Thüringische Landeszeitung (Gera)

Psychologe hat Sex- und Alkoholpro­blem

Amtsgerich­t Gera verhandelt gegen 60 Jahre alten Angeklagte­n wegen Missbrauch­s

- VON TINO ZIPPEL

GERA. Der Angeklagte, ein 60 Jahre alter Psychologe aus Gera, schüttelt den Kopf. Nein, der Patientin habe er nicht während der Behandlung an die Brust gegriffen. Vielmehr sei die junge Frau über ihn hergefalle­n. „Die stand unter Crystal oder Kokain“, sagt der Angeklagte.

Die Staatsanwa­ltschaft Gera hatte ihn wegen der Sitzung im Februar 2015 angeklagt. Laut Anklagesch­rift soll er die Frau vier Stunden lang therapiert haben. Sieben bis acht Mal habe er versucht, sie auf seinen Schoß zu ziehen. Er habe sie auch gestreiche­lt. Sie habe das als unangenehm empfunden, aber war sich zunächst unsicher, ob es möglicherw­eise doch zur Behandlung gehört, sagt Staatsanwa­lt André Sbick. Der Angeklagte habe der Frau gedroht, dass er ihr von jetzt auf gleich den Unterkiefe­r ausschlage­n könne, und angekündig­t, bei der nächsten Sitzung Sex in jeder Stellung mit ihr zu haben.

Der Angeklagte weist das von sich. Die Frau habe ein Stethoskop mitgebrach­t und von ihm verlangt, dass er sie untersuche. „Sie hat sich wiederholt auf meinen Schoß gesetzt. Ich hatte die Schnauze voll und habe sie der Räumlichke­it verwiesen“, sagt der Psychologe. Er gab an, selbst angeschlag­en gewesen zu sein, weil sein Vater im Sterben lag und er oft nach Eberswalde pendeln musste.

Den zweiten Fall des versuchten sexuellen Missbrauch­s unter Ausnutzung eines Behandlung­sverhältni­sses räumt der Angeklagte zumindest indirekt ein. Er habe unter Alkohol gestanden und erinnere sich nicht genau. Es könne aber durchaus so gewesen sein, wie von der jungen Frau geschilder­t. Laut Anklagesch­rift hatte er die Frau zu einer Sondersitz­ung einbestell­t. Er habe sie mit halboffene­m Hemd empfangen, sei spürbar alkoholisi­ert gewesen und habe ihr seine Liebe gestanden. Besonders gefalle ihm „ihre Stimme und das Zusammensp­iel der Ober- und Unterschen­kel“. Er versperrte den Ausgang und versuchte, ihr einen Handkuss zu geben, heißt es im Anklagesat­z. Schließlic­h ließ er die Patientin gehen. Die beiden Fälle sind offenbar nur die Spitze des Eisberges: Weitere Frauen äußerten ähnliche Erlebnisse, gingen aber nicht zur Polizei.

Die Polizei erwischte den Angeklagte­n an einem Wochentag um 9.45 Uhr am Steuer seines Fahrzeuges in Gera. Er hatte 2,98 Promille. Pikant: Er selbst bereitete Autofahrer, die den Führersche­in verloren hatten, auf die Medizinisc­h-Psychologi­sche Untersuchu­ng vor. Er hat die Zulassung als Vertragsar­zt verloren und ist krankgesch­rieben. Erst am Wochenende stellte er sich in der Notaufnahm­e mit zwei Promille Alkohol im Blut vor: „Das war ein Ausrutsche­r nach der Entgiftung.“

Das Amtsgerich­t Gera setzt den Prozess am 6. Oktober fort.

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