Thüringische Landeszeitung (Gera)
Spannende Zeugnisse der Gradmessung
KarlHeinz Grebner restaurierte und dokumentierte die Vermessungssäule am Bismarckturm Reust
REUST. „Die Reuster Säule wurde schon einmal nach der Wende restauriert. Als ich mir sie aber vor einigen Monaten angesehen habe, stellt ich grünen Algenbewuchs fest, bedingt durch die umstehenden Bäume. Die alte Schrift, sehr exakt eingeschlagen, war zudem in brauner Farbe aufgetragen worden. Nach einer Richtlinie des Landesamtes für Denkmalschutz in Dresden soll sie allerdings anthrazitfarben sein. Mit Steinreiniger habe ich die komplette Säule gereinigt und in rund fünf Stunden die Schrift mit neuer Steinfarbe versehen“, erzählt Karl-Heinz Grebner – und ist mittendrin in seinem Metier, das für den 66-Jährigen seit einiger Zeit zur Passion geworden ist. Genauer, seit einer Wanderung 2009 und dem damit verbundenen Anblick einer kohlrabenschwarzen Säule. „Es soll kein Wanderer mehr vor solch einem Denkmal stehen und rätseln müssen, was es bedeutet“, so Grebner. Für die Restaurierung und Dokumentation der Vermessungssäule am Bismarckturm Reust erhielt der Chemnitzer vor kurzem den Denkmalschutzpreis 2016 des Landkreises Greiz. Diese Auszeichnung entgegen nehmen zu dürfen, habe ihn sehr geehrt, gesteht Grebner – und etwas verwundert: „Denn die Reuster Vermessungssäule ist die einzige in Thüringen und ich habe 79, vorrangig in Sachsen, restauriert. Da gab es nur einmal eine ähnliche Würdigung für eine Säule in Mittelsachsen“, erzählt der Autodidakt schmunzelnd und freut sich sehr, dass die Gemeinde Rückersdorf seine Arbeit an der Reuster Säule bezuschusst hat. Die meisten dieser Säulen, alles Zeugnisse der Europäischen Gradmessung und der Königlich Sächsischen Triangulierung – der Aufteilung in Dreiecke – bestehen aus Porphyr wie in Reust oder aus Granit. Immer wieder faszinieren den Restaurator Details zu Transport und Aufstellung der Säulen. „Damals wurde alles mit Ochsengespannen transportiert. In Reust ist der Zugang noch relativ leicht, aber viele finden sich auf hohen Bergen. Nicht von ungefähr wurden diese Standorte herausgesucht. Es waren ja typische Messpunkte. Auf diesen Säulen wurde seinerzeit der Theodolit, ein Winkelmessinstrument, aufgestellt. Mit ihm peilte man den nächsten Punkt bis 30 Kilometer Entfernung an, konnte den Winkel bestimmen und über eine Winkelgleichung die Entfernung berechnen. 1862 beschlossen Preußen und Sachsen, die Länder neu zu vermessen und sich zugleich an der Mitteleuropäischen Gradmessung zu beteiligen“, erklärt Grebner die Historie der so genannten Nagel‘schen Säulen – benannt nach einem Dresdener Professor, der federführend bei der Vermessung war. In der Folge seien in Sachsen 158 Standorte für Messpunkte entstanden. Die Kosten für die Restaurierungen trägt der Chemnitzer, sofern keine Zuschüsse von den jeweiligen Gemeinden kommen, selbst. „Jedes Hobby kostet Geld“, meint er dazu lapidar. „Ich schätze mich glücklich, dass ich in meinem Rentnerdasein eine solche Aufgabe gefunden habe“, sagt Grebner, der Diesellok-Schlosser gelernt und Kunststoffverarbeitung studiert hatte. Zugleich bedauert er, dass 2017 Schluss ist. „Dann sind sie alle restauriert.“Aber noch gibt es einige. Wie in Plauen, wohin er sogleich aufbricht.