Thüringische Landeszeitung (Gera)
Forscher legen eine Bibliothek des Lebens an
Wissenschaftler sammeln dafür bereits seit einigen Jahren alle möglichen Tiere und Pflanzen
BONN. Kann man alle Tiere, Pflanzen und Pilze finden, die es in Deutschland gibt? Kann man sie alle untersuchen und eine Art Bibliothek machen? Genau daran arbeiten Forscher schon seit mehreren Jahren.
Wissenschaftler Matthias Geiger steht im Keller eines Forschungs-Museums. Es heißt Alexander Koenig und befindet sich im Bundesland NordrheinWestfalen. Der Experte zeigt in einen Raum.
An einem großen Tisch sitzt einer seiner Kollegen. Er hat sich über ein Mikroskop gebeugt. In der Hand hält er eine kleine Pinzette. Damit sortiert er Hunderte winziger Fliegen aus einem Schälchen unter dem Mikroskop. „Die Fliegen haben wir im Garten unseres Museum gefangen. Mit einer Zeltfalle“, erzählt Matthias Geiger.
Doch warum sortiert jemand Fliegen? „Sie sollen Teil einer besonderen Bibliothek werden“, erklärt der Forscher. Es soll eine Bibliothek der Lebewesen werden! Darin sollen alle Tiere, Pflanzen und Pilzarten zu finden sein, die es in Deutschland gibt. Alle!
Daran arbeiten Matthias Geiger und andere Forscher schon seit Jahren. Sie sammeln dazu alle möglichen Tiere und Pflanzen, nehmen Proben und durchstöbern Regale und Schränke der Museen.
„Wir wollen nicht nur alle Arten erfassen. Wir wollen von ihnen eine Art Fingerabdruck nehmen“, sagt Matthias Geiger. Diesen Fingerabdruck nehmen die Forscher mit Hilfe eines speziellen Gens. Gene sind so etwas wie die Baupläne von Lebewesen.
Matthias Geiger ist einen Raum weitergegangen, ins Labor. „Hier passiert das DNABarcoding“, verrät er. Das bedeutet: Sind die kleinen Fliegen sortiert, kommt ein Stückchen von ihnen in eine besondere Maschine. Diese untersucht die Gene der Tiere. Heraus kommt am Ende eine merkwürdige Buchstabenreihe, zum Beispiel CAATCGGTAA.
Die Buchstaben stehen für die chemischen Stoffe, aus denen die Gene aufgebaut sind. Man nennt sie Nuklein-Säuren. Von ihnen gibt es vier: G steht für Guanin, A für Adenin, T für Thymin und C für Cytosin. „Das Barcode-Gen findet man bei jeder Tierart. Aber bei jeder Art sind die Säuren unterschiedlich angeordnet“, sagt der Wissenschaftler.
Das ist dann der Fingerabdruck. Er hilft den Forschern dabei, Arten in Zukunft einfacher bestimmen zu können. Die Experten nehmen zum Beispiel eine Fliege, untersuchen deren Gene und vergleichen sie mit der Bibliothek. Außerdem können die Forscher so herausfinden, wie eng verschiedene Arten miteinander verwandt sind.
Matthias Geiger ist zurück in sein Büro gegangen. Auf dem Bildschirm seines Computers zeigt er, wie der Fingerabdruck noch aussehen kann: Statt der Buchstaben erscheint eine Reihe mit bunten Strichen. Denn jeder Buchstabe hat auch eine andere Farbe. Diese Reihe sieht wie ein Strichcode aus, den man von Produkten aus dem Supermarkt kennt.