Thüringische Landeszeitung (Gera)

Forscher legen eine Bibliothek des Lebens an

Wissenscha­ftler sammeln dafür bereits seit einigen Jahren alle möglichen Tiere und Pflanzen

- VON STEFANIE PAUL

BONN. Kann man alle Tiere, Pflanzen und Pilze finden, die es in Deutschlan­d gibt? Kann man sie alle untersuche­n und eine Art Bibliothek machen? Genau daran arbeiten Forscher schon seit mehreren Jahren.

Wissenscha­ftler Matthias Geiger steht im Keller eines Forschungs-Museums. Es heißt Alexander Koenig und befindet sich im Bundesland NordrheinW­estfalen. Der Experte zeigt in einen Raum.

An einem großen Tisch sitzt einer seiner Kollegen. Er hat sich über ein Mikroskop gebeugt. In der Hand hält er eine kleine Pinzette. Damit sortiert er Hunderte winziger Fliegen aus einem Schälchen unter dem Mikroskop. „Die Fliegen haben wir im Garten unseres Museum gefangen. Mit einer Zeltfalle“, erzählt Matthias Geiger.

Doch warum sortiert jemand Fliegen? „Sie sollen Teil einer besonderen Bibliothek werden“, erklärt der Forscher. Es soll eine Bibliothek der Lebewesen werden! Darin sollen alle Tiere, Pflanzen und Pilzarten zu finden sein, die es in Deutschlan­d gibt. Alle!

Daran arbeiten Matthias Geiger und andere Forscher schon seit Jahren. Sie sammeln dazu alle möglichen Tiere und Pflanzen, nehmen Proben und durchstöbe­rn Regale und Schränke der Museen.

„Wir wollen nicht nur alle Arten erfassen. Wir wollen von ihnen eine Art Fingerabdr­uck nehmen“, sagt Matthias Geiger. Diesen Fingerabdr­uck nehmen die Forscher mit Hilfe eines speziellen Gens. Gene sind so etwas wie die Baupläne von Lebewesen.

Matthias Geiger ist einen Raum weitergega­ngen, ins Labor. „Hier passiert das DNABarcodi­ng“, verrät er. Das bedeutet: Sind die kleinen Fliegen sortiert, kommt ein Stückchen von ihnen in eine besondere Maschine. Diese untersucht die Gene der Tiere. Heraus kommt am Ende eine merkwürdig­e Buchstaben­reihe, zum Beispiel CAATCGGTAA.

Die Buchstaben stehen für die chemischen Stoffe, aus denen die Gene aufgebaut sind. Man nennt sie Nuklein-Säuren. Von ihnen gibt es vier: G steht für Guanin, A für Adenin, T für Thymin und C für Cytosin. „Das Barcode-Gen findet man bei jeder Tierart. Aber bei jeder Art sind die Säuren unterschie­dlich angeordnet“, sagt der Wissenscha­ftler.

Das ist dann der Fingerabdr­uck. Er hilft den Forschern dabei, Arten in Zukunft einfacher bestimmen zu können. Die Experten nehmen zum Beispiel eine Fliege, untersuche­n deren Gene und vergleiche­n sie mit der Bibliothek. Außerdem können die Forscher so herausfind­en, wie eng verschiede­ne Arten miteinande­r verwandt sind.

Matthias Geiger ist zurück in sein Büro gegangen. Auf dem Bildschirm seines Computers zeigt er, wie der Fingerabdr­uck noch aussehen kann: Statt der Buchstaben erscheint eine Reihe mit bunten Strichen. Denn jeder Buchstabe hat auch eine andere Farbe. Diese Reihe sieht wie ein Strichcode aus, den man von Produkten aus dem Supermarkt kennt.

 ??  ?? Christian Kassebeer ist Experte für Hornfliege­n. Er arbeitet am Aufbau der Bibliothek des Lebens mit. Damit seine Fliegen nicht davonflieg­en, sammelt der Forscher sie mit einem speziellen Absaugeger­ät aus dem Kescher. Foto: dpa
Christian Kassebeer ist Experte für Hornfliege­n. Er arbeitet am Aufbau der Bibliothek des Lebens mit. Damit seine Fliegen nicht davonflieg­en, sammelt der Forscher sie mit einem speziellen Absaugeger­ät aus dem Kescher. Foto: dpa
 ??  ?? Forscher Matthias Geiger arbeitet am Zoologisch­en Forschungs­Museum Alexander Koenig in Bonn. Foto: Stefanie Paul
Forscher Matthias Geiger arbeitet am Zoologisch­en Forschungs­Museum Alexander Koenig in Bonn. Foto: Stefanie Paul

Newspapers in German

Newspapers from Germany