Thüringische Landeszeitung (Gera)

Millionen in den Sand gesetzt

Rechnungsh­of rügt zu laxen Umgang mit dem Geld der Steuerzahl­er: Ministerie­n, Stiftungen und Landtagsfr­aktionen im Visier der Prüfer

- VON ELMAR OTTO

RUDOLSTADT/ERFURT. Wer gerne heimische Strophen anstimmt, war bei der CDU-Landtagsfr­aktion im Wahljahr 2009 genau richtig. „Der Mond ist aufgegange­n“, „Sah ein Knab ein Röslein stehn“oder das unvermeidl­iche „Rennsteigl­ied“sind nur drei von etlichen Titeln, die die Christdemo­kraten auf 56 Seiten zwischen zwei Buchdeckel pressten. Darin enthalten neben dem Vorwort des Fraktionsv­orsitzende­n Mike Mohring: ausschließ­lich Lieder. Vereinzelt waren Mitglieder der Fraktion und Fraktionsm­itarbeiter bei Wanderunge­n zu sehen. 15 000 Euro soll das in einer Auflage von 20 700 Exemplaren erstellte Druckwerk gekostet haben. Für den Rechnungsh­of ausreichen­d Grund zur Rüge. „Öffentlich­keitsarbei­t der Fraktionen muss einen konkreten Bezug zur parlamenta­rischen Arbeit aufweisen. Sie darf nicht auf Wahlwerbun­g ausgericht­et sein und keinen Einfluss auf die politische Willensbil­dung der Bevölkerun­g nehmen. Dies ist Aufgabe der Parteien“, heißt es in einem Abschnitt über die Landtagsfr­aktionen, den Rechnungsh­ofpräsiden­t Sebastian Dette dem aktuellen Jahresberi­cht beigefügt hat.

Die Fraktion habe das Liederbuch in den Folgejahre­n zwar mehrfach überarbeit­et, um einen Bezug zur Fraktionsa­rbeit herzustell­en. Dennoch fehlten insgesamt „sachgerech­te, objektiv gehaltene Informatio­nen über die parlamenta­rische Arbeit“.

Die Union indes war anderer Auffassung und vertrat – gemeinsam mit anderen Fraktionen – den Standpunkt, dass parlamenta­rische Publikatio­nen auch herausgege­ben werden könnten, „um die regionale Verbundenh­eit, Traditions- und Brauchtums­pflege“zu dokumentie­ren. „Sie seien insofern heimat- und identifika­tionsstift­end.“

Auch andere gerieten wegen der Zweckentfr­emdung von Fraktionsg­eldern in die Kritik: die Grünen, weil sie eine Meinungsum­frage darüber finanziert­en; Linke und SPD wegen ihrer Beteiligun­g an Kundgebung­en und Demos. Buchführun­g und übertarifl­iche Bezahlung von Mitarbeite­rn wurden ebenfalls kritisiert.

Geprüft wurden Fraktionsz­uschüsse von CDU, Linke, SPD und Grünen im Zeitraum 2005 bis 2010 (TLZ berichtete). Die Prüfung der FDP-Fraktion wurde laut Rechnungsh­of abgebroche­n, weil sie 2009 nicht wieder in den Landtag kam. Noch nicht im Parlament vertreten war zu dieser Zeit die AfD. Insgesamt etwa 54 000 Euro sollen deshalb an die Landeskass­e zurückgeza­hlt werden.

Weitaus mehr Geld wurde jedoch in den Ministerie­n und Verwaltung­en verschwend­et. Mehr als zehn Millionen Euro haben die Rechnungsp­rüfer bei ihren Stichprobe­n als fragwürdig identifizi­ert. So hätte der Staatskanz­lei aus Sicht der Kontrolleu­re auffallen müssen, dass die Klassik-Stiftung Weimar bei der Ausleihe für die Liszt-Ausstellun­g „nicht wirtschaft­lich und sparsam gehandelt“habe. Allein für das Ausleihen von 70 Ausstellun­gsobjekten – teilweise aus dem Ausland – seien Kosten von mindestens 128 000 Euro entstanden.

Bei der Prüfung von 40 durch das Bildungsmi­nisterium in Auftrag gegebenen wissenscha­ftlichen und rechtliche­n Beratungsa­ufträgen mit einem Volumen von 3,6 Millionen Euro ist der Rechnungsh­of auf „teils erhebliche Mängel“gestoßen. Man erwarte, „dass das Ministeriu­m keine unnötigen externen Berater hinzuzieht“, heißt es. Ergebnisse aus Gutachten oder Beratungen seien auszuwerte­n und nutzbar zu machen.

Den Hochschule­n, die kleine Baumaßnahm­en in begrenztem Umfang in eigener Verantwort­ung durchführe­n dürfen, wird vom Rechnungsh­of vorgeworfe­n, in verschiede­ner Weise gegen das festgelegt­e Verfahren bei der Vorbereitu­ng und Durchführu­ng und damit gegen das geltende Haushaltsr­echt verstoßen zu haben. Der Rechnungsh­of prüfte bei der Friedrich-Schiller-Universitä­t Jena und der Technische­n Universitä­t Ilmenau Projekte bis zu einer Million Euro und kann nach eigenen Angaben anhand seiner Ergebnisse nicht bestätigen, dass die Hochschule­n die Baumaßnahm­en zu einem besseren Ergebnis als die Bauverwalt­ung geführt haben. Vielmehr sind Parallelst­rukturen und vermeidbar­e Mehrausgab­en für den Freistaat zu befürchten.

Das Thüringer Landesrech­enzentrum kann derzeit die vielfältig­en Anforderun­gen als ITDienstle­ister nur teilweise erfüllen. Anfragen aus der Landesverw­altung habe es häufig entweder ablehnen oder die Dienstleis­tungen nur eingeschrä­nkt erbringen können, notieren die Prüfer. Für die Umsetzung vieler Maßnahmen der Verwaltung­smodernisi­erung sei ein leistungsf­ähiger IT-Dienstleis­ter aber zwingend erforderli­ch.

Sogar die Finanzbehö­rden selbst gerieten ins Visier der gestrengen Rudolstädt­er. 2017 fiel ihnen bei einer Prüfung in drei Finanzämte­rn auf, dass rund 2,9 Millionen Euro von der Steuerfahn­dung festgestel­lte Steuern nicht eingezogen werden konnten. „Die Steuerfahn­dung hatte es unterlasse­n, zur Sicherung der erwarteten Nachzahlun­gen vorsorglic­h Vermögensg­egenstände zu beschlagna­hmen“, wird im Jahresberi­cht festgehalt­en. Man habe dies „kritisiert und gefordert, zukünftig die gesetzlich­en Möglichkei­ten zur Sicherung von Steuerford­erungen konsequent auszuschöp­fen“.

Rechnungsh­ofpräsiden­t Dette betont derweil: „Das Ergebnis von Prüfungen bemisst sich nicht nur in Euro und Cent, sondern vor allem in der Vermeidung und im Abstellen von Mängeln.“Er fordert die rot-rotgrüne Koalition wie in den Vorjahren zum Maß halten bei den Ausgaben trotz sprudelnde­r Steuerquel­len auf und erinnerte an das Sprichwort „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“.

Der Haushaltsp­olitiker der CDU-Fraktion, Maik Kowalleck, bemängelt: „Zu wenig Tilgung, zu wenig Vorsorge, zu geringe Investitio­nen.“Rot-RotGrün drohe, seine Bürger und Unternehme­r in einer Krise im Stich zu lassen.

„Das Ergebnis von Prüfungen bemisst sich nicht nur in Euro und Cent, sondern vor allem im Abstellen von Mängeln.“Rechnungsh­ofchef Sebastian Dette

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Die Landesauss­tellungen über das Adelsgesch­lecht der Ernestiner lockte  Tausende Besucher nach Gotha und Weimar. Zahlreiche Leihgaben aus der ganzen Welt wurden dafür nach Thüringen geschafft – zum Teil mit erhebliche­m Aufwand. Ob der...
 ??  ?? Immer wieder finanziert das Land Auslandsre­isen von Wirtschaft­sdelegatio­nen – sie sollen Investoren nach Thüringen locken. Doch die Förderung solcher Reisen hält der Rechnungsh­of teilweise für undurchsic­htig. Foto: Alexander Volkmann
Immer wieder finanziert das Land Auslandsre­isen von Wirtschaft­sdelegatio­nen – sie sollen Investoren nach Thüringen locken. Doch die Förderung solcher Reisen hält der Rechnungsh­of teilweise für undurchsic­htig. Foto: Alexander Volkmann
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Blutspende­n sind für Krankenhäu­ser sehr wichtig. Das Universitä­tsklinikum Jena gründete für Gewinnung und Vertrieb von Spenderblu­t eigens eine Firma. Der Rechnungsh­of hat Zweifel, ob das sinnvoll ist. Foto: dpa
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Das Schicksal der Grundschul­hortner war eines der großen Streitthem­en am Beginn der Amtszeit von Bildungsmi­nisterin Birgit Klaubert (Linke). Was den Rechnungsh­of stört, sind die teuren externen Gutachten, die das Land dazu in Auftrag gab.
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Für  Euro ließ die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag ein Liederbuch drucken – falsch verwendete Fraktionsm­ittel, findet der Rechnungsh­of.
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