Thüringische Landeszeitung (Gera)

Es geschah am 18. September vor 238 Jahren

Objekt des Monats: Ein Glasbecher verformte sich beim Großen Geraer Stadtbrand 1780. Er wird im Stadtmuseu­m gezeigt.

- VON TABEA PANDORF

GERA. Schaut man sich den Glasbecher nur flüchtig an, meint man, keinen Makel zu erkennen. Doch auf den zweiten Blick stellt man schnell fest, dass mit diesem Trinkgefäß etwas nicht stimmt. Eine Seite des Glases ist geschmolze­n. Es wird damit zu einem stillen Zeugen eines der wohl schlimmste­n und katastroph­alsten Ereignisse, die unsere Stadt Gera heimgesuch­t hat – dem Großen Stadtbrand von 1780.

Über die Jahrhunder­te wurde Gera immer wieder von Stadtbränd­en geplagt, doch keiner davon hat sich sprichwört­lich so ins Gedächtnis gebrannt wie dieser. Dies liegt sicherlich auch an dem Ausmaß der Verwüstung die das Feuer mit sich brachte, denn fast 90 Prozent der Stadt wurden binnen weniger Stunden zerstört.

Der Sommer des Jahres 1780 war äußerst heiß und regenarm. Viele Bäche und Flüsse waren über die Sommermona­te ausgetrock­net. Auch der 18. September, ein Samstag, brachte kein milderes Wetter, obwohl ein leichter Wind durch die Stadt zog. Da brach plötzlich um kurz nach halb drei in einem Schweinest­all der Greizer Gasse 58, die sich in der südöstlich­en Vorstadt befand, ein Feuer aus. Die schnell alarmierte­n Löschmanns­chaften konnten wenig ausrichten. Da die meisten Häuser der damaligen Zeit einfache Fachwerkhä­user waren und die Dächer aus Holzschind­eln bestanden, die über die warmen Monate völlig ausgetrock­net waren, konnte sich das Feuer schnell ausbreiten. Zunächst versuchte man, ein Übergreife­n auf die Stadt zu verhindern, indem man Häuser und Scheunen, die um das Weidaer Stadttor – es befand sich in der heutigen Greizer Straße – standen, abriss. So konnte man das Feuer vorübergeh­end eindämmen. Doch aus dem anfänglich­en Südostwind wurde ein heftiger Sturm, der das Feuer in die Stadt trug. Die Folgen waren verheerend. Viele der Gebäude, die auch das heutige Stadtbild prägen, fielen dem Feuer zum Opfer. So die Salvatorki­rche auf dem Nicolaiber­g, das Rathaus, das Zucht- und Waisenhaus – es beherbergt jetzt das Stadtmuseu­m – und die alte Johanniski­rche auf dem Johannispl­atz.

Den Menschen blieb nur eine Möglichkei­t – die Flucht aus der Stadt auf die umliegende­n Felder und Wiesen. Einige von ihnen fanden auch Unterschlu­pf in benachbart­en Dörfern. Von

897 Gebäuden wurden insgesamt 785 zerstört. Im Stadtkern selbst blieben nur das Schreibers­che Haus – hier am Nicolaiber­g

3 befindet sich heute das Museum für Naturkunde – und einige Gartenhäus­er verschont. Da so viele Gebäude zerstört wurden, ist es fast ein Wunder dass nur zehn Personen ums Leben kamen. Liest man Briefe aus der Zeit, kann man sich den Schock und die Lähmung der Einwohner nur schwerlich vorstellen. So schrieb eine Frau in einem vom 3. Oktober 1780 datierten Brief: „Wir sind noch alle wie betäubt von dem vielen sehen und hören. Viele, die vorher in guten Umständen waren, haben nichts gerettet, als was sie auf dem Leibe tragen; und ohne Schaden ist niemand weggekomme­n.“

Die Nachricht der Ereignisse verbreitet­e sich schnell und so kamen schon am folgenden Tag Hilfsgüter aus der näheren Umgebung in die Stadt. Rund 300 Orte, Behörden und Personen zahlten Geld in eine errichtete Brandkolle­ktenkasse ein. Darunter finden sich Städte wie Basel, Genf, Zürich, London, Wien und Warschau. Dies zeigt sicherlich auch die ausgeprägt­en Handelsbez­iehungen der Stadt Gera in der damaligen Zeit. Auch durch diese finanziell­e Unterstütz­ung war es möglich, Gera in einer relativ kurzen Zeit wieder aufzubauen.

Doch was war der Auslöser für diese Katastroph­e? Zunächst verdächtig­te man das Ehepaar Baßler, welches Schweine im dem Stall hielt, wo das Feuer ausgebroch­en war. Erst acht Jahre nach dem Brand gestand der alte Maurer Gottfried Remmler auf seinem Sterbebett, dass er das Feuer gelegt habe, weil er mit dem Ehepaar zerstritte­n war. Er hat damit ein Ereignis ausgelöst, welches auch heute noch tief im Gedächtnis der Stadt verankert ist.

Auch das Rathaus blieb nicht verschont

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Vor dem Geraer Kultur- und Kongressze­ntrum. Foto: Peter Michaelis

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