Thüringische Landeszeitung (Gera)
Alarmstufe Rot: Dresden stellt „Nizza-Sperren“auf
Kurz vor der Einheitsfeier explodieren Sprengsätze – Polizei geht von fremdenfeindlichen Taten aus
DRESDEN. Zwei Sprengstoffanschläge wenige Tage vor der Einheitsfeier in Dresden haben bundesweit Entsetzen ausgelöst und die Sicherheitsbehörden alarmiert. An einer Moschee der Türkisch-Islamischen Gemeinde und am Kongresszentrum explodierten Montagabend professionell gebaute Sprengsätze. Menschen wurden nach Angaben der Polizei vom Dienstag nicht verletzt. Die Ermittler gehen bei der Moschee von einem fremdenfeindlichen Motiv aus und im zweiten Fall von einem Zusammenhang mit dem Fest zum Tag der Deutschen Einheit. Islamische Einrichtungen der Stadt werden nun besonders geschützt, die Polizei hat ihren Einsatz zur Einheitsfeier früher als geplant begonnen.
Ein Bekennerschreiben gab es zunächst nicht. Der Polizeipräsident lehnte es vehement ab, sich detailliert zum Stand der Ermittlungen zu äußern. Es sei zu zeitig, um Informationen zu geben – auch um die Ermittlungen nicht zu gefährden. So lange es keine gesicherten Erkenntnisse gebe, wolle man keinen Nährboden für Spekulationen bieten, sagte Innenminister Markus Ulbig (CDU). „Es wird in alle Richtungen ermittelt und nichts ausgeschlossen.“
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt Frauen stehen während einer Mahnwache vor der Fatih Camii Moschee in Dresden, auf die ein Anschlag verübt wurde. Foto: dpa wegen des „Verdachts des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion“eingeleitet. Damit beauftragt wurde das Sonderdezernat für politisch motivierte Kriminalität.
Die Dresdner Polizei war von einer Rettungsleitstelle am Montag über die Detonationen informiert worden – 21.53 Uhr über die an der Moschee und 22.19 Uhr über die Terrasse am Kongressgebäude. Dort soll am 3. Oktober der Empfang des Bundespräsidenten stattfinden. Die Polizei fand an beiden Tatorten Reste selbstgebauter Sprengsätze. „Ab sofort arbeiten wir im Krisenmodus“, sagte Polizeipräsident Horst Kretzschmar.
Zum Zeitpunkt der Detonation befanden sich der Imam mit seiner Frau und den beiden sechs und zehn Jahre alten Kindern in der Moschee. Alle blieben unverletzt. Durch die Druckwelle der Explosion wurde die Eingangstür nach innen gedrückt, sie ist wie die Fassade verrußt. „Es hätte zur Entzündung des Gebäudes kommen können“, sagte der Polizeichef.
Seit den Anschlägen werden drei Moscheen, ein Gebetsraum und eine Begegnungsstätte besonders bewacht. Der Einsatz zum Einheitsfest hat laut Ulbig in der Nacht begonnen. Die dreitägigen Feierlichkeiten sollen von bis zu 2600 Polizisten, darunter ein Spezialeinsatzkommando und Teile der Eliteeinheit GSG 9, abgesichert werden. Konkrete Hinweise auf einen terroristischen Anschlag gibt es laut Kretzschmar bisher nicht.
1400 Betonsteine sollen Zufahrtswege zum Festgebiet blockieren und als „Nizza-Sperren“ein Attentat wie das am 14. Juli in der französischen Mittelmeerstadt verhindern.
Die Fatih-Moschee unweit des Stadtzentrums hatte noch in der Nacht Fotos von den Spuren der Attacke auf Facebook und Twitter gepostet – sechs Stunden vor der ersten Information durch die Polizei. Die Ermittler verteidigten ihre zurückhaltende Informationspolitik. In der Nacht habe es erste Hinweise gegeben, die zu einem Treffer hätten führen können, begründete Kretzschmar seine Entscheidung, zu warten.
Am Internationalen Congress Center Dresden zerstörte die Hitze der Explosion die Seite eines Glasquaders auf der Freiterrasse zur Elbe. Eine Bar im Hotel wurde evakuiert. In der Nacht waren rund 50 Beamte im Einsatz.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verurteilte die Anschläge scharf. Es sei „umso empörender“, da der Angriff auf eine Moschee einen Tag vor dem Festakt zum zehnjährigen Bestehen der Deutschen Islamkonferenz verübt worden sei, sagte er in Berlin.
„Eine solche Tat ist kein Protest und keine Meinungsäußerung. Eine solche Tat ist ein Verbrechen und durch nichts zu entschuldigen oder zu relativieren“, sagte Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP).