Thüringische Landeszeitung (Gera)

Droht eine Schlangenp­lage?

Eine Boa im Hunsrück, eine Anakonda in Meerbusch: Immer öfter versetzen Riesenschl­angen Menschen in Panik

- VON JONAS ERLENKÄMPE­R

BERLIN. Das Tier löste eine beachtlich­e Suchaktion aus und legte das öffentlich­e Leben im Viertel zeitweise lahm. Schlangens­ichtung auf einem Kinderspie­lplatz mitten in Berlin: Dutzende Beamte rücken am Donnerstag an, suchen im Sand und im Gebüsch nach dem Reptil. Allein 40 Beamte durchkämme­n ein nahe gelegenes Freibad, das an diesem Morgen geschlosse­n bleiben muss. „Wir suchen eine Anakonda“, teilen die Polizisten den verdutzten Frühschwim­mern mit, als die sich über das gesperrte Becken wundern. Die Erleichter­ung ist groß, als die Polizei die Schlange endlich entdeckt und einfängt.

Ortswechse­l: Der 1200-Einwohner-Ort Hennweiler im Hunsrück. Auf der Dorfstraße schlängelt sich am Montag eine zwei Meter lange Boa constricto­r und versetzt die Einwohner in Aufregung. Auch dort geht die Geschichte gut aus, das Tier wird gefangen, Menschen kommen nicht zu Schaden. Die naheliegen­de Frage aber lautet: Droht Deutschlan­d etwa eine Schlangenp­lage?

Tom Kirschey vom Naturschut­zbund (Nabu) Deutschlan­d berichtet jedenfalls davon, dass Meldungen über Schlangenf­unde stark zunehmen. Anderersei­ts gebe es immer weniger Kreuzotter­n und Ringelnatt­ern – „alle Schlangena­rten Deutschlan­ds verzeichne­n rückläufig­e Bestandstr­ends“. Wie passt das zusammen? Es sind vor allem exotische Arten, die Passanten in Panik versetzen und die Polizei auf den Plan rufen. Die Tiere sind keine Einwandere­r, sondern entweder aus Terrarien ausgebüxt oder von ihren Haltern ausgesetzt worden. Die Exotenstat­ion des Berliner Tierheims etwa ist „bis zum Rand gefüllt“, wie Sprecherin Annette Rost berichtet. Schuld ist ihrer Meinung nach ein Trend zu ungewöhnli­chen Haustieren, mit denen die Halter irgendwann überforder­t seien. Auf der Exotenstat­ion leben zahlreiche Würgeschla­ngen, die laut Rost nur schwer zu vermitteln sind – etwa 2,20 Meter lange Boa constricto­rs. Eine Schlange sei direkt auf dem Parkplatz des Tierheims ausgesetzt worden.

Auch die gelbe, 2,40 Meter lange Anakonda, die in einem Badesee bei Düsseldorf lebte und von der Feuerwehr erst nach tagelanger Suche am Mittwoch gefangen werden konnte, stammt wahrschein­lich aus einem Privathaus­halt. Es ist kein deutsches, sondern ein europäisch­es Phänomen: Im Netz kursiert ein Video, das eine Boa zeigt, die auf offener Straße in London eine Taube verschling­t.

Auf Dauer sind solche Schlangen in freier Wildbahn jedoch nicht überlebens­fähig. „Wenn der Winter kommt, gehen sie ein“, sagt Sebastian Lotzkat vom Frankfurte­r Senckenber­g-Forschungs­institut. Sie seien schlicht nicht frosttoler­ant. Temperatur­en unter 20 Grad sind die aus Südamerika stammenden Tiere nicht gewohnt. Das Problem mit den vielen Exoten wird sich also von alleine erledigen. Jedenfalls bis zum nächsten Sommer.

Überlebens­fähig im Sommer

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Schlangenf­änger Sebastian Schleich mit der von ihm gefangenen Boa im Hunsrück. Foto: dpa

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