Thüringische Landeszeitung (Gera)

Von den Nöten der Museen

„Perspektiv­e 2025“: Eine Thüringer Tour d‘Horizon im Gespräch mit VerbandsPr­äsident Günter Schuchardt

- VON WOLFGANG HIRSCH

EISENACH/GREIZ. Analog zu den Theatern hat Staatskanz­leiministe­r Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) ein „Perspektiv­e 2025“-Konzept für die Entwicklun­g der hiesigen Museumslan­dschaft angekündig­t. Mit Spannung wird nun sein Vortrag beim morgigen Verbandsta­g in Greiz erwartet. Über Lust und Last der hiesigen Museumsleu­te sowie über ihre Erwartunge­n an Hoff sprachen wir mit Günter Schuchardt, dem Burghauptm­ann der Wartburg und Präsidente­n des Museumsver­bandes. Welches sind die großen Themen auf Ihrem Verbandsta­g? Zunehmend Sorgen macht uns die finanziell­e Ausstattun­g der Häuser; insbesonde­re diejenigen, die sich in kommunaler Trägerscha­ft befinden, haben es schwer. Wir fahren schon zu lange auf Verschleiß: Es gibt seit je zuwenig Geld für Ausstellun­gen, Restaurier­ungen, Ankäufe, Pädagogik – und von Marketing spricht schon niemand mehr. Akzeptanzp­robleme gibt es hingegen nicht: Wir zählen in den Thüringer Museen über vier Millionen Besucher pro Jahr. Dabei erzielen überregion­al die großen Häuser ihre Erfolge nicht mit ihren Dauer, sondern mit profession­ell beworbenen Sonderauss­tellungen. Das ist richtig. Doch haben wir in Thüringen auch viele mittelgroß­e und kleinere Museen, und da bin ich schon froh, wenn hier oder dort eine neue Dauerausst­ellung oder sogar ein neues Museum entsteht. Das zieht dann auch erst einmal Besucher an. Zum Beispiel verleiht die Sparkassen-Kulturstif­tung ihren diesjährig­en Hauptpreis an das Jüdische Museum Frankfurt, die beiden Förderprei­se, die mit je 5000 Euro dotiert sind, gehen aber an das Lutherhaus in Eisenach und an das Museum642 in Pößneck – was uns sehr freut. Als großer Hoffnungst­räger gilt das neue BauhausMus­eum in Weimar. Glauben Sie, dass es bis 2019 gebaut, bezogen und eröffnet ist? Ich gehe wirklich nach wie vor davon aus. Da für Hellmut Seemann das Bauhaus-Jahr 2019 den Abschluss seiner Amtszeit bedeutet, muss er doch alle Kraft daran setzen, dass es rechtzeiti­g fertig wird. Offenbar ist die Bausumme zu knapp bemessen? Na ja. Wie auch immer, muss man bei solchen Großvorhab­en der öffentlich­en Hände es doch auch mal schaffen, die Etats einzuhalte­n. Freilich gestehe ich, in Sorge zu sein. Trotzdem muss es einfach fertig werden. Das Jahr 2019 lässt sich nicht verschiebe­n, und man steht durchaus in gewisser Konkurrenz zu Dessau und Berlin. Was bedrückt Sie auf der Wartburg? Es ist wie je: Ein kleines Team steht vor großen Aufgaben. Wir bereiten gerade eine große Ausstellun­g über „Luther und die Deutschen“fürs nächste Jahr vor und arbeiten schon jetzt die Wochenende­n durch, damit alles fertig wird. Auf Schloss Friedenste­in Gotha hat Martin Eberle binnen acht Jahren die Besucherza­hl auf knapp 200 000 verdoppelt – eine Erfolgsges­chichte? Ja, absolut. Und das Herzoglich­e Museum mit seiner Ausstellun­g ist ein großer Wurf. Aber die Restaurier­ung des Schlosses für 60 Millionen Euro aus Bundesund Landesmitt­eln wird ebenfalls erhebliche Kräfte absorbiere­n. An den Erfolgen hat die Stadt Gotha, die seit Jahren 75 Prozent des Etats der Friedenste­in-Stiftung trägt, hohen Anteil. Das ist eine tolle Leistung, wie ich sie nirgends sonst in Thüringen sehe – und das ist Knut Kreuch, dem Oberbürger­meister, zu verdanken. In Gotha müsste man mittelfris­tig die Stiftungsk­onstruktio­n – mit derzeit einem Viertel Landes und drei Vierteln städtische­m Anteil – ändern? Das denke ich schon. In Erfurt überlegt man, welche Museen man loswerden will: das Forum Konkrete Kunst, das ReichardtH­aus und das Museum Thüringer Volkskunde. Erwägungen, Museen zu schließen, halte ich für völlig falsch. Mir scheint, es geht vielmehr darum, sich aus der Trägerscha­ft zu verabschie­den. Im Kulturkonz­ept der Stadt Erfurt wird die Idee vorgetrage­n, sowohl das Volkskunde- als auch das Naturkunde­museum zu Landesmuse­en aufzuwerte­n. Gegen Landesmuse­en haben wir uns als Verband aber immer gesträubt, weil sich dann die Landesförd­erung auf diese Häuser konzentrie­ren würde. Das Land soll sich keine Rosinen herauspick­en, sondern die gesamte heterogene Museumslan­dschaft unterstütz­en. Das Museum für Ur und Frühgeschi­chte Thüringens in Weimar ist ein Landesmuse­um. Sähen Sie es lieber auf dem Erfurter Petersberg? Es ist dem Landesamt für Denkmalpfl­ege und Archäologi­e zugeordnet und in Weimar in recht beengten Verhältnis­sen untergebra­cht, während die Landesdenk­malpfleger bereits auf dem Petersberg sitzen. Zudem stehen in Weimar die Museen der Deutschen Klassik und die Bauhausstä­tten im Fokus der Besucher. – Wir verfolgen also die aktuelle Diskussion mit Interesse. Reisen wir weiter in Gedanken gen Osten: nach Gera. Dort scheint die Museumslan­dschaft zu implodiere­n. Ja. Es war schade, dass die OttoDix-Stadt nicht die Mittel und Möglichkei­ten gefunden hat, um das Landeszent­ralbank-Gebäude zum Kunstmuseu­m ersten Ranges zu gestalten. Keine Chance mehr? Im Moment sicher nicht. Da hat Gera viel größere Sorgen: Wenn ich nur sehe, wie an Personal gespart wird, dass es keine neuen Museumslei­ter gibt, wenn alte in den Ruhestand treten, und das Museum für Angewandte Kunst immer noch in der Schwebe hängt, finde ich das sehr, sehr traurig. Das LindenauMu­seum Altenburg hat derzeit keinen Direktor, kein Depot, aber ein Schimmelpr­oblem und einen mit alldem naturgemäß überforder­ten Landkreis als Träger. Braucht‘s da nicht endlich mehr Hilfe von außen? Ja, sicherlich. Soweit ich weiß, wird inzwischen zumindest das Dach neu gedeckt. Ich setze große Hoffnung auf Roland Krischke, der im November den Direktoren­posten antritt. Er hat auch das Format, um das LindenauMu­seum besser zu vermarkten. Das schönste und verschlafe­nste Dornrösche­n in Thüringen ist aber das Panorama Museum in Frankenhau­sen ... ... und das liegt weder an dem Tübke-Gemälde noch an den Sonderauss­tellungen, sondern schlicht an der Lage. Es ist einfach schwierig, wenn kein Autobahnan­schluss in der Nähe ist. Da hilft keine Werbung für diese „Sixtina des Nordens“? Doch, schon. Man müsste es medial stärker hervorhebe­n. Die Kollegen dort haben es verdient. Bei all den Sorgen ist ein Generalkon­zept Museen dringlich? Entscheide­nd ist, dass erstmals überhaupt eines entsteht. Der Gesprächsp­rozess darüber hat gerade begonnen, wir sind längst nicht am Ziel. Entscheide­nd wird sein, dass die Kommunen in die Lage versetzt werden, sich ihre Museen leisten zu können. Mehr als die Hälfte der Häuser in Thüringen befinden sich in kommunaler Trägerscha­ft. Ketzerisch könnte man fragen: Haben wir womöglich zu viele Museen? Gehören nicht welche geschlosse­n? Es gibt natürlich eine Reihe von kleinen Museen, die nur einen regionalen Aspekt abdecken. Diese Häuser werden wir auf Dauer nicht hauptamtli­ch halten können, das zeichnet sich bereits ab. In unserem Verband gibt es schon elf Museen, die nur noch eine ehrenamtli­che Leitung haben. So werden Heimatmuse­en künftig von Heimatvere­inen getragen, deren Mitglieder den Altersdurc­hschnitt von 65 Jahren übertreffe­n? So sieht es gegenwärti­g aus. Dennoch lässt sich auch in solchen Häusern mit externer Hilfe, zum Beispiel durch Hochschule­n, praxisnah eine wissenscha­ftliche Aufarbeitu­ng der Bestände erreichen – so geschehen im Werratalmu­seum Gerstungen. Es gibt allerdings auch Beispiele profession­ell geführter und dennoch besuchersc­hwacher Museen! Da muss man nach Ursachen forschen und Abhilfe schaffen. Wir stehen als Verband gern beratend zur Seite. Wer sich partout nicht bewegen will, dem können auch wir nicht helfen. Christophe­r von Deylen alias Schiller Foto: Paul Zinken

 ??  ?? Martin Luther steht auf der Wartburg immer im Fokus. 2015 gab es im Themenjahr „Bild und Botschaft“eine Sonderauss­tellung. Im LutherJahr 2017 folgt eine noch größere Schau. Foto: Peter Michaelis
Martin Luther steht auf der Wartburg immer im Fokus. 2015 gab es im Themenjahr „Bild und Botschaft“eine Sonderauss­tellung. Im LutherJahr 2017 folgt eine noch größere Schau. Foto: Peter Michaelis
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