Thüringische Landeszeitung (Gera)
Die musikalische Kuscheldecke
Grelle Stimmen am Freitag bei Von Wegen Lisbeth, während am Sonnabend bei Mighty Oaks alle Zeichen auf Besinnlichkeit stehen
JENA. Es ist wohl eher die Ausnahme bei der Kulturarena in Jena, dass Fans einer Gruppe zweieinhalb Stunden vor Konzertbeginn vorm Einlass ausharren, um sich einen Platz in der ersten Reihe zu sichern. Dergleichen ist eher ein bekanntes Agieren einer jüngeren Anhängerschaft – und die war am Freitagabend tonangebend, als sich die Berliner Combo Von Wegen Lisbeth die Ehre gab. So stürmten bevorzugt Mädchen im Teenageralter den Theatervorplatz. So mancher Arena-Mitarbeiter staunte nicht schlecht.
Auch die beiden Warteschlangen vor dem Areal nahmen selten gesehene Ausmaße an. Dies wiederum war dem Umstand geschuldet, dass zwar viele Minderjährige den berühmt-berüchtigten Muttizettel dabei hatten, dafür aber keine Kopie des Personalausweises eines Elternteils. Es verzögerte sich alles ein wenig. Doch junge Fans sind geduldig, so auch jene von Von Wegen Lisbeth. Vorfreude samt großer Augen da an vorderester Konzertfront, dazu noch etwas Glitzer im Gesicht, Konfetti und Luftballons. Und, nicht zu vergessen, grelle Stimmen, als Matthias Rohde (Gesang/ Gitarre), Julian Hölting (Bass), Robert Tischer (Synthesizer, Percussion), Doz Zschäbitz (Gitarre) und Julian Zschäbitz (Schlagzeug) die Bühne betraten.
Musikalisch kann man den Sound der wahrlich sympathischen Berliner Jungspunde problemlos den Stempel Indie-Pop aufdrücken. Erinnert ein wenig an Kakkmaddafakka und Konsorten. Zarte, eingängige, durch und durch ungefährliche Melodien, zu denen man auch tanzen darf. Nicht neu, dafür sehr bewährt. Dazu noch ein bisschen 80er-JahreSynthisound und, ganz wichtig, das Kinderglockenspiel.
Am Sonnabend nun Mighty Oaks. Ebenfalls aus Berlin, ebenfalls ausverkauft, doch frei von Muttizetteln. Das Durchschnittsalter schnellte wieder nach oben. Das Dargebotene von Ian Hooper (Gesang/ Akustikgitarre), Claudio Donzelli (Gesang, Gitarre, Keyboard) und Craig Saunders (Gesang/Bass) und ihrer Mitstreiter war der Gegenentwurf zum Vorabend. Gediegener Folk-Rock, sehr besinnlich, sehr bodenständig, kaum rockig, dafür beeindruckend harmonisch. Für Letzteres waren, neben Schlagzeug, Gitarre und Bass, vor allem der Einsatz von Mandoline, Tamburin und Banjo sowie der dreistimmige Gesang verantwortlich. Ergo: Musik, der man das Label „Handgemacht“ verpasst. Eine Melange aus R.E.M., The Shins und Mumford and Sons. Vertraute Klänge also, frei von Überraschungen.
Das kredenzte Gesamtpaket war eine Art musikalische Kuscheldecke für verregnete Sonntage, an denen man das Eigenheim partout nicht verlassen möchte und sich lieber an einen anderen Ort träumt. Oder wie sagte jemand so schön im Auditorium: „Dazu kannste entspannt über die Autobahn fahren oder aus dem Zug schauen, während die Landschaft an dir vorbeizieht“
Nein, Mighty Oaks drehten nicht den Swag (lässig coole Ausstrahlung) auf. Dergleichen war auch nicht ihre Absicht. Der Höhepunkt des beschaulichen Abends war der Song „Brother“, bei dem ein Großteil des Publikums, mächtigen Eichen im Wind gleich, mitschwang.