Thüringische Landeszeitung (Gera)
Inszenierter Skandal im Sperrbezirk
Kunstprojekt: In Berlin wird wieder eine Mauer gebaut
BERLIN. Berlin soll im Herbst eine Stadt in der Stadt bekommen, abgeriegelt von einem Nachbau der Mauer. Viel wurde schon über das geheimnisumwitterte Film- und Kunstprojekt „Dau Freiheit“diskutiert. Jetzt haben die Veranstalter Details verraten. So soll es für die Besucher täglich 1500 bis 3000 „Visa“geben, die ab 15 Euro zu haben sind. Das Projekt kostet demnach 6,6 Millionen Euro.
Eine Genehmigung der Behörden gibt es noch nicht. „Wir sind da mittendrin“, sagte Veranstalter Thomas Oberender, Intendant der Berliner Festspiele, am Dienstag. Trotz der Mauer soll es laut Oberender keine „Disney-DDR“werden.
Kostümierte Darsteller wie am ehemaligen Grenzübergang Checkpoint Charlie wird der Besucher also nicht treffen. Es geht den Machern um eine Reise in ein fremdes Land und das Gefühl des Freiheitsverlusts – nicht konkret um die DDR oder die Sowjetunion.
Zentrum ist ein Projekt des russischen Filmemachers Ilya Khrzhanovsky. Der
43-Jährige ging von 2009 bis 2011 in einer eigens nachgebauten Stadt in der Ukraine auf Zeitreise in die Sowjetunion von
1938 bis 1968. 400 Menschen lebten dafür in einer abgeschotteten Parallelwelt, ohne Drehbuch. Den Namen „Dau“hat das Projekt von dem sowjetischen Atomphysiker Lew Landau (1908-1968), um dessen Institut es geht. Das Ergebnis aus mehr als 700 Stunden Material sind 13 Filme, Serien und eine digitale Filmplattform. Mitgewirkt haben Musiker wie Brian Eno und Massive Attack. Für das Ganze ist keine klassische Filmpremiere geplant, sondern ein Großevent mit Kunst.
Der Regisseur Tom Tykwer („Lola rennt“) berät das auch vom Medienboard Berlin-Brandenburg unterstützte Projekt. Tykwer sprach von dem „Mythos“, das es umgibt. Es sei etwas, das man erleben und nicht konsumieren werde. „Ich bin auch auf sehr liebevolle Weise vor Neid erblasst.“Die Kuratorin des ebenfalls beteiligten Schinkel Pavillons, Nina Pohl, freute sich angesichts der Debatte über den „Skandal im Sperrbezirk“. Sie fühlte sich an Kunst von Joseph Beuys und Christoph Schlingensief erinnert.
Finanziert wird „Dau“von der in London ansässigen Stiftung Phenomen Trust, die von dem russischen IT-Unternehmer Sergei Adoniev gegründet wurde. Weitere Stationen sind Paris (November 2018) und London (Anfang 2019). In Berlin ist die Weltpremiere für den 12. Oktober geplant. (dpa)