Thüringische Landeszeitung (Gera)

Hoffmanns Erzählunge­n

Einträchti­ges Miteinande­r zwischen dem Liedermach­er und seinem Publikum beim Spiegelzel­tFestival in Weimar

- VON ESTHER GOLDBERG

WEIMAR. Er mag sein Alter nicht. Weil er singen und parlieren mag. So, wie er das seit 40 Jahren tut, und wie er es gern noch weitere Jahrzehnte täte. Klaus Hoffmann ist eine Rampensau. Und was für eine. Auch, wenn er offensicht­lich unter seinem Alter zunehmend leidet. Da hilft auch nicht, dass ihm erneut im Weimarer Spiegelzel­t sein Publikum zu Füßen liegt.

„Leise Zeichen“heißt sein neues Programm. Der Titel könnte – genau genommen – über seiner vierzigjäh­rigen Liedermach­erei stehen. Denn das ist sein Markenzeic­hen: die leisen, ironischen und vor allem melancholi­schen Töne und Zwischente­xte.

Sein „Wenn ich es hier schaff‘, schaff‘ ich es überall“zieht sich durch sein Programm. Immer ist bei ihm auch ein wenig Kampf. Die Leichtigke­it des Seins erlaubt er sich nur in den Liebeshymn­en, die Hoffmann singen kann wie kaum ein anderer. Er singt „Die Stadt bekam plötzlich dein Gesicht“– und sein Publikum lässt die Fantasie von der Leine. Wie schön ist es doch, in leichtem Liebesraus­ch zu schwelgen. Niemand käme auf die Idee, bei dieser Zeile an vierspurig­e Straßen oder Müllfahrze­uge zu denken. Es sind eher die kleinen Cafés, in denen Zeit wunderbar tropfen kann.

Doch ein Konzert mit Hoffmann ohne jene Themen, die von ihm ganz einfach erwartet werden, wäre ein schlechtes Konzert. Dankbar nahm am Sonntagabe­nd das Publikum seine „Blinde Katarina“auf und seinen Jacques Brel. Mit seinem BeinaheKon­firmandenj­ackett ist er sehr schnell jener Hoffmann, der die Menschen ins nahezu ausverkauf­te Spiegelzel­t gezogen hat. „Bin ein Fremder“, ein 22 Jahre altes Lied, erhält angesichts der brennenden Welt eine Brisanz, die schaudern macht. „Bin der Somalier, Vater stammt aus Golgatha, Mutter aus Malaysia, sie kamen über Afrika“ist aktueller denn je.

Ungeteilte Aufmerksam­keit voller Gefühle

Aber Hoffmann holt sein Publikum aus dieser Beklemmung auch immer wieder heraus. Er kann es einfach. Er erreicht an diesem Abend wieder einmal, was er will: ungeteilte Aufmerksam­keit voller Gefühle. Mit seinen Plaudereie­n zwischen den Liedern macht er sich über die eigenen Ängste lustig. „Ich wollte noch maskuliner herüberkom­men“, beschreibt er seinen angemalten Schnurrbar­t als Jüngling – er weiß, er hat es bis heute nicht geschafft. Auch sein „Karl Dall hat ein Auge auf mich geworfen“ist vor allem eines: freundlich­e Unterhaltu­ng eines Mannes, den sein Publikum, den die Bühne immer noch richtig lieb hat.

Am Klavier steuert Hawo Bleich nicht nur einfach gute Töne bei. Die beiden passen richtig gut zusammen, sind ein- und abgestimmt. Gitarre und Klavier und Klaus Hoffmann sorgen für einen Abend, der trotz schwergewi­chtiger Worte das Publikum beschwingt. Sicher: Die zu ihm kommen, sind mit ihm gealtert. Manche sind so textsicher, dass sie keine einzige Zeile ungesungen lassen. Unter ihnen, in der ersten Reihe, ist eine Frau, die extra aus Berlin angereist ist. Hoffmann freut es sichtlich. Anderersei­ts: Jüngere Gesichter gab es im Publikum kaum. Sie wissen nichts mehr von Hoffmanns Erzählunge­n, von seinen leisen Zeichen.

Diese leise Zeichen hat er also erneut im Spiegelzel­t gesendet, gesungen, gespielt, gewagt. Sein Publikum hat ihm lauthals geantworte­t. Vielleicht auch, weil es ahnt, dass dieser Mann nicht mehr allzu oft im Spiegelzel­t auftreten wird. Dort oder anderswo. Sicher: Udo Jürgens „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an“lässt sich nett erzählen. Hoffmanns Erzählunge­n sind jedoch ernsthafte­r. Auch die über das eigene Altern.

Er mag sein Alter nicht. Die Traumfänge­r im Tipi sind lange her. Altern ist wohl eine Kunst, die einem Künstler, einem auf der Bühne, nur selten gelingt. Und die manchen vor der Bühne inzwischen das Leben schwerer macht, als es nötig wäre ...

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