Thüringische Landeszeitung (Gera)
So kommen die Beine wieder zur Ruhe
Großes Leserinteresse am Expertenrat zum Restless Legs Syndrom – Krankheitssymptome möglichst beseitigen
WEIMAR. Einfach mal die Beine hochlegen – für Menschen mit dem Restless Legs Syndrom (RLS) ist das keine Selbstverständlichkeit. Sobald sie zur Ruhe kommen wollen, fangen ihre Beine an zu ziehen, zu schmerzen und zu kribbeln. Abhilfe schafft nur Bewegung. An Entspannung und Schlaf ist aber nicht zu denken. Die Folgen können ständige Erschöpfung, eine verminderte Leistungsfähigkeit sowie Probleme in der Alltagsbewältigung und im Job sein. Doch es gibt Möglichkeiten, RLS wirksam zu behandeln. Dazu informierten Experten am TLZ-Lesertelefon. Die wichtigsten Fragen und Antworten: Unruhe in den Beinen verspürt wohl jeder ab und zu. Wann spricht man von einem Restless Legs Syndrom? Wenn zu der Unruhe ein unangenehm ziehender, kribbelnder Schmerz hinzu kommt und die Beschwerden sich erst bessern, wenn Sie sich bewegen, sollte man dem Verdacht auf ein RLS nachgehen. Die Symptome treten in der Regel abends auf und haben Auswirkungen auf die Schlafdauer und -qualität. Was sind die Ursachen? Die genauen Ursachen für das RLS sind nicht bekannt. Sicher ist jedoch, dass eine Störung im Dopaminstoffwechsel im Gehirn besteht. Zudem wissen wir, dass ein Eisenmangel die Symptome verschlechtert, sodass ein zentraler Eisenmangel eine weitere Rolle spielt. Sehr häufig finden sich, gerade bei jüngeren RLS-Patienten, mehrere Betroffene in einer Familie. Ein genetischer Faktor spielt sicher eine große Rolle. Es gibt aber auch andere Erkrankungen, die zu einem sogenannten sekundären RLS führen können, etwa eine fortgeschrittene Niereninsuffizienz oder bestimmte Stoffwechselstörungen. Wie häufig ist ein RLS erblich bedingt? Wir gehen davon aus, dass ein RLS in etwa 40 bis 50 Prozent der Fälle auf Vererbung zurückzuführen ist. Nicht selten sind gleich mehrere Familienmitglieder von einem behandlungsbedürftigen RLS betroffen. Wer stellt die Diagnose? Sinnvollerweise ein Facharzt für Neurologie, auch wenn der Hausarzt oft die erste Anlaufstelle ist. Meist fragen sich die Betroffenen, ob ihre Symptome überhaupt auf ein RLS hinweisen. Um dies festzustellen, gibt es auf der Internetseite der Deutschen Restless Legs Vereinigung einen wissenschaftlich geprüften Selbsttest. Die Diagnose durch den Neurologen ersetzt dieser Test natürlich nicht! Denn der Facharzt führt weitere Untersuchungen durch, um festzustellen, ob es sich tatsächlich um ein RLS handelt und – wenn ja – welche Ursachen vorliegen. Welche Untersuchungen sind notwendig, um ein RLS festzustellen? Die Diagnostik beginnt mit der Anamnese – dem Arzt-PatientGespräch. Die Schilderungen des Patienten sind wichtig, um die Symptome gegen andere Erkrankungen abzugrenzen. Auch prüfen wir auf mögliche Ursachen wie Eisenmangel oder eine Nerven- oder Nierenfunktionsstörung. Zur Sicherung der Diagnose dient auch der L-Dopa-Test. L-Dopa – kurz für Levodopa – ist eine Vorstufe von Dopamin und wird im Körper in dieses umgewandelt. Reagiert der Patient auf das Medikament, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein RLS. Da ein RLS eine der häufigsten Ursachen von Schlafstörungen ist, kann auch eine ambulante Schlafdiagnostik hilfreich sein. Ist die Erkrankung heilbar? Grundsätzlich ist das RLS eine ausgesprochen gutartige Erkrankung. Eine Heilung im Sinne einer endgültigen Behebung der Ursache gibt es beim idiopathischen RLS aber nicht. Handelt es sich um ein sekundäres RLS, kommt es darauf an, behandelbare Ursachen zu identifizieren. Beim sehr viel häufigeren idiopathischen RLS gilt es hingegen, die Krankheitssymptome zu beseitigen – und dazu verfügen wir über sehr wirksame Möglichkeiten. Wie wirken die Arzneien? Hauptansatzpunkt in der Therapie ist das Dopamindefizit im Gehirn: Die Medikamente – Levodopa und sogenannte Dopaminagonisten – gleichen den zentralen Dopaminmangel wieder aus. In der Behandlung der Parkinson-Krankheit werden sie schon seit Langem erfolgreich eingesetzt. In schweren RLS-Fällen, die auf eine dopaminerge Therapie nicht ausreichend ansprechen, kann ein Opioid-Kombinationspräparat eingesetzt werden. Es gibt zudem weitere Medikamente, die zwar die Symptome des RLS verbessern, aber in Deutschland nicht für die RLS-Therapie zugelassen sind. Medikamente aus der ParkinsonTherapie? Bedeutet RLS einen möglichen Hinweis auf eine ParkinsonErkrankung? Nein, RLS hat mit der Parkinson-Krankheit bis auf die Gemeinsamkeit im Dopamindefizit nichts zu tun. Zwar haben Parkinsonkranke ein erhöhtes Risiko, Symptome eines RLS zu entwickeln. Umgekehrt ist das Risiko für RLS-Patienten, eine Parkinson-Krankheit zu entwickeln nur minimal erhöht. Die Medikamentendosis, die für die Behandlung von RLS-Symptomen benötigt wird, ist im Vergleich zu den in der Behandlung der Parkinson-Erkrankung benötigten Dosierungen wesentlich niedriger. Muss ich auf Dauer mit Nebenwirkungen rechnen? In der Regel zeigt die RLS-Therapie auch nach langjähriger Behandlung eine sehr gute Verträglichkeit. Nebenwirkungen wie Kreislaufprobleme, Schwindelgefühle und Übelkeit können zu Beginn der Behandlung auftreten, lassen sich aber durch einschleichende Dosierung meist vermeiden. Wie lange muss ich RLSMedikamente einnehmen? Grundsätzlich handelt es sich um eine Dauerbehandlung, die sich an den Symptomen orientiert. In den ersten Jahren sind diese oft weniger ausgeprägt, sodass Medikamente möglicherweise nur bei Bedarf eingenommen werden müssen. Ich soll zusätzlich Eisen und Vitamin C einnehmen. Warum? Eisenmangel gilt als Auslöser eines RLS oder kann die Symptome verstärken. Fehlt Ihrem Körper Eisen, kann es zugeführt werden – in manchen Fällen per Infusion, meist jedoch in Tablettenform. Damit das Eisen im Magen-Darm-Trakt besser aufgenommen wird, gibt man Vitamin C dazu. Gibt es nichtmedikamentöse Formen der Behandlung? Bewegung hilft, die Symptome zu lindern, ebenso leichte, pflegende Massagen der Extremitäten – vor allem bei leichten RLSFormen. Ansonsten existiert aus meiner Erfahrung keine wirksame Alternative zum Einsatz RLS-spezifischer Medikamente. Die Beschwerden sind trotz der Medikamente wieder stärker geworden. Lässt die Wirkung der Medikamente nach? Im Laufe der Zeit können sich die Symptome auch bei laufender medikamentöser Therapie verschlechtern. Das kann eine Folge des natürlichen Fortschreitens der Erkrankung sein und eine Intensivierung der Therapie erfordern. Es kann sich aber auch um eine Folge der medikamentösen Therapie selbst handeln. Dann sprechen wir von einer Augmentation – und die erfordert eine Umstellung auf andere Medikamente. Gibt es Selbsthilfegruppen für Menschen mit RLS? Wie können diese unterstützen? Menschen mit RLS wünschen sich vor allem, dass sie mit ihrer Krankheit ernst genommen und verstanden werden. Selbsthilfegruppen (SHG) sind die ideale Gelegenheit dafür, und der Austausch mit anderen Betroffenen hilft enorm. In ganz Deutschland haben sich Selbsthilfegruppen unter dem Dach der Deutschen Restless Legs Vereinigung zusammengefunden. Abgesehen von der Arbeit für und mit den Betroffenen engagieren sich die SHG und die Vereinigung für die Zusammenarbeit mit der Ärzteschaft sowie für die Forschung und Aufklärung der Öffentlichkeit. Übrigens: Die Selbsthilfegruppen stehen allen Interessierten offen, auch NichtMitgliedern der Vereinigung.