Thüringische Landeszeitung (Gera)
Die Stadt der Kinder
Hier sind Mädchen und Jungen die Chefs. In der Spielstadt „Mini-München“wohnen, arbeiten und regieren sie ohne Erwachsene
Einmal selbst eine Stadt regieren! Normalerweise tun das Erwachsene. Aber was würde passieren, wenn Kinder das Sagen hätten? In den Sommerferien gibt es in Deutschland in vielen Orten Spielstädte.
Eine davon ist „Mini-München“, eine Kinderstadt mitten in München in Bayern. Seit dem Jahr 1979 findet das Projekt alle zwei Jahre drei Wochen lang statt.
Die Kinderstadt besteht aus riesigen Zelten, Holzhütten und Containern. Kinder und Jugendliche zwischen sieben und 15 Jahren können tagsüber vorbeikommen, um dort zu leben und zu arbeiten.
Wenn am Vormittag die mehr als 60 Betriebe öffnen, strömen alle über das Gelände und versuchen, ihren Traumberuf zu ergattern. Anna ist auf dem Weg zum Café – sie möchte Kellnerin werden.
Für die Verteilung der Jobs ist das Arbeitsamt zuständig. Vor den Schaltern ziehen die Kinder und Jugendlichen Nummern und reihen sich in lange Schlangen ein. Nirgends herrscht mehr Trubel als dort!
Doch nicht jeder Einwohner bekommt die Arbeit, die er am liebsten möchte. Jakob hält die Tränen zurück. Er will Gärtner werden, doch das geht gerade nicht, da keine Stelle frei ist.
Diskussionen im Rathaus
Die Währung in „Mini-München“heißt „MiMü“. Der Lohn ist für jede Art von Arbeit gleich: vier „MiMüs“für eine Stunde Arbeit. Das will der 15-jährige Oberbürgermeister Sascha jetzt aber ändern. „Wer besonders gut arbeitet, soll belohnt werden“, sagt er.
Einige in der Stadtregierung, die aus einem Oberbürgermeister, einem Bürgermeister und fünf Stadträten besteht, sehen das anders. Sie beginnen zu diskutieren. Jeder hat seine Meinung und will die anderen davon überzeugen. So funktioniert Politik – auch in der Kinderstadt.
Mit dem verdienten Geld können sich die Einwohner von „Mini-München“zum Beispiel ein Ticket für den Bus oder Lebensmittel kaufen.
Eine Polizei gibt es in der Kinderstadt nicht. „Die wurde abgeschafft, denn die Kinder bei der Polizei haben selbst die schlimmsten Sachen gemacht“, erzählt Stadtrat Selim.
Statt einer Polizei gibt es nun eine Schiedsstelle. Dort sollen die Bewohner von „Mini-München“ihre Konflikte selbst untereinander lösen.
Wenn sich ein Streit nicht einfach schlichten lässt, geht der Fall vor das Gericht. Die Richter verurteilen die Täter, im schlimmsten Fall müssen sie die Stadt verlassen.
Es gibt aber auch mildere Strafen, zum Beispiel Sozialstunden. Der Täter muss dann arbeiten, ohne dafür Geld zu bekommen.
Eltern dürfen die Spielstadt nur in bestimmten Bereichen und zu bestimmten Zeiten betreten. Dafür brauchen sie ein Visum. Dieses Dokument regelt genau, wie lange sich eine Person an einem Ort aufhalten darf. Das Elternvisum in „Mini-München“gilt eine Stunde.
Zutritt für Erwachsene verboten
Es gibt aber auch Zonen, in denen Eltern gar keinen Zutritt haben. Dazu zählt auch das Arbeitsamt. Besonders bei der Jobsuche wollen einige Eltern ihren Kindern helfen. Sie trauen ihnen nicht zu, dass sie alleine zurechtkommen. Aber genau darum geht es bei „Mini-München“!
Ein paar Erwachsene dürfen trotzdem immer in der Kinderstadt sein. Wer ein außergewöhnliches Hobby oder einen spannenden Beruf hat, kann an der Uni Kurse geben oder ein Handwerk unterrichten.
Neben „Mini-München“gibt es zum Beispiel auch Spielstädte in Berlin, Dortmund, Hannover, Köln und Halle.
Doch auch im Ausland findet das Projekt regelmäßig statt, unter anderem in Italien, Afrika oder Japan.