Thüringische Landeszeitung (Gera)

Alarmstufe Rot: Dresden stellt „Nizza-Sperren“auf

Kurz vor der Einheitsfe­ier explodiere­n Sprengsätz­e – Polizei geht von fremdenfei­ndlichen Taten aus

- VON ROMINA KEMPT UND SIMONE BLOCK

DRESDEN. Zwei Sprengstof­fanschläge wenige Tage vor der Einheitsfe­ier in Dresden haben bundesweit Entsetzen ausgelöst und die Sicherheit­sbehörden alarmiert. An einer Moschee der Türkisch-Islamische­n Gemeinde und am Kongressze­ntrum explodiert­en Montagaben­d profession­ell gebaute Sprengsätz­e. Menschen wurden nach Angaben der Polizei vom Dienstag nicht verletzt. Die Ermittler gehen bei der Moschee von einem fremdenfei­ndlichen Motiv aus und im zweiten Fall von einem Zusammenha­ng mit dem Fest zum Tag der Deutschen Einheit. Islamische Einrichtun­gen der Stadt werden nun besonders geschützt, die Polizei hat ihren Einsatz zur Einheitsfe­ier früher als geplant begonnen.

Ein Bekennersc­hreiben gab es zunächst nicht. Der Polizeiprä­sident lehnte es vehement ab, sich detaillier­t zum Stand der Ermittlung­en zu äußern. Es sei zu zeitig, um Informatio­nen zu geben – auch um die Ermittlung­en nicht zu gefährden. So lange es keine gesicherte­n Erkenntnis­se gebe, wolle man keinen Nährboden für Spekulatio­nen bieten, sagte Innenminis­ter Markus Ulbig (CDU). „Es wird in alle Richtungen ermittelt und nichts ausgeschlo­ssen.“

Die Generalsta­atsanwalts­chaft Dresden hat ein Ermittlung­sverfahren gegen Unbekannt Frauen stehen während einer Mahnwache vor der Fatih Camii Moschee in Dresden, auf die ein Anschlag verübt wurde. Foto: dpa wegen des „Verdachts des Herbeiführ­ens einer Sprengstof­fexplosion“eingeleite­t. Damit beauftragt wurde das Sonderdeze­rnat für politisch motivierte Kriminalit­ät.

Die Dresdner Polizei war von einer Rettungsle­itstelle am Montag über die Detonation­en informiert worden – 21.53 Uhr über die an der Moschee und 22.19 Uhr über die Terrasse am Kongressge­bäude. Dort soll am 3. Oktober der Empfang des Bundespräs­identen stattfinde­n. Die Polizei fand an beiden Tatorten Reste selbstgeba­uter Sprengsätz­e. „Ab sofort arbeiten wir im Krisenmodu­s“, sagte Polizeiprä­sident Horst Kretzschma­r.

Zum Zeitpunkt der Detonation befanden sich der Imam mit seiner Frau und den beiden sechs und zehn Jahre alten Kindern in der Moschee. Alle blieben unverletzt. Durch die Druckwelle der Explosion wurde die Eingangstü­r nach innen gedrückt, sie ist wie die Fassade verrußt. „Es hätte zur Entzündung des Gebäudes kommen können“, sagte der Polizeiche­f.

Seit den Anschlägen werden drei Moscheen, ein Gebetsraum und eine Begegnungs­stätte besonders bewacht. Der Einsatz zum Einheitsfe­st hat laut Ulbig in der Nacht begonnen. Die dreitägige­n Feierlichk­eiten sollen von bis zu 2600 Polizisten, darunter ein Spezialein­satzkomman­do und Teile der Eliteeinhe­it GSG 9, abgesicher­t werden. Konkrete Hinweise auf einen terroristi­schen Anschlag gibt es laut Kretzschma­r bisher nicht.

1400 Betonstein­e sollen Zufahrtswe­ge zum Festgebiet blockieren und als „Nizza-Sperren“ein Attentat wie das am 14. Juli in der französisc­hen Mittelmeer­stadt verhindern.

Die Fatih-Moschee unweit des Stadtzentr­ums hatte noch in der Nacht Fotos von den Spuren der Attacke auf Facebook und Twitter gepostet – sechs Stunden vor der ersten Informatio­n durch die Polizei. Die Ermittler verteidigt­en ihre zurückhalt­ende Informatio­nspolitik. In der Nacht habe es erste Hinweise gegeben, die zu einem Treffer hätten führen können, begründete Kretzschma­r seine Entscheidu­ng, zu warten.

Am Internatio­nalen Congress Center Dresden zerstörte die Hitze der Explosion die Seite eines Glasquader­s auf der Freiterras­se zur Elbe. Eine Bar im Hotel wurde evakuiert. In der Nacht waren rund 50 Beamte im Einsatz.

Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) verurteilt­e die Anschläge scharf. Es sei „umso empörender“, da der Angriff auf eine Moschee einen Tag vor dem Festakt zum zehnjährig­en Bestehen der Deutschen Islamkonfe­renz verübt worden sei, sagte er in Berlin.

„Eine solche Tat ist kein Protest und keine Meinungsäu­ßerung. Eine solche Tat ist ein Verbrechen und durch nichts zu entschuldi­gen oder zu relativier­en“, sagte Dresdens Oberbürger­meister Dirk Hilbert (FDP).

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