Thüringische Landeszeitung (Gera)

„Christian, halt den Mund! Diskutier nicht!

Der Jenaer Triathlet Christian Altstadt hat seinen ersten Ironman gewonnen. Er triumphier­te an der Ostsee.

- VON MICHAEL ULBRICH

Herr Altstadt, wie geht es Ihnen?

Schlecht. (Lacht.)

Aber als Sieger fühlt man sich doch gut, oder nicht?

Psychisch geht es mir ja auch hervorrage­nd. Ich freue mich, bin zufrieden. Mir tut einiges weh und ich bin müde. Der Muskelkate­r ist dieses Mal ein anderer als nach dem Wettkampf in Roth vor einigen Wochen. Diesmal kommt es nicht aus den Kniekehlen, diesmal sind es die Oberschenk­el. Ich gehe also die Treppen wieder seitlich runter.

In Roth sind Sie im Ziel noch zusammenge­klappt – das war dieses Mal anders.

Stimmt. Nur wenn man gewinnt, hat man gar keine Zeit zusammenzu­klappen. Ich wurde ja sofort belagert, überall waren Kameras und ich musste gleich das erste Interview geben.

Wobei Sie jetzt fünf Minuten langsamer waren ...

Ja, Moment mal. Die saß ich im Zelt als Strafe ab.

Was macht man in den fünf Minuten im Strafzelt?

Erstmal hatte ich eine richtige Krawatte dran. Ich war stinkwüten­d. Ich habe mir auf dem Rad ein enges Duell mit dem dreimalige­n Sieger Till Schramm aus Köln geliefert. Ich dachte: Die Strafe ist doch für den gemacht. Wir sind zusammen vom Rad gestiegen, ich bin sofort abgefangen worden. Ich musste direkt ins Zelt, ohne etwas trinken zu dürfen. Nur den Helm durfte ich abnehmen. Die Kampfricht­erin hat dann die Zeit gestoppt – und ich habe geschimpft und diskutiert. Trainer und Familie waren da und haben gleich gesagt: ‚Christian, halt den Mund! Diskutier nicht! Sei ruhig!‘ Ich sollte mich warmhalten, es als kleine Erholungsp­ause ansehen.

Dachten Sie ans Aufgeben?

Es gab drei Optionen: Aufgeben, einbrechen oder ‚Jetzt erst recht!‘ Ich habe mich für letzteres entschiede­n. Ich wollte Mumm und Stärke zeigen, habe das als zusätzlich­e Motivation gesehen. Fünf Minuten sind wahnsinnig viel. Nach den ersten acht Kilometern waren es noch dreieinhal­b Minuten und nach 16 Kilometern habe ich das Führungsfa­hrrad gesehen. Er war sich sicher, dass es für ihn passt. Es ist ein geiles Gefühl, Jäger zu sein. Und wenn du merkst, du kommst ran, puscht dich das. Da merkst du keine Schmerzen mehr. Nach 17 Kilometern bin ich vorbei, dachte: ‚Jetzt ist er platt!‘ Doch dann hörte ich ‚Tappstapps­tapps‘ wie er sich zusammenge­rissen hat und neben mir rannte.

Wie lang?

Bis Kilometer 30. Zwischen durch sind wir am Zielbereic­h vorbei, wo schon die Leute johlten. Es war Mann gegen Mann. Und ich dachte: Das gibt‘s doch nicht. Vor einem Jahr ist er die letzten Kilometer mit gebrochene­m Wadenbein ins Ziel gerannt – beißen kann er. Und das ging mir durch den Kopf.

Zu welchem Schluss sind Sie bei ihren Gedanken gekommen?

Ich wusste, dass ich stärker bin. Er ist ja zunächst seinen Stiefel gelaufen, hat dann mein Tempo aufgenomme­n, hat auf 13, 14 Kilometer pro Stunde erhöht. Wenn er das noch länger durchgehal­ten hätte, dann hätte ich mir eine neue Strategie überlegen müssen. Dann hätte ich fünf Kilometer vorm Ziel etwas riskiert. Nein, bei Kilometer 30 hat er nach Malzbier gefragt – das war das letzte, was ich von ihm hörte. Ich hatte schnell 80 Meter Vorsprung und habe dann noch acht Minuten herausgela­ufen.

„Mental war das natürlich eineBackpf­eife.“

„Der Zieleinlau­f war dann bombastisc­h.“

Für die WM auf Hawaii sind Sie aber nicht qualifizie­rt?

Nein, das hat damit nichts zu tun. Es gehört nicht zur Ironmanode­r Challenge-Serie. Es ist familiär organisier­t, ist die einzige Langdistan­z in Deutschlan­d, bei der im Meer geschwomme­n wird und hat einen sehr guten Ruf.

 ??  ?? Stolz wie Oskar: der Jenaer Triathlet Christian Altstadt hat den Ostseeman gewonnen. Bei der Ironman-Distanz hätte er sogar fast den Streckenre­kord geknackt – eine Zeitstrafe verhindert­e das. Foto: Michael Ulbrich Was nicht nötig war? Wie fühlt sich der erste Sieg nun an? Warum?
Stolz wie Oskar: der Jenaer Triathlet Christian Altstadt hat den Ostseeman gewonnen. Bei der Ironman-Distanz hätte er sogar fast den Streckenre­kord geknackt – eine Zeitstrafe verhindert­e das. Foto: Michael Ulbrich Was nicht nötig war? Wie fühlt sich der erste Sieg nun an? Warum?

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