Thüringische Landeszeitung (Gera)
Eine neue Heimat im Klub
Der FC Carl Zeiss Jena bietet dem aktuellen Thüringer FrauenfußballMeister FF USV Jena III eine Perspektive
JENA. Klaus Berka, der Präsident des FC Carl Zeiss Jena, blickt zur Uhr. „Es ist ziemlich genau 19.03 Uhr. Die beste Zeit, Geschichte zu schreiben“, sagt der Klubchef – und er blickt in verdutzte Gesichter. Fast 20 junge Damen, die gerade noch über den Trainingsplatz dem Fußball nachgehetzt sind, schauen bass erstaunt, als Berka ihnen verkündet: „Willkommen im Klub, willkommen beim FC Carl Zeiss Jena!“Beim FCC wird ab sofort auch Frauenfußball gespielt.
Die Geschichte beginnt mit einer Pressemitteilung des FF USV Jena. Die dritte Mannschaft, frisch gebackener Landesmeister in Thüringen, solle abgemeldet werden. Und der Verein bot an: Man stehe einem geschlossenen Wechsel dieses Teams zu einem anderen Verein nicht im Wege, werde dabei sogar helfen. „Allerdings wären wir selbst nie auf die Idee gekommen, den FC Carl Zeiss Jena zu fragen“, sagt Heike Kraußlach, die Präsidentin des FF USV Jena. Die Entscheidung, diese dritte Mannschaft abzumelden, sei ihnen nicht leicht gefallen. Doch mit dem Aufstieg der zweiten Mannschaft in die Zweite Bundesliga käme ein höherer administrativer Aufwand auf die Mitarbeiter des Vereins zu – weshalb man eben nach langer Diskussion feststellte: Man schafft es nicht, sich auch um die dritte Mannschaft zu kümmern. Am 30. Mai teilte Präsidentin Kraußlach das dem Trainer der Mannschaft, Mario Hollmann, mit. Reichlich spät, wie der bemerkt – denn schließlich gebe es Meldefristen beim Verband. „Und wir konnten ja nun nicht innerhalb von 24 Stunden eine neue Heimat finden“, sagt Hollmann. „Dessen waren wir uns bewusst“, sagt Kraußlach. Allerdings habe der Aufstieg der Reserve erst spät festgestanden, weshalb auch diese Entscheidung spät fiel.
Doch die dritte Mannschaft hat viele Unterstützer, die nicht zulassen wollten, dass der amtierende Meister auseinanderfällt. Zum Beispiel Falk Buchmann, der frühere Präsident des FF USV. Als er von der Idee hörte, diese Mannschaft künftig im Trikot des FCC sehen zu können, war er begeistert – und sagte seine Unterstützung zu. Auch seine Nachfolgerin Heike Kraußlach gefällt diese Idee: „Wir freuen uns, dass es so ist“, sagt sie.
Zuerst die Gratulation zur Meisterschaft
Und so kam es zum Auftritt von Klaus Berka vor der Mannschaft. 19.03 Uhr – zur besten FCC-Zeit. Bevor er aber die große Neuigkeit verkündete, nutzte er die Gelegenheit und würdigte die Leistungen der Truppe in der vergangenen Saison: „Von Herzen gratuliere ich euch zur Meisterschaft. Das habt ihr toll gemacht“, sagt er. Für so viel Wertschätzung gab es gleich Applaus.
Er, Klaus Berka, habe diese wunderbare Idee mit seinem Präsidium besprochen – und es gab einen einstimmigen Beschluss, diese auch umzusetzen. „Auch der Aufsichtsrat ist mit im Boot“, sagt Berka vor den neuen Spielerinnen. So ganz neu sind Fußballerinnen im FC natürlich nicht. „Wir haben im Nachwuchsbereich einige gute Talente, die bis zu einer gewissen Altersgrenze mit den Jungs zusammen Fußball spielen“, berichtet Hans-Jürgen Backhaus, der Chef des Nachwuchsleistungszentrums. Er hat sich in den vergangenen Tagen sehr stark gemacht für die neue Zeiss-Elf. „Weil wir in der Verantwortung sind, den Frauen und Mädchen eine Perspektive zu geben“, sagt Backhaus. Auch mit dem Thüringer Fußball-Verband hat es bereits gute Gespräche gegeben, wie Berka berichtet. Denn wegen der Kurzfristigkeit müssten einige Hürden überwunden werden. „Dazu werden wir am kommenden Montag tagen und danach eine Entscheidung bekannt geben“, sagt Dr. Wolfhardt Tomaschewski, der Verbandspräsident. Berka betont, dass der FF USV auch mithelfe, man diesen Übergang im Einvernehmen bewerkstellige.
Als die Ungewissheit beseitigt, die neue Heimat klar ist, kullern bei einigen Spielerinnen die Tränen übers Gesicht. Nein, damit hätten sie nie und nimmer gerechnet. Auch Klaus Berka ist sichtlich gerührt, als er immer wieder gedrückt und geherzt wird. „Wir wissen, dass wir damit auch Geschichte schreiben. Dass wir die ersten, die Pioniere sind“, sagt Neu-Zeiss-Trainer Hollmann. In den nächsten Tagen und Wochen wird viel Arbeit auf ihn und die Verantwortlichen zukommen. „Das aber machen wir gern. Weil wir spüren, willkommen zu sein“, sagt Hollmann. Und vielleicht, irgendwann, kommt‘s möglicherweise auch mal zu einem Derby. „Das pfeifen wir dann 19.03 Uhr an“, sagt Hollmann und lacht.