Thüringische Landeszeitung (Gera)
Schlangen vor Tafeln werden immer länger
Nutzer müssen mit immer weniger Lebensmitteln auskommen
BERLIN. Die Zahl der Tafelnutzer wächst schneller als die Menge der gespendeten Lebensmittel. „Trotz angestiegener Spendenmenge bekommt jeder Einzelne im Durchschnitt etwas weniger Lebensmittel“, sagte der Vorsitzende des Bundesverbands Deutsche Tafel, Jochen Brühl. Fast 1,8 Millionen Menschen in Deutschland holen sich regelmäßig Lebensmittelspenden bei Tafeln ab. Darunter sind auch etwa 280 000 Flüchtlinge. Die Zahl der Tafelkunden sei 2015/16 im Vergleich zu 2014 um 18 Prozent gestiegen. Dem stand ein Spendenzuwachs von zehn Prozent gegenüber.
Mit Flüchtlingen habe es wegen kultureller Unterschiede und Sprachproblemen manchmal Anlaufschwierigkeiten gegeben. So hätten syrische Männer Probleme damit gehabt, Hilfe von Frauen anzunehmen. Auch bestimmte Lebensmittel seien für einige Gruppen ungeeignet. Zudem hätten viele Tafeln ihren neuen Kunden zunächst klarmachen müssen, dass Tafeln keine staatlichen Einrichtungen seien. „Unser Problem sind aber nicht die Flüchtlinge, sondern es ist die Armut“, sagte Brühl.
Dass Flüchtlinge überhaupt die Tafeln nutzen, erklärte Brühl unter anderem mit einer „mangelhaften Versorgung“in den Unterkünften. Bei Flüchtlingen, die in Wohnungen untergebracht seien, reiche die staatliche Unterstützung oft nicht aus – wie das auch bei Hartz-IVEmpfängern der Fall sei, ergänzte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Kai Noack. Die Konkurrenz zwischen Flüchtlingen und „Altkunden“sei in den Tafeln aber längst nicht so ausgeprägt, wie von außen oft behauptet, so Brühl.
Der Bundesverband vertritt mehr als 900 lokalen Tafeln. Diese sammeln Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden, und verteilen sie kostenlos oder gegen einen symbolischen Betrag an sozial und wirtschaftlich benachteiligte Menschen.