Thüringische Landeszeitung (Gera)
Glaube, Liebe und Verrat
Eine Ausstellung in Schmalkalden erzählt, warum Luther nicht zur Fußnote in der Geschichte geworden ist
SCHMALKALDEN. Wer flucht, kommt für drei Tage in den Turm. Wer an Sonntagen während des Gottesdienstes außerhalb der Kirchen angetroffen wird, muss eine Geldstrafe zahlen. Kinder dürfen an Hochzeitsfeiern nicht teilnehmen.
Schmalkalden, im Jahre 1537. In den Augen der die Stadt regierenden Grafen treiben es die Einwohner zu wild. Etliche Verbote wider die losen Sitten ergehen. Die Stadt soll bei den hier stattfindenden Tagungen des Schmalkaldischen Bundes ein manierliches Bild abgeben.
Schmalkalden, anno 2017. Eine Ausstellung auf Schloss Wilhelmsburg erzählt von jenen Tagen, die alles andere symbolisieren als eine Provinzposse. Von hier aus wurde das Abendland in seinen Grundfesten erschüttert. In der südthüringischen Stadt hatte sich einige Jahre zuvor der Schmalkaldische Bund gegründet. Freie Städte wie Hamburg, Straßburg und Frankfurt gehörten ihm an, aber auch mächtige Fürstentümer wie Hessen, Sachsen und Württemberg. Der Bund war nichts anderes als der politische und militärische Arm der Reformation wider den katholischen Kaiser Karl V.
„Die Gründung des Schmalkaldischen Bundes ist der eigentliche Beginn der Glaubensspaltung in Europa“, sagt Kai Lehmann. „Ohne dieses Bündnis wären Luther und die Reformation nur eine Fußnote in der Geschichte geblieben.“Lehmann ist Direktor des Schlossmuseums. Er hat die Ausstellung konzipiert.
Auf 500 Quadratmetern hat er einen Teil der Altstadt von Schmalkalden nachbauen lassen. Wer durch die Gassen wandelt, kann nicht nur Fachwerkhäuser bestaunen, sondern darf auch eintreten. Haus um Haus wird ein neues Kapitel des Schmalkaldischen Bundes erzählt. Die Besucher sind ein wenig unterwegs wie bei einer Geisterbahnfahrt. Hinter jeder Tür wartet eine Überraschung. Freilich werden auf der Wilhelmsburg keine Schauergeschichten präsentiert. Hier geht es einzig und allein um tatsächliche Geschichte. Es geht um den Glauben, es geht um Krieg, es geht ums Alltagsleben, es geht um die Liebe – und um Verrat.
Ausgerechnet der Landgraf von Hessen als einer der beiden Hauptleute des reformatorischen Bundes und zugleich Herr über Schmalkalden diente sich dem verfeindeten Kaiser an. 1541 schlossen beide einen Geheimvertrag. Landgraf Philipp verpflichtete sich, die europäische Erweiterung des Bundes zu hintertreiben. Im Gegenzug verzieh ihm der Kaiser „alles und jedes“, was der Landgraf bisher gegen das kaiserliche Gesetz verbrochen hatte.
Alles und jenes, das meinte vor allem eines: Philipp hatte, obwohl er bereits verheiratet war, ein blutjunges Hoffräulein formell zur Frau genommen. Das war Bigamie. Darauf stand die Todesstrafe.
„Aus dem angriffsbereiten Kriegsfürsten war ein Bittsteller geworden“, sagt Kai Lehmann.