Thüringische Landeszeitung (Gera)

Dette: CDU soll Gebietsref­orm mittragen

Rechnungsh­ofchef fordert eine „Große Koalition der Vernunft“im Landtag

- VON ELMAR OTTO

RUDOLSTADT/ERFURT. Thüringens Rechnungsh­of hält eine Verwaltung­s- und Gebietsref­orm nicht zuletzt mit Blick auf die sinkende Einwohnerz­ahl weiterhin für unumgängli­ch. Dass der Weimarer Verfassung­sgerichtsh­of das zentrale Gesetz aus formalen Gründen gekippt hat, steht dem aus Sicht von Behördenpr­äsident Sebastian Dette nicht entgegen. Er ermuntert die rot-rot-grüne Landesregi­erung, die Reform durchzuzie­hen, und sieht dabei auch die Opposition in der Pflicht.

„Ich fordere eine Große Koalition der Vernunft. Das heißt, auch die CDU-Fraktion darf sich nicht länger einer dringend notwendige­n Reform verweigern. Bei einem so fundamenta­l-wichtigen Projekt sollten alle demokratis­chen Kräfte an einem Strang ziehen“, sagte Dette der TLZ.

CDU-Finanzpoli­tiker Maik Kowalleck erwiderte: „Rot-RotGrün steckte heute nicht in einer Sackgasse, wenn es in Sachen Gebietsref­orm nicht arrogant über die Kompromiss­vorschläge der CDU-Fraktion und die Rechte des Parlaments hinweg gegangen wäre. Dieser vermurkste Reformproz­ess muss auf null zurückgest­ellt und dann in der richtigen Reihenfolg­e neu begonnen werden.“

Die Fraktionen von CDU und AfD lehnen eine Reform mit größeren Kreisen ab. Dette sagte, Thüringen verliere statistisc­h täglich 35 Einwohner. Es sei nicht möglich, dass immer weniger Menschen eine gleichblei­bend große Landesverw­altung mit mehr als 50 000 Angestellt­en und Beamten finanziert­en.

In seinem aktuellen Jahresberi­cht prangert der Rechnungsh­of unter anderem an, dass der Freistaat kaum Stellen im Landesdien­st gestrichen und nur schleppend Schulden getilgt hat (TLZ berichtete).

ERFURT. Christoph Matschie hat in einem viel beachteten TLZ-Gastbeitra­g Stellung zur aktuellen Bildungspo­litik und zum Zustand im Bildungsmi­nisterium genommen, das jetzt offenbar neu besetzt werden soll. Matschie war bis 2014 selbst Bildungsmi­nister und nimmt Stellung dazu, inwiefern seine Kritik letztlich auch auf Versäumnis­se während seiner Amtszeit unter der damals schwarz-roten Regierung zielt. Warum haben Sie manches von dem, woran nun die Bildungspo­litik noch immer krankt, nicht schon zwischen 2009 und 2014 gelöst? Die Einstellun­gen von neuen Lehrern habe ich von Jahr zu Jahr auf zuletzt 400 gesteigert. Dies war nur gegen den massiven Widerstand der CDU möglich, die noch höhere Einstellun­gszahlen verhindert hat. Das Ziel, Schulden abzubauen, stand für den damaligen Finanzmini­ster Voss (CDU) an erster Stelle. Schon zu meiner Amtszeit habe ich die Möglichkei­t zur Verbeamtun­g von Lehrern gefordert, damit wir konkurrenz­fähig gegenüber anderen Bundesländ­ern sind. Auch hier hat unser damaliger Koalitions­partner CDU nicht zugestimmt. Sie plädieren für Stellenaus­wahl durch die Schulen. Waren wir da nicht schon weiter? Ja. Die Möglichkei­t, dass die Schulen ihre Stellen selbst ausschreib­en und die Auswahl der Bewerber bestimmen, habe ich damals eingeführt. Leider wurde dieser Weg von der neuen Bildungsmi­nisterin nicht konsequent fortgeführ­t. Und wie ist es mit weiteren Vorschläge­n aus Ihrer Zeit? Auch den jahrgangsü­bergreifen­den Unterricht an Grundschul­en habe ich gefördert. Hier gibt es aber – neben den Schulen, die dieses Konzept toll finden – noch viel Widerstand von Lehrern und Eltern, den man überwinden muss. Das verlangt jetzt großen Einsatz von Seiten des Ministeriu­ms. Das Modell der Sprengelsc­hulen haben wir damals begonnen zu diskutiere­n. Der Ansatz ist aber unter neuer Führung nicht weiter verfolgt worden. Für eine neue Personalpl­anungssoft­ware gab es in meiner Amtszeit keine Investitio­nsmittel. Heute wäre bei deutlichen Haushaltsü­berschüsse­n dieses Problem lösbar. Welche Probleme sind jetzt neu aufgetrete­n? Neu ist das Problem der Integratio­n einer deutlich gestiegene­n Zahl von Flüchtling­skindern. Das braucht deutlich mehr Lehrer für die Sprachausb­ildung, aber auch für den allgemeine­n Unterricht. Neu ist auch das von Bildungsmi­nisterin Klaubert selbst geschaffen­e Problem, dass die Kommunen nicht mehr für den Hort zuständig sein dürfen. Dies hat zu erhebliche­n Personalpr­oblemen an einer Vielzahl von Horten geführt. Warum haben Sie – in Kenntnis der Probleme – nicht unter RotRotGrün erneut das Bildungsmi­nisterium übernommen, um so die Misere, in die sich die Linke erst einarbeite­n musste, zu minimieren? Nach der Landtagswa­hl 2014 hat die damals neu gewählte SPD-Spitze entschiede­n, dass ich kein Regierungs­amt mehr bekleiden soll. Seitdem bin ich einfacher Landtagsab­geordneter. Was ist aus Ihrer Sicht an den Besonderhe­iten der Thüringer Schullands­chaft besonders schützensw­ert? Eine Stärke sehe ich darin, dass wir im Vergleich mit vielen anderen Bundesländ­ern noch eine sehr wohnortnah­e Schulstruk­tur haben. Gerade bei Grundschul­en muss gelten: kurze Beine – kurze Wege. Allerdings muss der Lehrereins­atz optimiert werden, damit diese Wohnortnäh­e auch in Zukunft garantiert werden kann. Wie stehen Sie zur Beschulung von Flüchtling­en, die älter als 16 Jahre sind? Für Flüchtling­skinder über 16 Jahren sollte ein eigenes Bildungsan­gebot an den Berufsschu­len etabliert werden. Hier sollten sie einerseits einen allgemeine­n Schulabsch­luss erwerben können, als auch möglichst frühzeitig ans Berufslebe­n herangefüh­rt werden.

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„Bei Grundschul­en muss gelten: kurze Beine – kurze Wege. Der Lehrereins­atz muss optimiert werden, damit diese Wohnortnäh­e garantiert werden kann.“ Christoph Matschie, ExBildungs­minister

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