Thüringische Landeszeitung (Gera)

Wirtschaft beklagt hohe bürokratis­che Vorgaben

BDI-Chef: Sonderlast­en schwächen die Unternehme­n vor Ort – Rot-Rot-Grün braucht Augenmaß

- VON ELMAR OTTO

ERFURT. Der Bundesverb­and der Deutschen Industrie (BDI) beklagt zu hohe bürokratis­che Hürden für die Thüringer Wirtschaft. „Die Landesregi­erung sollte den Unternehme­n nicht zusätzlich­e Lasten durch eine überborden­de Regulierun­g aufhalsen“, sagte BDI-Hauptgesch­äftsführer Joachim Lang im Gespräch mit dieser Zeitung. Große Konzerne hätten dafür eigene Abteilunge­n, aber für die vielen kleinen Mittelstän­dler im Freistaat sei die Menge an Berichtspf­lichten ein Hemmschuh. „Unnötige bürokratis­che Regulierun­gen nehmen den Firmen wichtige Wachstumsm­öglichkeit­en“, kritisiert Lang. Das bremse Beschäftig­ung und Aufstiegsc­hancen.

Aus Verbandssi­cht hat die Landesregi­erung im Energieund Umweltbere­ich einen besonderen Ehrgeiz, mehr zu machen als alle anderen Länder. „Diese Sonderlast­en schwächen die Unternehme­n vor Ort. Ich appelliere an Rot-Rot-Grün, mit Augenmaß vorzugehen und die Klagen der Wirtschaft ernst nehmen“, so der BDI-Chef.

Thüringer Unternehme­n machen seit Langem die hohen Energieaus­gaben zu schaffen. „Im Land gibt es im Vergleich der 16 Bundesländ­er die fünfthöchs­ten Stromkoste­n. Die Auflagen für Unternehme­n in Thüringen sind dort und auch im Umweltrech­t deutlich höher als in anderen Bundesländ­ern“, bemängelt Lang. Die Landesregi­erung sei in der Pflicht, ihren Beitrag zu leisten, die enorm gestiegene­n Energiekos­ten zu senken. „Das hätte erhebliche Auswirkung­en auf die Wettbewerb­sfähigkeit“, ist der Industriev­ertreter überzeugt.

Thüringen hält Lang für einen attraktive­n Standort. Aber der Freistaat müsse in eigener Sache noch mehr die Werbetromm­el rühren.

ERFURT. Joachim Lang ist seit Dezember 2016 Mitglied der Hauptgesch­äftsführun­g und seit April 2017 Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­andes der Deutschen Industrie (BDI). Im Juni 2017 wurde der promoviert­e Jurist, Jahrgang 1967, in das Präsidium des BDI gewählt. Im Interview mit dieser Zeitung beklagt Lang hohe bürokratis­che Belastunge­n für Unternehme­n, den mangelhaft­en Ausbau schneller Datenleitu­ngen in Gewerbegeb­ieten und ermutigt die Thüringer, sich besser zu vermarkten.

Herr Lang, Thüringen hat die niedrigste Arbeitslos­igkeit, den höchsten Zuwachs an sozialvers­icherungsp­flichtiger Beschäftig­ung und den höchsten Bruttolohn­zuwachs aller neuen Länder. Da hat der BDI doch nichts zu meckern, oder?

Nein, warum auch? Bei einigen Kennziffer­n ist das Land überdurchs­chnittlich, auch im bundesdeut­schen Vergleich. Eine starke Industrie hilft. Heute trägt die ostdeutsch­e Industrie fast 20 Prozent zur Bruttowert­schöpfung der neuen Länder bei, vor 20 Jahren waren es gerade einmal zwölf Prozent. In Thüringen sind es sogar 22 Prozent. Natürlich kann man immer besser werden. Deshalb sollte Thüringen weiter ehrgeizige Ziele verfolgen.

Wo hapert es aus Ihrer Sicht besonders?

An der Produktivi­tät hapert es in Thüringen im Vergleich zu anderen westlichen Bundesländ­ern noch. Doch die Voraussetz­ungen stimmen. Viele mittelstän­dische Unternehme­n sind überdurchs­chnittlich gut aufgestell­t, haben hohe Auftragsei­ngänge und eine stabile Auftragsla­ge.

Sind Sie mit der Wirtschaft­spolitik der rot-rot-grünen Landesregi­erung zufrieden, oder sehen Sie auch Schwachste­llen?

Unternehme­n machen seit Langem die hohen Energieaus­gaben zu schaffen. Im Land gibt es im Vergleich der 16 Bundesländ­er die fünfthöchs­ten Stromkoste­n. Die Auflagen für Unternehme­n in Thüringen sind dort und auch im Umweltrech­t deutlich höher als in anderen Bundesländ­ern. Die Landesregi­erung ist in der Pflicht, ihren Beitrag zu leisten, die enorm gestiegene­n Energiekos­ten zu senken. Das hätte erhebliche Auswirkung­en auf die Wettbewerb­sfähigkeit.

Viele Firmenchef­s in Thüringen beklagen zu viel Bürokratie. Zu Recht?

Sicherlich. Die Landesregi­erung sollte den Unternehme­n nicht zusätzlich­e Lasten durch eine überborden­de Regulierun­g aufhalsen. Große Konzerne haben dafür eigene Abteilunge­n, aber für die vielen kleinen Mittelstän­dler in Thüringen ist die Menge an Berichtspf­lichten ein Hemmschuh. Unnötige bürokratis­che Regulierun­gen nehmen den Firmen wichtige Wachstumsm­öglichkeit­en. Das bremst Beschäftig­ung und Aufstiegsc­hancen, das muss nicht sein. Es ist falsch, dass die Landesregi­erung im Energie- und Umweltbere­ich einen besonderen Ehrgeiz hat, mehr zu machen als alle anderen Länder. Diese Sonderlast­en schwächen die Unternehme­n vor Ort. Ich appelliere an Rot-Rot-Grün, mit Augenmaß vorzugehen und die Klagen der Wirtschaft ernst nehmen.

Viele Millionen Euro werden von Bund und Land in die Digitalisi­erung gesteckt. Dennoch gibt es an vielen Stellen des Landes kein schnelles Internet. Was läuft falsch?

Die Grundlage für erforderli­che Digitalisi­erung ist eine funktionie­rende Infrastruk­tur. Wenn ich keinen Breitbanda­usbau in der Fläche habe und die Gewerbegeb­iete nicht erreiche, habe ich keine Chance, erfolgreic­h zu sein. Der mangelhaft­e Anschluss von Gewerbegeb­ieten an schnelle Glasfasern­etze erweist sich als Wettbewerb­snachteil. Wir brauchen die Anstrengun­g aller, nicht nur die der Telekommun­ikationsbr­anche, sondern auch die Landesregi­erung und die Kommunen sind gefragt. Ziel ist eine möglichst breite Abdeckung mit schnellem Internet. Zwei Drittel aller Industriea­rbeitsplät­ze sind in ländlichen Regionen. Es ist toll, wenn man Glasfaser in Erfurt hat, aber das ist nicht alles.

Das ist aber kein thüringens­pezifische­s Problem. Auch in anderen Bundesländ­ern liegt einiges im Argen?

Deshalb sage ich: Auch die Bundesregi­erung darf sich nicht aus der Verantwort­ung stehlen. So muss sie mit Blick auf den neuen 5G-Mobilfunks­tandard ebenfalls das Tempo erhöhen. Deutschlan­d sollte sich an den Besten messen: China oder Korea sind die 5G-Vorreiter.

Bis 2025 wird in Thüringen mit einem Bedarf von mehr als 340 000 Fachkräfte­n gerechnet. Was muss getan werden, um Menschen für den Freistaat zu gewinnen?

Thüringen ist ein attraktive­r Standort. Aber das hat sich noch nicht überall herumgespr­ochen. Der Freistaat muss noch mehr die Werbetromm­el rühren, um Fachkräfte aus anderen Bundesländ­ern und dem Ausland anzulocken und Hochschula­bsolventen im Land zu halten. Ich finde, die Thüringer sind manchmal zu bescheiden für das, was sie täglich leisten.

„Der mangelhaft­e Anschluss von Gewerbegeb­ieten an schnelle Glasfasern­etze erweist sich als Wettbewerb­snachteil.“Joachim Lang, BDI-Hauptgesch­äftsführer

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