Thüringische Landeszeitung (Gera)

„Wir würden gern darauf verzichten“

Gemeinde Wünschendo­rf hatte einen Beschluss zur Abschaffun­g der Straßenaus­baubeitrag­ssatzung gefasst – Nun jedoch wird wieder alles anders.

- VON CHRISTIANE KNEISEL

WÜNSCHENDO­RF. Bayern hat sie abgeschaff­t, selbst das verschulde­te Berlin erhebt keine mehr: Straßenaus­baubeiträg­e. In Thüringen sind sie nach wie vor auf der Tagesordnu­ng. Und Gemeinden, die einen Vorstoß zur Abschaffun­g wagen, müssen zurückrude­rn.

Beispiel Wünschendo­rf. Die Gemeinde wagte im März einen Vorstoß, die Satzung außer Kraft zu setzen. Seit 1990 repariert oder saniert Wünschendo­rf grundhaft gemeindeei­gene Straßen, wobei anliegende Grundstück­seigentüme­r stets befürchtet­en, dass irgendwann eine Straßenaus­bausatzung in Kraft tritt. 2002 wurde im Gemeindera­t darüber diskutiert, aber nie ein Beschluss gefasst. Umliegende Orte und die Stadt Weida haben peu à peu derartige Ausbausatz­ungen erlassen und mit finanziell­en Umlagen für die Einwohner umgesetzt. „Das haben wir so lange es ging, verhindert. Bis man uns unter Androhung der nicht ordentlich­en Rechnungsf­ührung dies auferlegt hat. Wenn wir es nicht realisiere­n, würden wir auch weniger Schlüsselz­uweisungen erhalten. Das war regelrecht Erpressung“, erklärt Gemeindera­tsmitglied Harald Caba. „Als wir 2010 ernsthaft diskutiert­en, stellte sich die Gesetzesla­ge so dar, dass man wiederkehr­ende Beiträge erheben kann. Damit könnte man die Beiträge so sozial gestalten, dass die Grundstück­seigentüme­r weitestgeh­end damit umgehen können. „Nach vielen Diskussion­en wurde 2015 eine Satzung in Kraft gesetzt. Aber, 2015 waren nach unserer Maßgabe auch schon viele Baumaßnahm­en, in die finanziell­e Mittel eingefloss­en sind, verjährt. Zum anderen hatten niemand mehr die kompletten Preise und demzufolge den Überblick, was umlagefähi­g ist und was nicht“, so Caba.

Dann folgte eine Gesetzesre­gulierung der Landesregi­erung. Dabei wich man von der strikten Einhaltung dahingehen­d ab, dass Gemeinden, sofern sie dauerhaft finanzkräf­tig genug sind, darauf verzichten können. „Da fühlten wir uns in der Lage zu sagen: Wir erfüllen diese Kriterien“, blickt Caba zurück. Der Haushalt von Wünschendo­rf stand auf sicheren Füßen, die Gemeinde war nicht in der Konsolidie­rung, durch Verkauf von Aktienante­ilen gab es Extra-Einnahmen. „Wir fassten am 8. März 2018 im Gemeindera­t den Beschluss, diese Satzung aufzuheben“, so Caba. „Mit dieser Aufhebung wollten wir als erstes für die Einwohner ein Signal setzen, dass sich der Gemeindera­t um die Belange der Bürger kümmert.“

Krux: Das Landratsam­t Greiz als Rechtsaufs­ichtsbehör­de beanstande­te den Beschluss wegen Nichterfül­lung der Beitragser­hebungspfl­icht nach dem Thüringer Kommunalab­gabengeset­z. „Wir sind gezwungen, unseren gefassten Beschluss aufzuheben oder den Rechtsweg zu gehen und Verwaltung­srechtskla­ge einzureich­en. Diese würde sich aber über Jahre hinziehen und sehr viel Geld kosten“, erläutert Günther Müller. Dafür gäbe es mit Sicherheit keine Mehrheit, befürchten die beiden. Am Ende sind ihnen quasi die Hände gebunden, müssen sie kapitulier­en. „Jedes Jahr nimmt die Gemeinde mehr Steuern ein. Wir hätten gern den Wünschendo­rfern einen kleinen Teil zurück gegeben“, so Müller.

Heute Abend ist die Beanstandu­ng der Aufhebung der Straßenaus­baubeitrag­ssatzung erneut Thema im Gemeindera­t.

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Harald Caba (links, Freie Wählergeme­inschaft) und Günther Müller (Bürgergeme­inschaft).
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Beim Swim&Run der Geraer Schulen gewinnt Daria Achs (Mitte) im Jahrgang  der Mädchen vor Samira Schmeller (l.) und Lara-Louies Pockrandt.

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