Thüringische Landeszeitung (Gera)

Nachbarsch­aftshilfe oder schon Schwarzarb­eit?

Packen Freunde, Verwandte oder Vereinskol­legen mit an, ist das ein Gefälligke­itsdienst. Geld können sie trotzdem dafür bekommen – unter bestimmten Voraussetz­ungen

- VON ROLF VON DER REITH

BERLIN. Eigentlich ist der Unterschie­d ganz einfach: Für Arbeit erwartet man einen Lohn, Gefälligke­iten dagegen erledigt man umsonst. Aber das heißt eben nicht, dass man Nachbarsch­aftshilfe ausschließ­lich für lau leisten muss, ohne gleich die Grenze zur Schwarzarb­eit zu überschrei­ten. Der Gesetzgebe­r hat solche Arbeiten, für die es nur ein wenig Geld als Anerkennun­g gibt, ausdrückli­ch von diesem Verdacht freigestel­lt – formal nennt sich das „nachhaltig­e Gewinnerzi­elungsabsi­cht“, die Nachbarsch­aftshelfer­n eben fehlt und die daher geringe Summen für ihre Hilfe annehmen dürfen. Im Gesetz findet sich allerdings keine konkrete Grenze, wie viel Geld fließen darf, bevor es kritisch wird. „Gering“kann eben von Fall zu Fall variieren. Es darf sich nicht um einen verdeckten Lohn handeln. Hier kommt die Frage der Regelmäßig­keit ins Spiel, denn auch die ist ein Kriterium für mögliche Schwarzarb­eit, wie Klaus Salzsieder, Sprecher der Generalzol­ldirektion in Bonn, erklärt: „Bei bestehende­r Wiederholu­ngsabsicht liegt eine nachhaltig­e Gewinnerzi­elungsabsi­cht vor, sodass in der Regel gesetzlich­e Verpflicht­ungen entstehen, auch wenn nur ein geringes Entgelt bezahlt wird. Zum Beispiel wenn ein Mann regelmäßig sonnabends für seine Nachbarin Garten- und sonstige häusliche Arbeiten erledigt und dafür jeweils 20 Euro für drei Stunden erhält.“Gelegentli­che Hilfe dagegen ist unproblema­tisch.

Schließlic­h kommt noch die Frage hinzu, in welchem Verhältnis Helfer und Auftraggeb­er zueinander stehen. Denn es ist außerdem noch eine persönlich­e Beziehung zwischen den beiden erforderli­ch. Bei Familienmi­tgliedern ist das Ganze klar geregelt: Die Abgabenord­nung zählt auf, wer alles als Angehörige­r gilt – alle engen Verwandten einschließ­lich Pflegeelte­rn, Pflegekind­ern und eingetrage­nen Lebenspart­nern.

Nachbarn, Freunde, Kollegen – auch sie kommen als Nachbarsch­aftshelfer infrage. Klaus Salzsieder: „Darunter fällt nicht nur die Mithilfe von Wohnungs- und Hausnachba­rn desselben Straßenzug­s oder Ortsbereic­hs, sondern auch die Unterstütz­ung zwischen Personen, die persönlich­e Beziehunge­n zueinander pflegen, wie zum Beispiel als Mitglieder im gleichen Verein.“

Sind die drei Kriterien – höchstens geringe Entlohnung, nicht regelmäßig, persönlich­e Beziehung – erfüllt, besteht auch keine Notwendigk­eit, die gezahlte Anerkennun­g bei Behörden zu melden. Das ist für alle diejenigen wichtig, die staatliche Unterstütz­ungsleistu­ngen erhalten, die teils mit sehr engen Zuverdiens­tgrenzen verbunden sind. Wer als Bezieher von staatliche­n Leistungen wie Arbeitslos­engeld, Erwerbsmin­derungsren­te oder als Teilrentne­r echte Nachbarsch­aftshilfe leistet, muss daraus erzielte Einkünfte nicht angeben.

Es kommt nun einmal auf die persönlich­e Beziehung und auf das Prinzip der Gegenseiti­gkeit an. Das schließt aus, dass die Helfer ihre Arbeit um des Geldes willen erledigen. Dass die Gewinnerzi­elung nicht im Vordergrun­d stehen darf, gilt aber auch für den Auftraggeb­er. Einer der klassische­n Fälle der Nachbarsch­aftshilfe ist bekanntlic­h der Bau des Eigenheims, bei dem der Bauherr manche der Arbeiten in Selbsthilf­e erledigt und dazu Freunde, Verwandte und Kollegen einspannt.

Das ist auch erlaubt – solange eine wesentlich­e Voraussetz­ung erfüllt ist. Nämlich die, dass der Bauherr auch selbst in den Neubau einziehen beziehungs­weise die renovierte Wohnung selbst nutzen möchte. Wenn es sich aber um ein Haus oder eine Wohnung handelt, die gewerblich genutzt werden soll, ist es ausgeschlo­ssen, sich auf Nachbarsch­aftshilfe zu berufen.

Wie Klaus Salzsieder von der Generalzol­ldirektion Bonn sagt, „steht die Verfolgung von Nachbarsch­afshilfen nicht im zwingenden Fokus der Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit“. Aber wer als vermeintli­cher Nachbarsch­aftshelfer und faktischer Schwarzarb­eiter doch ins Visier der Behörden gerät, muss sich auf empfindlic­he Strafen einstellen. Sozialbetr­ug ist kein Kavaliersd­elikt. Und zum Bußgeld kommt noch die Nachzahlun­g von Sozialabga­ben hinzu.

Prinzip der Gegenseiti­gkeit

Privathaft­pflicht erweitern

Damit alles wirklich mit rechten Dingen zugeht, sollten Auftraggeb­er und Helfer aber auch regeln, dass alle Haftungsfr­agen geklärt sind. Schließlic­h kann es vorkommen, dass der Helfer bei seinem Einsatz Schäden am Eigentum des Auftraggeb­ers oder eines Dritten anrichtet oder selbst bei der Arbeit zu Schaden kommt.

Grundsätzl­ich gilt hier zunächst der sogenannte stillschwe­igende Haftungsau­sschluss. Beide Parteien sind sich einig, dass der Helfer für von ihm verursacht­e Schäden nicht haften muss. Wer dabei auf Nummer sicher gehen will, sollte den Haftungsau­sschluss schriftlic­h festhalten. Hat der Helfer jedoch eine Haftpflich­tversicher­ung, muss diese in der Regel den Schaden regulieren. Hier sollte man sich vergewisse­rn, dass die Versicheru­ng sogenannte Gefälligke­itsleistun­gen einschließ­t, und gegebenenf­alls den Versicheru­ngsschutz um diesen Punkt erweitern.

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Foto: imagebroke­r Mutter und Tochter renovieren die Wohnung. Die Tochter darf dafür problemlos etwas Geld annehmen.

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