Thüringische Landeszeitung (Gera)
„Wir würden gern darauf verzichten“
Gemeinde Wünschendorf hatte einen Beschluss zur Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung gefasst – Nun jedoch wird wieder alles anders.
WÜNSCHENDORF. Bayern hat sie abgeschafft, selbst das verschuldete Berlin erhebt keine mehr: Straßenausbaubeiträge. In Thüringen sind sie nach wie vor auf der Tagesordnung. Und Gemeinden, die einen Vorstoß zur Abschaffung wagen, müssen zurückrudern.
Beispiel Wünschendorf. Die Gemeinde wagte im März einen Vorstoß, die Satzung außer Kraft zu setzen. Seit 1990 repariert oder saniert Wünschendorf grundhaft gemeindeeigene Straßen, wobei anliegende Grundstückseigentümer stets befürchteten, dass irgendwann eine Straßenausbausatzung in Kraft tritt. 2002 wurde im Gemeinderat darüber diskutiert, aber nie ein Beschluss gefasst. Umliegende Orte und die Stadt Weida haben peu à peu derartige Ausbausatzungen erlassen und mit finanziellen Umlagen für die Einwohner umgesetzt. „Das haben wir so lange es ging, verhindert. Bis man uns unter Androhung der nicht ordentlichen Rechnungsführung dies auferlegt hat. Wenn wir es nicht realisieren, würden wir auch weniger Schlüsselzuweisungen erhalten. Das war regelrecht Erpressung“, erklärt Gemeinderatsmitglied Harald Caba. „Als wir 2010 ernsthaft diskutierten, stellte sich die Gesetzeslage so dar, dass man wiederkehrende Beiträge erheben kann. Damit könnte man die Beiträge so sozial gestalten, dass die Grundstückseigentümer weitestgehend damit umgehen können. „Nach vielen Diskussionen wurde 2015 eine Satzung in Kraft gesetzt. Aber, 2015 waren nach unserer Maßgabe auch schon viele Baumaßnahmen, in die finanzielle Mittel eingeflossen sind, verjährt. Zum anderen hatten niemand mehr die kompletten Preise und demzufolge den Überblick, was umlagefähig ist und was nicht“, so Caba.
Dann folgte eine Gesetzesregulierung der Landesregierung. Dabei wich man von der strikten Einhaltung dahingehend ab, dass Gemeinden, sofern sie dauerhaft finanzkräftig genug sind, darauf verzichten können. „Da fühlten wir uns in der Lage zu sagen: Wir erfüllen diese Kriterien“, blickt Caba zurück. Der Haushalt von Wünschendorf stand auf sicheren Füßen, die Gemeinde war nicht in der Konsolidierung, durch Verkauf von Aktienanteilen gab es Extra-Einnahmen. „Wir fassten am 8. März 2018 im Gemeinderat den Beschluss, diese Satzung aufzuheben“, so Caba. „Mit dieser Aufhebung wollten wir als erstes für die Einwohner ein Signal setzen, dass sich der Gemeinderat um die Belange der Bürger kümmert.“
Krux: Das Landratsamt Greiz als Rechtsaufsichtsbehörde beanstandete den Beschluss wegen Nichterfüllung der Beitragserhebungspflicht nach dem Thüringer Kommunalabgabengesetz. „Wir sind gezwungen, unseren gefassten Beschluss aufzuheben oder den Rechtsweg zu gehen und Verwaltungsrechtsklage einzureichen. Diese würde sich aber über Jahre hinziehen und sehr viel Geld kosten“, erläutert Günther Müller. Dafür gäbe es mit Sicherheit keine Mehrheit, befürchten die beiden. Am Ende sind ihnen quasi die Hände gebunden, müssen sie kapitulieren. „Jedes Jahr nimmt die Gemeinde mehr Steuern ein. Wir hätten gern den Wünschendorfern einen kleinen Teil zurück gegeben“, so Müller.
Heute Abend ist die Beanstandung der Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung erneut Thema im Gemeinderat.