Thüringische Landeszeitung (Gera)
„Finanzposse mit kafkaesken Zügen“
Rechnungshof deckt bei zwölf Prüfungen die Verschwendung von mindestens 60 Millionen Euro durch die Landesverwaltung auf
RUDOLSTADT/ERFURT. Das historische Ambiente des Stadtschlosses will nicht so recht zu den Problemen der Gegenwart passen. Dort im reich verzierten Rokokosaal der Ludwigsburg, unter vier schweren Kristalllüstern, die viele Meter über den Köpfen der Protagonisten zu schweben scheinen, prangert die Spitze des Thüringer Rechnungshofs die Steuergeldverschwendung der Landesverwaltung an. Zwölf Fälle haben die Rudolstädter Beamten aufgelistet, die sich auf einen Fehlbetrag von 60 Millionen Euro summieren, mindestens.
Aber Behördenpräsident Sebastian Dette und sein Kollegium beschränken sich keinesfalls auf die Aneinanderreihung von Zahlen, die den fahrlässigen Umgang mit Steuergeldern belegen. Sie fordern von der rot-rotgrünen Koalition, trotz sprudelnder Steuerquellen bei Ausgaben Maß zu halten und den Stellenabbau real und nicht nur auf dem Papier voranzutreiben.
Skeptisch sieht Dette auch die soziale Wirkung des von der Landesregierung ab 2018 vorgesehenen beitragsfreien Kita-Jahres. „Es geht um die Frage, wer vom Land damit einen finanziellen Vorteil bekommt“, gibt er zu bedenken. Einkommensschwache Familien seien das eher nicht. Sie müssten schon jetzt keine Gebühren zahlen.
Der CDU, der Dette selbst angehört, schreibt er derweil ins Stammbuch, sich einer Verwaltungsund Gebietsreform nicht zu verschließen, und spricht sich angesichts der knappen rotrot-grünen Landtagsmehrheit für eine „Große Koalition der Vernunft“aus.
CDU- und AfD-Fraktion wollen davon nichts wissen. Sie lehnen die umstrittene Reform rigoros ab und sehen in der Kritik des Hofs den Beleg für das Versagen der Regierung: „Armutszeugnis“(AfD in Bezug auf die stockende Konsolidierung), „Totalausfall“(CDU zum ausgebliebenen Personalabbau).
Doch abgesehen von politischen Leitplanken, die allesamt unter der Überschrift Nachhaltigkeit stehen, sind es wie stets die konkreten Verschwendungsfälle, die manchem den Glauben an den gesunden Menschenverstand rauben.
Etwa 30 Millionen Euro wurden verpulvert, nachdem die Aufgaben des damaligen Landesamtes für Familie und Soziales sowie der drei Versorgungsämter in Erfurt, Gera und Suhl auf das Landesverwaltungsamt und die kommunale Ebene übertragen wurden. Damit wollte die seinerzeitige CDU-Regierung 2004 eigentlich mehr Bürgernähe, schnellere Verfahren und geringere Kosten erreichen. Für Rechnungshofvize Michael Gerstenberger ist das Ergebnis allerdings eine „Warnung vor Entscheidungen am Grünen Tisch“.
Auch die seit 2011 bei der Landesentwicklungsgesellschaft angesiedelte Thüringer Agentur für Fachkräftegewinnung (ThAFF) hat nicht gerade dazu beigetragen, dass die öffentliche Hand Geld spart. Mehr als 16 Millionen Euro seien ausgegeben worden, „ohne erforderliche Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen und Erfolgskontrollen“, heißt es.
Als „Finanzposse“mit beinahe „kafkaesken Zügen“bezeichnet Rechnungshofdirektor Klaus Behrens den Umbau eines Gebäudes in Gera aus Mitteln des sozialen Mietwohnungsbaus mit einem Darlehen von rund 600 000 Euro, obwohl es nachweislich keinen Bedarf gab.
Mehrkosten von mehr als 2,7 Millionen Euro bei einer in öffentlich-privater Partnerschaft (ÖPP) finanzierten Landesstraße im Saale-Holzland-Kreis sind für Behrens „ein wahrhaft kostspieliges Experiment“.
Der Vorstandsvorsitzende des Bundes der Steuerzahler, Justus Kehrl, fordert mit Blick auf diese Misswirtschaft: „Der Gesetzgeber muss endlich ein wirksames Instrumentarium zur Bekämpfung der Verschwendung von Steuergeldern schaffen.“