Thüringische Landeszeitung (Gera)
Droht eine Schlangenplage?
Eine Boa im Hunsrück, eine Anakonda in Meerbusch: Immer öfter versetzen Riesenschlangen Menschen in Panik
BERLIN. Das Tier löste eine beachtliche Suchaktion aus und legte das öffentliche Leben im Viertel zeitweise lahm. Schlangensichtung auf einem Kinderspielplatz mitten in Berlin: Dutzende Beamte rücken am Donnerstag an, suchen im Sand und im Gebüsch nach dem Reptil. Allein 40 Beamte durchkämmen ein nahe gelegenes Freibad, das an diesem Morgen geschlossen bleiben muss. „Wir suchen eine Anakonda“, teilen die Polizisten den verdutzten Frühschwimmern mit, als die sich über das gesperrte Becken wundern. Die Erleichterung ist groß, als die Polizei die Schlange endlich entdeckt und einfängt.
Ortswechsel: Der 1200-Einwohner-Ort Hennweiler im Hunsrück. Auf der Dorfstraße schlängelt sich am Montag eine zwei Meter lange Boa constrictor und versetzt die Einwohner in Aufregung. Auch dort geht die Geschichte gut aus, das Tier wird gefangen, Menschen kommen nicht zu Schaden. Die naheliegende Frage aber lautet: Droht Deutschland etwa eine Schlangenplage?
Tom Kirschey vom Naturschutzbund (Nabu) Deutschland berichtet jedenfalls davon, dass Meldungen über Schlangenfunde stark zunehmen. Andererseits gebe es immer weniger Kreuzottern und Ringelnattern – „alle Schlangenarten Deutschlands verzeichnen rückläufige Bestandstrends“. Wie passt das zusammen? Es sind vor allem exotische Arten, die Passanten in Panik versetzen und die Polizei auf den Plan rufen. Die Tiere sind keine Einwanderer, sondern entweder aus Terrarien ausgebüxt oder von ihren Haltern ausgesetzt worden. Die Exotenstation des Berliner Tierheims etwa ist „bis zum Rand gefüllt“, wie Sprecherin Annette Rost berichtet. Schuld ist ihrer Meinung nach ein Trend zu ungewöhnlichen Haustieren, mit denen die Halter irgendwann überfordert seien. Auf der Exotenstation leben zahlreiche Würgeschlangen, die laut Rost nur schwer zu vermitteln sind – etwa 2,20 Meter lange Boa constrictors. Eine Schlange sei direkt auf dem Parkplatz des Tierheims ausgesetzt worden.
Auch die gelbe, 2,40 Meter lange Anakonda, die in einem Badesee bei Düsseldorf lebte und von der Feuerwehr erst nach tagelanger Suche am Mittwoch gefangen werden konnte, stammt wahrscheinlich aus einem Privathaushalt. Es ist kein deutsches, sondern ein europäisches Phänomen: Im Netz kursiert ein Video, das eine Boa zeigt, die auf offener Straße in London eine Taube verschlingt.
Auf Dauer sind solche Schlangen in freier Wildbahn jedoch nicht überlebensfähig. „Wenn der Winter kommt, gehen sie ein“, sagt Sebastian Lotzkat vom Frankfurter Senckenberg-Forschungsinstitut. Sie seien schlicht nicht frosttolerant. Temperaturen unter 20 Grad sind die aus Südamerika stammenden Tiere nicht gewohnt. Das Problem mit den vielen Exoten wird sich also von alleine erledigen. Jedenfalls bis zum nächsten Sommer.
Überlebensfähig im Sommer