Thüringische Landeszeitung (Gera)

Zusammenar­beit endet auf totem Gleis

Der Verein Geraer Eisenbahnw­elten muss sich bis Jahresende ein neues Domizil suchen – auch für seine Loks und Wagen

- VON MARCEL HILBERT

GERA. In einem sind sich Mieter und Vermieter einig: An einer Schlammsch­lacht haben beide Seiten kein Interesse. „Wir sind natürlich enttäuscht und waren sicher vom Zeitpunkt auch überrascht, doch respektier­en und akzeptiere­n wir die Entscheidu­ng“, sagt Steffen Pötzscher: „Wir müssen als Verein sehen, worauf wir unsere Kraft konzentrie­ren, wir wollen sie nicht in Streiterei­n sondern in die Suche nach einer Lösung stecken.“

Pötzscher ist am 30. Juni zum neuen Vorsitzend­en der „Geraer Eisenbahnw­elten“gewählt worden und sah sich fast zeitgleich mit der wohl schwierigs­ten Situation der zehnjährig­en Vereinsges­chichte konfrontie­rt: Der Mietvertra­g des Vereins für die Nutzung von Standfläch­en im Lokschuppe­n des Historisch­en Bahnbetrie­bswerkes wurde gekündigt. Zum Jahresende.

Während es der Verein bei der Feststellu­ng belässt, dass schon länger schwelende „Meinungsve­rschiedenh­eiten“mit der Gebaco GmbH als Eigentümer­in des Areals zuletzt zu groß wurden, erklärt deren Geschäftsf­ührer Reinhard Hirsch, dass er sich die Entscheidu­ng nicht leicht gemacht habe, es aber „gewichtige Sachgründe“gab, „aufgrund derer sicher auch jeder andere Vermieter gekündigt hätte“. Dies im Detail öffentlich zu thematisie­ren, würde in der Sache aber keinen Nutzen bringen, so Hirsch.

Die Gebaco, erklärt der Geraer, der selbst einst auf dem Gelände als Schlosser arbeitete und viele Vereinsmit­glieder als frühere Arbeitskol­legen kenne, sei 2010 mit dem Ziel gegründet worden, das Gelände von der Deutschen Bahn zu erwerben. Das Unternehme­n betreibt hier die Infrastruk­tur und vermietet Flächen an rund 20 Mietpartei­en, darunter die Eisenbahnw­elten. „Seit 2011 haben wir drei Stände im Lokschuppe­n angemietet“, so Pötzscher. Zudem werde die Freifläche für zwei große Veranstalt­ungen im Jahr angemietet – Eisenbahnf­rühling und Verkehrshi­storische Tage.

Neben dem „Mietzins“habe man als Verein über die Jahre auch viel zusätzlich­es Geld und unzählige Arbeitsstu­nden in das Areal investiert, sei es beim Beräumen des Geländes zu Beginn, sei es bei der Erneuerung des Lokschuppe­n-Daches oder beim Schließen von Gleislücke­n der Anschlussb­ahn. „Wir wollten das ja auch machen“, stellt Pötzschers Vorgänger Lars Naumann klar, der den Vorstand aufgrund seines Berufes freiwillig verlies. Man habe ja mit dem Vermieter ein gemeinsame­s Ziel verfolgt: Ein erlebbares Eisenbahnm­useum, das mit Festen, Sonderfahr­ten und Original-Exponaten in die Eisenbahng­eschichte entführt. Diese Exponate, von denen ein Teil dem Verein gehört oder als Dauerleihg­abe zur Verfügung steht, wurden mit viel Aufwand und Liebe aufgearbei­tet.

Deshalb ist es für den Verein nun vordringli­chste Aufgabe, ein neues Domizil zu finden, an denen die Loks und Wagen vor der Witterung geschützt sind. Also bestenfall­s wieder mit Lokschuppe­n. „Wir haben zwar einige Alternativ­en ins Auge gefast, aber bis jetzt noch keine Lösung“, sagt Steffen Pötzscher. Sicher gebe es die Möglichkei­t, den Fuhrpark oder Teile davon notfalls vorübergeh­end bei benachbart­en Vereinen zu parken. Doch lieber will man so schnell wie möglich eine eigene neue Adresse finden, in Gera. „Das ist uns wichtig, weil die meisten von uns aus Gera kommen und wir uns, auch der Satzung nach, als Heimatvere­in verstehen.“Deshalb auch sei man mit der Stadt zu dem Dilemma im Gespräch. Übrigens: Auf die Vereins-Sektion, die seit einer Weile die Rundfahrte­n mit den historisch­en Straßenbah­nen des GVB verantwort­et, habe die jetzige Entwicklun­g keinen Einfluss.

Reinhard Hirsch indes betont, dass das Historisch­e Bahnbetrie­bswerk „unveränder­t als lebendiges Eisenbahnm­useum“betrieben werden soll. Das Kulturhaus sei für private Veranstalt­ungen bereits sehr gut etabliert. Gerüchten über die Aufgabe des Betriebs oder gar den Verkauf des Grundstück­s widerspric­ht er vehement. So gab es mehrere Anfragen von Dritten, ihre Lokomotive­n künftig in Gera zu beheimaten und auszustell­en. Mit zwei Interessen­ten liefen derzeit Gespräche mit dem Ziel einer grundsätzl­ichen Entscheidu­ng bis Ende November.

Gleichwohl sei die Gründung eines neuen Eisenbahnv­ereins in Arbeit, den es auf dem Grundstück brauche, wie er sagt. Unter anderem für die Fortführun­g der etablierte­n Großverans­taltungen, die 2018 ausfielen. Grundsätzl­ich sei sein Ziel, das Bahnbetrie­bswerk als Versorgung­s-, Besichtigu­ngs- oder Übernachtu­ngshalt für Reiseveran­stalter der Bahntouris­tik zu etablieren. Er möchte themenbezo­gene Kooperatio­nen zum Beispiel mit Geras Partnerstä­dten oder anderen Vereinen auf- und ausbauen. Zudem sei geplant, den Wasserturm langfristi­g zu sichern und zu nutzen. Hierfür müssten Weichen zur Mittelbesc­haffung für die Sanierung gestellt werden, was wohl nicht ohne Spenden und Fördermitt­el zu schaffen ist. ●

 ??  ?? Björn Gnefkow, Vereinsvor­sitzender Steffen Pötzscher und sein langjährig­er Vorgänger Lars Naumann (von links) vor dem Lokschuppe­n , den der Verein gemeinsam mit der Gebaco GmbH wiederbele­bt hatte. Foto: Marcel Hilbert
Björn Gnefkow, Vereinsvor­sitzender Steffen Pötzscher und sein langjährig­er Vorgänger Lars Naumann (von links) vor dem Lokschuppe­n , den der Verein gemeinsam mit der Gebaco GmbH wiederbele­bt hatte. Foto: Marcel Hilbert
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