät beim Backen den Dienst versagt. Auf dem Flohmarkt in Jena leuchtet ihr in Orange eines entgegen, das dergleichen eben nicht tut: ein RG 28. Laura wagt einen Blick zurück, aber auch in die Gegenwart. Sie trifft Konstrukteure, Prüfingenieure und Arbeiter aus dem Elektrogerätewerk von einst, Menschen, die das RG 28 bis heute benutzen, aber auch Soziologen, Ökonomen und Psychologen.
Das Gerät wird zum „Symbol für eine gelungene Beziehung zwischen Mensch und Gebrauchsding“, sagt der Regisseur. Wie eine solche Beziehung standardmäßig scheitert, symbolisieren hingegen Elektroschrottberge. Was dort heutzutage landet, kehrt allenfalls in Teilen in den Produktionskreislauf zurück, erfährt Carmen.
Der Film, sagt Produzent Göhler, antwortet auf die Wegwerfgesellschaft mit dem „Respekt vor den Dingen“, den es wiederzuerlangen gelte. „Natürlich empfehlen wir nicht den Weg zurück zur Planwirtschaft“, erklärt Autor und Regisseur Günzler. Es gehe aber darum nachzudenken, wie man durch Konsumentscheidungen das System beeinflussen könnte.
„Kommen Rührgeräte in den Himmel?“schafft es zum Bundesstart an diesem Donnerstag in 30 Kinos deutschlandweit. Das ist für einen Dokumentarfilm ebenso bemerkenswert wie der Umstand, dass die meisten dieser Kinos im Westen stehen. „Das ist alles andere als ein rein ostdeutscher Film“, fühlt sich Bert Göhler bestätigt und vermutet: „Wir haben mit dem Thema wohl in ein Wespennest gestochen.“
Der Film läuft ab 29. September in Thüringen zunächst nur im Cineplex Suhl. Im Kinoclub am Hirschlachufer in Erfurt dann vom 13. Bis 16. Oktober.