Thüringische Landeszeitung (Gera)
Richard, der Rebell
Wie der frühere SPDInnenminister Richard Dewes die Gebietsreform seines Nachfolgers und Parteifreundes Holger Poppenhäger torpediert
ERFURT. Wer in Saalfeld eine große Bühne bespielen will, muss in den „Meininger Hof“. Dort gibt es die größten Säle der Stadt. Für Montagabend hatten der örtliche Bürgermeister, seine beiden Amtskollegen aus Rudolstadt und Bad Blankenburg und der Landrat des Kreises Saalfeld-Rudolstadt zur großen Debatte eingeladen. Auch die SPD-Landtagsabgeordnete Marion Rosin stand unter dem Ankündigungsschreiben, in dem vor einem Ende der Kreisstadt Saalfeld gewarnt wurde.
Doch dass der Saal gut gefüllt war, lag eher am Gatten Rosins. Richard Dewes ist seit gut 20 Jahren damit beschäftigt, die thüringische Politik in unregelmäßigen Abständen gehörig aufzumischen – und nun ist es wieder einmal soweit.
Im „Meininger Hof“berichtete der vormalige SPD-Innenminister vom angeblichen Plan des aktuellen SPD-Innenministers Holger Poppenhäger, den Kreis Saalfeld-Rudolstadt mit dem Ilm-Kreis zu fusionieren. Dies, sagte er, werde schlimme Folgen haben, für Saalfeld, aber auch für alle anderen Beteiligten.
Man darf Dewes eine gewisse Sachkenntnis unterstellen. Als er im Jahr 1994 aus dem Saarland nach Thüringen kam, um das Innenressort zu übernehmen, hatte das Land gerade seine erste Gebietsreform hinter sich. Die Zahl der 35 Landkreise war halbiert worden. Auch von den damals 1707 Gemeinden blieb nur die Hälfte übrig.
Er bekam live mit, welche Verwerfungen solch eine Reform mit sich bringt. Die noch lange Jahre gepflegte Feindschaft zwischen den Altkreisen und den Ortsteilen bestimmte die Amtszeit von Dewes – die 1999 abrupt endete. Die Landtagswahl, in die er die SPD als Landeschef und Spitzenkandidat geführt hatte, ging krachend verloren. Seine Partei stürzte ihn, 2001 verließ er auch den Landtag.
Dewes zog sich in ein kleines Dorf nahe Saalfeld zurück, kaufte ein Gutshaus, hielt ein paar Pferde, heiratete Marion Rosin und gründete eine zweite Familie. Sein Geld verdiente er als Anwalt, doch in der Freizeit gab er bevorzugt den Partei-Rebellen. Dewes’ Lieblingspose ist die des Verteidigers des sogenannten ländlichen Raums. Als seine Partei Pläne für eine neue Gebietsreform entwickelte, stritt er vehement dagegen an.
Doch vor zwei Jahren, während der Koalitionsgespräche mit Linke und Grünen, schien er seine Meinung geändert zu haben. Der neue SPD-Landeschef Andreas Bausewein war ein Freund von ihm; und so saß Dewes mit dabei, als über die Gebietsreform verhandelt wurde. Er wähnte sich wieder wichtig – eine Selbsttäuschung. Niemand in Erfurt hörte auf ihn, schon gar nicht Poppenhäger.
Als der Minister ein Leitbild zur Reform veröffentlichte, ging Dewes wieder in den Angriffsmodus über. Vor allem den Plan, die Verwaltungsgemeinschaften abzuschaffen, hält der frühere Minister für verfassungswidrig – wobei er diese Meinung sogar als von der CDU bestellter Gutachter vertrat.
Für Dewes ist das gesamte Verfahren undemokratisch. Der Innenminister spreche mal mit diesem Landrat, mal mit jenem Bürgermeister. Zuweilen sogar sonntags, und immer im Geheimen. Es zählten nicht der Wille der Bürger oder Sachverstand, sagt Dewes. Entscheidend seien Wünsche einzelner Landräte und Parteitaktik.
Tatsächlich wird erzählt, dass Ministerpräsident Ramelow (Linke) dem Eichsfeld-Landrat Werner Henning (CDU) eine Bestandsgarantie gegeben habe. Damit wolle die Koalition die Union spalten. Ramelow bestreitet die Kolportage, genauso wie Poppenhäger nichts von Zusagen an SPD-Landräte wissen will. Doch dass sich Peter Heimrich, Chef des Landkreises Schmalkalden-Meiningen, den südlichen Teil des Wartburgkreises einverleiben will, hat sich herumgesprochen.
Zu Dewes ließ Poppenhäger gestern nur mitteilen, dieser verbreite „wilde Spekulationen“. In zwei Wochen werde er eine oder mehrere Kreiskarten vorlegen. Wie zu hören ist, dürfen vorher die SPD-Landräte Einblick nehmen, dann Ramelow und dann die Regierungsfraktionen. In dieser Reihenfolge.