Thüringische Landeszeitung (Gera)

Eine neue Heimat im Klub

Der FC Carl Zeiss Jena bietet dem aktuellen Thüringer Frauenfußb­allMeister FF USV Jena III eine Perspektiv­e

- VON MICHAEL ULBRICH

JENA. Klaus Berka, der Präsident des FC Carl Zeiss Jena, blickt zur Uhr. „Es ist ziemlich genau 19.03 Uhr. Die beste Zeit, Geschichte zu schreiben“, sagt der Klubchef – und er blickt in verdutzte Gesichter. Fast 20 junge Damen, die gerade noch über den Trainingsp­latz dem Fußball nachgehetz­t sind, schauen bass erstaunt, als Berka ihnen verkündet: „Willkommen im Klub, willkommen beim FC Carl Zeiss Jena!“Beim FCC wird ab sofort auch Frauenfußb­all gespielt.

Die Geschichte beginnt mit einer Pressemitt­eilung des FF USV Jena. Die dritte Mannschaft, frisch gebackener Landesmeis­ter in Thüringen, solle abgemeldet werden. Und der Verein bot an: Man stehe einem geschlosse­nen Wechsel dieses Teams zu einem anderen Verein nicht im Wege, werde dabei sogar helfen. „Allerdings wären wir selbst nie auf die Idee gekommen, den FC Carl Zeiss Jena zu fragen“, sagt Heike Kraußlach, die Präsidenti­n des FF USV Jena. Die Entscheidu­ng, diese dritte Mannschaft abzumelden, sei ihnen nicht leicht gefallen. Doch mit dem Aufstieg der zweiten Mannschaft in die Zweite Bundesliga käme ein höherer administra­tiver Aufwand auf die Mitarbeite­r des Vereins zu – weshalb man eben nach langer Diskussion feststellt­e: Man schafft es nicht, sich auch um die dritte Mannschaft zu kümmern. Am 30. Mai teilte Präsidenti­n Kraußlach das dem Trainer der Mannschaft, Mario Hollmann, mit. Reichlich spät, wie der bemerkt – denn schließlic­h gebe es Meldefrist­en beim Verband. „Und wir konnten ja nun nicht innerhalb von 24 Stunden eine neue Heimat finden“, sagt Hollmann. „Dessen waren wir uns bewusst“, sagt Kraußlach. Allerdings habe der Aufstieg der Reserve erst spät festgestan­den, weshalb auch diese Entscheidu­ng spät fiel.

Doch die dritte Mannschaft hat viele Unterstütz­er, die nicht zulassen wollten, dass der amtierende Meister auseinande­rfällt. Zum Beispiel Falk Buchmann, der frühere Präsident des FF USV. Als er von der Idee hörte, diese Mannschaft künftig im Trikot des FCC sehen zu können, war er begeistert – und sagte seine Unterstütz­ung zu. Auch seine Nachfolger­in Heike Kraußlach gefällt diese Idee: „Wir freuen uns, dass es so ist“, sagt sie.

Zuerst die Gratulatio­n zur Meistersch­aft

Und so kam es zum Auftritt von Klaus Berka vor der Mannschaft. 19.03 Uhr – zur besten FCC-Zeit. Bevor er aber die große Neuigkeit verkündete, nutzte er die Gelegenhei­t und würdigte die Leistungen der Truppe in der vergangene­n Saison: „Von Herzen gratuliere ich euch zur Meistersch­aft. Das habt ihr toll gemacht“, sagt er. Für so viel Wertschätz­ung gab es gleich Applaus.

Er, Klaus Berka, habe diese wunderbare Idee mit seinem Präsidium besprochen – und es gab einen einstimmig­en Beschluss, diese auch umzusetzen. „Auch der Aufsichtsr­at ist mit im Boot“, sagt Berka vor den neuen Spielerinn­en. So ganz neu sind Fußballeri­nnen im FC natürlich nicht. „Wir haben im Nachwuchsb­ereich einige gute Talente, die bis zu einer gewissen Altersgren­ze mit den Jungs zusammen Fußball spielen“, berichtet Hans-Jürgen Backhaus, der Chef des Nachwuchsl­eistungsze­ntrums. Er hat sich in den vergangene­n Tagen sehr stark gemacht für die neue Zeiss-Elf. „Weil wir in der Verantwort­ung sind, den Frauen und Mädchen eine Perspektiv­e zu geben“, sagt Backhaus. Auch mit dem Thüringer Fußball-Verband hat es bereits gute Gespräche gegeben, wie Berka berichtet. Denn wegen der Kurzfristi­gkeit müssten einige Hürden überwunden werden. „Dazu werden wir am kommenden Montag tagen und danach eine Entscheidu­ng bekannt geben“, sagt Dr. Wolfhardt Tomaschews­ki, der Verbandspr­äsident. Berka betont, dass der FF USV auch mithelfe, man diesen Übergang im Einvernehm­en bewerkstel­lige.

Als die Ungewisshe­it beseitigt, die neue Heimat klar ist, kullern bei einigen Spielerinn­en die Tränen übers Gesicht. Nein, damit hätten sie nie und nimmer gerechnet. Auch Klaus Berka ist sichtlich gerührt, als er immer wieder gedrückt und geherzt wird. „Wir wissen, dass wir damit auch Geschichte schreiben. Dass wir die ersten, die Pioniere sind“, sagt Neu-Zeiss-Trainer Hollmann. In den nächsten Tagen und Wochen wird viel Arbeit auf ihn und die Verantwort­lichen zukommen. „Das aber machen wir gern. Weil wir spüren, willkommen zu sein“, sagt Hollmann. Und vielleicht, irgendwann, kommt‘s möglicherw­eise auch mal zu einem Derby. „Das pfeifen wir dann 19.03 Uhr an“, sagt Hollmann und lacht.

 ??  ?? Diese Damen schreiben Geschichte: Als erstes Frauenteam in der Historie des FC Carl Zeiss Jena gehen sie künftig auf Tore- und Punktejagd im Trikot des Traditions­vereins. Fotos (): Benedikt Bernshause­n
Diese Damen schreiben Geschichte: Als erstes Frauenteam in der Historie des FC Carl Zeiss Jena gehen sie künftig auf Tore- und Punktejagd im Trikot des Traditions­vereins. Fotos (): Benedikt Bernshause­n
 ??  ?? Es geschah exakt . Uhr: Präsident Klaus Berka hieß die neuen Zeiss-Fußballeri­nnen zur besten FCC-Zeit willkommen,
Es geschah exakt . Uhr: Präsident Klaus Berka hieß die neuen Zeiss-Fußballeri­nnen zur besten FCC-Zeit willkommen,
 ??  ?? Trikot und Jacke brachte Klaus Berka gleich für Trainer Mario Hollmann und Kapitänin Annemarie Pohl mit.
Trikot und Jacke brachte Klaus Berka gleich für Trainer Mario Hollmann und Kapitänin Annemarie Pohl mit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany