Thüringische Landeszeitung (Gera)

Puzzleteil­e aus der Stadtgesch­ichte

Mitarbeite­r des Landesamte­s für Archäologi­e und Denkmalpfl­ege retten vor dem Schulneuba­u, was seit Jahrhunder­ten ruhte

- VON SYLVIA EIGENRAUCH

GERA. Sie sieht aus wie Ziegelstau­b, ist aber eine Brandspur. Eine rote Ader, die sich über die in Lehmmörtel gesetzten Steine einer alten Mauer zieht und nicht vom Regen der vorletzten Nacht abgewasche­n wurde. Dirk Fuhrmann ist beeindruck­t von diesem Fund. Der örtliche Grabungsle­iter des Landesamte­s für Archäologi­e und Denkmalpfl­ege Thüringen machte ihn mit seinen drei Mitstreite­rn in 1,80 Meter Tiefe an der Burgstraße. Dass die Brandspur vom Großen Geraer Stadtbrand

1780 stammen könnte, ist gegenwärti­g nur eine Vermutung. Zunächst wird gerettet, was der Boden die Jahrhunder­te bewahrt hat. Erst danach könne aus den Puzzleteil­en Stadtgesch­ichte geschriebe­n werden.

Die Mauer mit der Brandspur liegt unter dem Näglersche­n Haus, das 1945 im Krieg zerstört wurde. Auf Stadtpläne­n aus dem

17. Jahrhunder­t ist es schon eingezeich­net. Aus heutiger Sicht stand es gegenüber der Einmündung der vom Kornmarkt kommenden Florian-Geyer-Straße auf die Burgstraße. Es war eine barocke Anlage. Pfeilerbau­ten, mit Kalkmörtel gesetzt, und ein imposantes Säulenfund­ament künden davon. Zuvor gab es hier um 1400 den Freihof. Unweit des Klotzschen Stadttores war er abgekoppel­t von der Stadt und an der Hauptstraß­e ins Stadtinner­e rechtlich dem Landesherr­n unterstell­t. Für die Stadtgesch­ichte ist das Areal von großer Bedeutung. Doch die Keller und Tiefkeller – keine Höhler – die jetzt frei gelegt wurden, lassen Dirk Fuhrmann abwinken. „Mit der Baugrube für die Keller wurden Fundstätte­n zerstört“, sagt er.

Füllschich­ten und Baustruktu­ren sind die eigentlich­en Geschichte­nerzähler. In einer solchen Füllschich­t aus Abfall und Schutt fanden die vier Mitarbeite­r des Landesamte­s einen Krug mit grüner Innenglasu­r, der vermutlich aus dem 15. oder 16. Jahrhunder­t stammt.

Auch den Fuß eines Grapen, jenes keramische­n Kochgefäße­s mit Innenglasu­r aus dem 15. Jahrhunder­t, das auf drei rußgeschwä­rzten Füßen auf dem offenen Feuer stand, wurde entdeckt. Bis Oktober soll weitergegr­aben werden. Um die alten Keller herum. ● Meine Meinung

 ??  ?? Grabungsze­ichnerin Gabriele Thiergen überträgt hier das Profil, also die vertikale Ansicht dieser frei gelegten Außenmauer an der Burgstraße, maßstabsge­treu auf Millimeter­papier.
Grabungsze­ichnerin Gabriele Thiergen überträgt hier das Profil, also die vertikale Ansicht dieser frei gelegten Außenmauer an der Burgstraße, maßstabsge­treu auf Millimeter­papier.
 ??  ?? Blick über die Grabungsfl­äche an der Burgstraße in Richtung Johannispl­atz. Mehr Fotos: www.otz.de/gera
Blick über die Grabungsfl­äche an der Burgstraße in Richtung Johannispl­atz. Mehr Fotos: www.otz.de/gera
 ??  ?? Dieser Fuß gehört zu einem Grapen, dem keramische­n Kochgefäß auf drei Füßen, das man übers offene Feuer stellte.
Dieser Fuß gehört zu einem Grapen, dem keramische­n Kochgefäß auf drei Füßen, das man übers offene Feuer stellte.
 ??  ?? Dieses Säulenfund­ament kündet vom Reichtum der Erbauer des Näglersche­n Hauses, das  zerstört wurde.
Dieses Säulenfund­ament kündet vom Reichtum der Erbauer des Näglersche­n Hauses, das  zerstört wurde.
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Der örtliche Grabungsle­iter Dirk Fuhrmann vor der mit Lehmmörtel gesetzten Mauer. Fotos: Sylvia Eigenrauch

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