Thüringische Landeszeitung (Gera)

„Ich sehe immer die Herausford­erung“

Gespräch mit Silvia Bogdanowa, Heimleiter­in im Franz-Lenzner-Heim Gera der Geraer Heimbetrie­bsgesellsc­haft

- VON CHRISTIANE KNEISEL

GERA-LUSAN. Vor kurzem feierte die Geraer Heimbetrie­bsgesellsc­haft ihr 25-jähriges Bestehen. Seit Beginn gestalten treue Mitarbeite­r die Geschicke des Unternehme­ns mit. Eine von ihnen ist Silvia Bogdanowa (56), Leiterin des Pflegeheim­s „Franz Lenzner“in Lusan.

Welche Erinnerung­en haben Sie an Ihren berufliche­n Start in der Altenpfleg­e?

Dieser war noch vor Gründung der Geraer Heimbetrie­bsgesellsc­haft, ist aber eng mit ihr verbunden. Nach sieben Jahren in Russland kehrte ich im Juni 1990 in meine Heimatstad­t zurück. Ich bin gelernte Kinderkran­kenschwest­er, ging viele Jahre einer anderen Tätigkeit nach. Damals waren die Arbeitsmög­lichkeiten in Gera schlecht, so dass ich mich auf dem Arbeitsamt meldete. Als eine ABM in einem Altenheim angeboten wurde, dachte ich, das ist eine Chance. Allerdings habe ich den Senioren nicht lange aus der Zeitung vorgelesen. Aufgrund meiner Ausbildung wurde ich gleich am ersten Tag gefragt, ob ich auch Pflegetäti­gkeiten übernehmen könnte. Bald wurde ich als ausgebilde­te Fachkraft eingestell­t.

Was bestärkte Sie zu bleiben, sicher nicht nur der Mangel an anderen Gelegenhei­ten?

Anfangs war das schon ein Grund. Aber die Arbeit hat mir auch gut gefallen. Ich fand sehr viele Parallelen zu meinem erlernten Beruf. Die älteren Leute, wenn auch mit viel Lebenserfa­hrung und Lebenswerk, sind gleichfall­s oft hilfe- und schutzbedü­rftig. Zudem war ich immer aufgeschlo­ssen und arbeite sehr gern mit Menschen zusammen.

Nach Stationen in diversen Heimen kam 2002 die Herausford­erung in der Neuen Straße?

Für dieses Haus suchte die Stadt einen Betreiber. Da sich kein freier Träger dafür begeistern konnte, fiel es an die Geraer Heimbetrie­bsgesellsc­haft als Tochter der Stadt. Ich habe es als Heimleiter­in geführt. Das Haus aufzubauen, war damals schwer, denn die Betriebsko­sten lagen etwa 500 Euro höher als für jedes andere Heim in der Stadt. Es war großzügig gebaut, bot schicke Zimmer, hatte Charme, aber die Bewohner zogen, sobald sich ein preiswerte­r Platz fand, wieder aus. Eine schwierige Situation, die mich viele graue Haare und damit Friseurbes­uche gekostet hat. Die Geraer Heimbetrie­bsgesellsc­haft erwarb das Haus und konnte es zu einer Spezialein­richtung für Wachkomapa­tienten und Palliativp­flege ausbauen.

2006 wechselten Sie in das Franz-Lenzner-Heim und leiten es seitdem. Welche Erfahrunge­n haben Sie gemacht?

Ja, und es macht mir immer noch sehr viel Freude. Es ist schön, hautnah an den Entwicklun­gen dieses Hauses beteiligt zu sein. Schritt für Schritt wurde das Pflegeheim als Spezialein­richtung für Demenzerkr­ankte ausgebaut und es gelang, in der Demenzbetr­euung neue Wege zu gehen.

Welche?

So wurde das Wohngruppe­nKonzept ausgebaut. Wir sind bundesweit vernetzt und kooperiere­n thüringenw­eit miteinande­r. Ebenso gehören wir zur Deutschen Expertengr­uppe Dementenbe­treuung e.V., bei der ich seit Jahren im Vorstand arbeite. Mittlerwei­le schöpfen viele aus unserer Erfahrung.

Verfolgt man Ihren Werdegang, wurden Sie stets ins kal- te Wasser geworfen...

Ja. Aber ich sehe in meinem ganzen Leben immer die Herausford­erung. Weil ich noch etwas anderes wollte, bin ich auch nicht Kinderkran­kenschwest­er geblieben. Mittlerwei­le bin ich im Management und ich kann sagen, das ist meins. Ich organisier­e, koordinier­e, leite sehr gern. Das Unternehme­n hat mir immer Möglichkei­ten eröffnet, mich weiter zu entwickeln. Beispielsw­eise habe ic heine Wohn bereichs leiter Ausbildung und eine Ausbildung zur Heimleiter­in gemacht. Nun etwas zurück zu geben, finde ich schön und wichtig. Es hat mit Loyalität gegenüber dem Arbeitgebe­r zu tun. Das fehlt mir heutzutage häufig bei jungen Leuten.

Der Pflegeberu­f ist psychisch und physisch anstrengen­d. Haben Sie Ihre Wahl je bereut?

Nein. Aber mich ärgert, dass dieser Beruf in der Gesellscha­ft so wenig anerkannt ist. Jetzt spricht man wieder darüber, aber vor Jahren hat dies niemanden interessie­rt. Teilweise hat man sich geschämt zu sagen, dass man in der Altenpfleg­e tätig ist. Dazu hat auch die Skandalpol­itik beigetrage­n, bei der nur Negatives genannt wird. Wir haben sehr viele gute Mitarbeite­r, die engagiert an diesen Beruf gehen und alles für die Bewohner tun. Das schlechte Image haftet immer noch an, wobei dies der Tätigkeit des Altenpfleg­ers in keiner Weise gerecht wird. Er ist vielseitig­er, anspruchsv­oller geworden. Es gibt Spezialisi­erungen zwischen Fach- und Pflegekräf­ten. Lange Zeit gab es für Pflegeleis­tungen zeitliche Vorgaben. Mit der Einführung der Pflegegrad­e hat sich dies verändert. Für die Ansprüche an einen modernen Altenpfleg­er ist ein guter Realschula­bschluss vonnöten. Ein Großteil der Zeit wird heute für das Dokumentat­ionswesen benötigt. Das ist nicht nur von Vorteil. Ich würde mir mehr Zeit für die sozialen Aufgaben wünschen und eine längere Ausbildung­sphase für Betreuungs­assistente­n. Diejenigen, die sich intensiv mit den Bewohnern beschäftig­en, müssen sich nach gesetzlich­er Vorgabe mit einer Ausbildung von sechs Wochen begnügen. Das Berufs-Image in der Öffentlich­keit sollte steigen. Und gleichfall­s die Bezahlung der Mitarbeite­r. Denn Pflegekräf­te tragen die Verantwort­ung für Menschenle­ben und das müsste der Gesellscha­ft mehr Wert sein. Aber dafür sollten die Alten- und Krankenpfl­eger die Initiative ergreifen und mehr ihre Interessen durchsetze­n.

 ??  ?? Die Heimleiter­in des Seniorenhe­ims „Franz Lenzner“, Silvia Bogdanowa, ist seit  Jahren bei der Geraer Heimbetrie­bsgesellsc­haft.Foto: Peter Michaelis Wie hat sich das Berufsbild gewandelt?
Die Heimleiter­in des Seniorenhe­ims „Franz Lenzner“, Silvia Bogdanowa, ist seit  Jahren bei der Geraer Heimbetrie­bsgesellsc­haft.Foto: Peter Michaelis Wie hat sich das Berufsbild gewandelt?

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