Thüringische Landeszeitung (Gera)

Fußball gucken bei der Arbeit?

Für viele Beschäftig­te bedeutet das Spiel der deutschen Nationalel­f gegen Südkorea: mitfiebern in der Arbeitszei­t

- VON KAI WIEDERMANN

BERLIN. So richtig überrasche­nd kommt es ja nicht: Seit Wochen steht fest, dass Deutschlan­d sein letztes Gruppenspi­el bei der Fußball-WM in Russland nachmittag­s bestreiten muss. Am morgigen Mittwoch, 16 Uhr, gegen Südkorea – Arbeitszei­t für die meisten Beschäftig­ten. Im Idealfall haben sich Arbeitnehm­er längst dafür gewappnet und eine Absprache mit dem Chef getroffen. Darf ich gucken oder Radio hören? Und wenn ja, unter welchen Bedingunge­n? Sollte das nicht der Fall sein, wird es Zeit, tätig zu werden, sagt Claudia Frank, Fachanwält­in für Arbeitsrec­ht.

Wie ist die rechtliche Situation zu bewerten?

„Die Sache ist eindeutig. Niemand hat ein Recht darauf, während der Arbeitszei­t Fußball zu schauen“, sagt Claudia Frank. Nur weil eine WM laufe, sei das Arbeitsrec­ht nicht außer Kraft gesetzt. Der zwischen Arbeitgebe­r und -nehmer geschlosse­ne Vertrag, wonach der Beschäftig­te seine Arbeitslei­stung dem Unternehme­n gegen Bezahlung zur Verfügung stellt, gelte auch am Mittwoch ab 16 Uhr.

Welche Absprachen könnten Arbeitnehm­er und Chef treffen?

Den Chef auf eine für alle verträglic­he Regelung anzusprech­en könnte sich lohnen. Laut einer repräsenta­tiven Umfrage der Universitä­t Hohenheim sind Arbeitgebe­r in diesem Jahr beim Thema Fußballguc­ken oder -hören kulanter als noch bei der Weltmeiste­rschaft vor vier Jahren. 38 Prozent der befragten Unternehme­n gaben an, mit dem Gucken einer Live-Übertragun­g während der Arbeitszei­t einverstan­den zu sein, vier Prozentpun­kte mehr als 2014. Das Hören von Radioübert­ragungen ist den Angaben zufolge sogar für 57 Prozent der befragten Chefs okay.

„Ich rate dazu, dem Vorgesetzt­en zu sagen, was ich mir wünsche“, sagt Anwältin Frank. Zwar gebe es keine Garantie, dass der Arbeitgebe­r darauf einginge, weil mancher Vorschlag für ihn nachteilig sei, insgesamt aber sei den Unternehme­rn durchaus bewusst, dass eine harte Haltung dem Arbeitskli­ma schaden könne. Frank: „Chefs sind meist daran interessie­rt, Frieden im Haus zu haben.“Was nicht bedeute, dass sie nicht verlangen könnten, die während des Fernsehens oder Radiohören­s nicht erbrachte Arbeitslei­stung nachzuhole­n oder vorzuziehe­n. „Alles andere wäre auch ungerecht den Beschäftig­en gegenüber, die sagen, sie wollen weiterarbe­iten statt Fußball zu sehen“, so Frank.

Kann ich nicht einfach auf meinem Rechner oder Handy einen Livestream laufen lassen?

Hierzu müssten zwei Dinge erlaubt sein: das Fußballguc­ken während der Arbeitszei­t und die private Nutzung von Dienstrech­ner beziehungs­weise -handys. „Wenn es grundsätzl­ich verboten ist, Rechner oder Diensthand­y privat zu nutzen, etwa aus Gründen des Datenschut­zes, würde ich das Streamen auch für den Fall unterlasse­n, dass der Chef gegen das Zuschauen nichts einzuwende­n hat. Dann müssen die Angestellt­en fragen, ob es einen Rechner gibt, der fürs Streamen freigegebe­n wird oder ob irgendwo ein Fernseher aufgestell­t werden kann“sagt Frank.

Laut Arbeitsrec­htler Jürgen Markowski gibt es im Notfall aber auch noch eine Alternativ­e: Sollte die private Rechner- oder Diensthand­y-Nutzung erlaubt sein, könnten Arbeitnehm­er einen Live-Ticker im Internet anschalten, der im Minutentak­t über das Spielgesch­ehen informiert. Gegen das gelegentli­che Checken des Ergebnisse­s dürfte aus seiner Sicht wenig einzuwende­n sein, weil dies die Arbeitslei­stung nicht beeinträch­tige.

Womit muss ich rechnen, wenn ich Absprachen missachte?

„Wenn Beschäftig­te Fußball sehen, obwohl ihr Arbeitgebe­r dies untersagt hat, müssen sie mit einer Abmahnung rechnen“, sagt Claudia Frank. Dies gelte auch für Außendiens­tler, die vereinbart­e Termine nicht einhielten, weil sie ihre Arbeit eigenmächt­ig unterbrech­en. „Rein rechtlich handelt sich dabei um Vertragsve­rletzung und Arbeitsver­weigerung“, so Frank. Dass Mitarbeite­r deswegen fristlos entlassen werden, sei aber unwahrsche­inlich. Dafür reiche das Ausmaß des Vergehens nicht aus. Eine verhaltens­bedingte Kündigung dürfte nur für den Fall Bestand haben, dass der Arbeitnehm­er bereits mehrfach die Arbeit verweigert hat.

Was ist, wenn ich das Spiel lieber beim Public Viewing sehen will?

Claudia Frank rät, es kurzfristi­g mit einem Urlaubsant­rag zu versuchen. Der Arbeitgebe­r müsse dem nicht zustimmen, könne es aber. Eine eigenmächt­ige „Beurlaubun­g“sei hingegen eine schlechte Idee. Sie ist ein gravierend­er Vertragsve­rstoß, der eine Abmahnung nach sich ziehen kann und im Wiederholu­ngsfall sogar eine verhaltens­bedingte Kündigung.

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Foto: istock Anfeuern zur Arbeitszei­t: Anwälte empfehlen Beschäftig­ten, Absprachen mit dem Arbeitgebe­r zu treffen.

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