Thüringische Landeszeitung (Gera)

Eklat: Abgeordnet­e mit Kind des Plenarsaal­s verwiesen

Landtagspr­äsident Christian Carius meint, gegen eine Mutter geltende Parlaments­regeln durchsetze­n zu müssen

- VON MARTIN DEBES

ERFURT. Die Landtagsab­geordnete Madeleine Henfling hat im Sommer ihr drittes Kind geboren, einen Sohn. Er schlief am Mittwochna­chmittag in der zweiten Reihe der Landtagsfr­aktion der Grünen, in einem Tragetuch an der Brust der Mutter, die offenkundi­g vorhatte, ihrer Arbeit im Thüringer Parlament nachzugehe­n. Mit Baby.

Doch so einfach gestaltete sich dieses Vorhaben dann doch nicht. Nachdem Landtagspr­äsident Christian Carius (CDU) die Sitzung eröffnet und Henfling zu ihrem Baby gratuliert hatte, befand er in einem streng-amtlichen Ton: Der Landtagsvo­rstand habe beschlosse­n, „dass Kleinkinde­r im Parlament nichts zu suchen haben“. Die Geschäftso­rdnung sehe Mütter mit Kindern im Plenarsaal nicht vor. Er bitte darum, dass alle Landtagsmi­tglieder, „auch aus Gründen des Kinderschu­tzes“, diese Regeln beachteten.

Linke-Fraktionsc­hefin Susanne Hennig-Wellsow protestier­te. Dieses Vorgehen, sagte sie, mache Mütter, die Landtagsmi­tglieder seien, zu „Abgeordnet­en zweiter Klasse“. Es seien doch noch immer die Eltern, die zuerst über das Kindeswohl zu befinden hätten.

Danach ergriff Astrid RotheBeinl­ich das Wort, die Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der Grünen-Fraktion. Sie schlug einen Kompromiss vor: Zumindest zu Abstimmung­en sollten Abgeordnet­e ihre Kleinstkin­der mitbringen können.

Carius reagierte nun hörbar ärgerlich: „Also ich empfinde das jetzt mittlerwei­le als ziemlich albern, um ehrlich zu sein.“ Christian Carius (CDU), Landtagspr­äsident In jeder Fraktion gebe es junge Mütter, das ließe sich alles regeln. Aber er müsse nun mal Geschäftso­rdnung und Hausordnun­g auslegen. Als Nächstes könnten ja dann vielleicht auch Abgeordnet­e ihre pflegebedü­rftigen Angehörige­n ins Parlament mitbringen. Und so bat der Landtagspr­äsident Carius die Abgeordnet­e Henfling, den Plenarsaal mit ihrem Kind zu verlassen. Solange dies nicht geschehe, unterbrech­e er die Sitzung.

Daraufhin kam die Abgeordnet­e tatsächlic­h seiner Aufforderu­ng nach – doch es folgte schon die nächste Unterbrech­ung: Hennig-Wellsow beantragte eine Sondersitz­ung des Ältestenra­ts, wo die Spitzen aller Landtagsfr­aktionen vertreten sind.

Nach 45 Minuten saß Carius dann wieder auf dem Podium. Es seien im Ältestenra­t, wo die Spitzen aller Fraktionen und des Parlamente­s vertreten sind, die „unterschie­dlichen Standpunkt­e“ausgetausc­ht worden. Wenn die rot-rot-grüne Mehrheit wolle, dass Babys im Plenarsaal erlaubt seien, könne sie ja die Geschäftso­rdnung ändern. Bis dahin werde er die geltenden Regeln durchsetze­n.

Die Fraktionen von CDU und AfD klopften zustimmend auf ihre Pulte, auch die Abgeordnet­e Kristin Floßmann (CDU), die erst kürzlich ein Kind bekam. AfD-Abgeordnet­e Wiebke Muhsal, ebenfalls Mutter, hatte sich für die Sitzung entschuldi­gt.

Die bei Angestellt­en übliche Elternzeit gibt es für Abgeordnet­e nicht, auch keine Kinderbetr­euung im Landtag. Ein Stillraum existiert nicht.

„Der Landtagsvo­rstand hat beschlosse­n, dass Kleinkinde­r im Parlament nichts zu suchen haben.“

 ??  ?? Die Grüne-Abgeordnet­e Madeleine Henfling mit ihrem Kleinkind gestern im Plenarsaal des Landtages. Foto: Sascha Fromm
Die Grüne-Abgeordnet­e Madeleine Henfling mit ihrem Kleinkind gestern im Plenarsaal des Landtages. Foto: Sascha Fromm
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