Thüringische Landeszeitung (Gera)
Weimarer Arzt engagiert sich für Patienten in Nepal
Stefan Völker vermittelt Medizinern aus Dhulikhel Fortbildung am Klinikum Weimar und am Krankenhaus Apolda
WEIMAR. Aus den Schlagzeilen ist Nepal längst verschwunden. Nichtsdestotrotz hat das bitterarme Land am Himalaya aber jede erdenkliche Hilfe weiter nötig. In seinem Engagement nie nachgelassen hat Dr. Stefan Völker, Leitender Oberarzt an der Klinik für Allgemein-, Viszeralund Gefäßchirurgie des Sophienund Hufeland-Klinikums in Weimar. Um möglichst effektiv die Weichen für eine nachhaltige Hilfe zur Selbsthilfe stellen zu können, sammelt der in Bad Berka lebende Chirurg unvermindert Spenden, organisiert Sachspenden von medizinischen Geräten sowie die entsprechenden Hilfstransporte und hilft nepalesischen Ärzten mit medizinischem Know-how.
Gerade hospitierten zwei nepalesische Ärztinnen aus Dhulikhel vier Wochen lang im Sophienund Hufeland-Klinikum Weimar und im Robert-KochKrankenhaus Apolda, um neue medizinische Geräte und chirurgische Techniken kennenzulernen. Die Chirurgin Dr. Banira Karki (32) lernte an der Gynäkologischen Klinik in Apolda neue, schonende Methoden der Tumorchirurgie und der rekonstruktiven Chirurgie an der weiblichen Brustdrüse kennen.
Die Gynäkologin Dr. Anjana Dongol Singh (42), selbst Chefärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im Dhulikhel Hospital, wurde vom Weimarer Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Dr. Jörg Herrmann, und seinem Team mit den vielfältigen Möglichkeiten der laparoskopischen Chirurgie in der Frauenheilkunde vertraut gemacht. Auf Bitten der nepalesischen Gynäkologin wird Herrmann nächstes Jahr erstmals selbst in Nepal einen Workshop zu diesem Thema durchführen.
Säuglingssterblichkeit deutlich zurückgegangen
Regelmäßig ist Oberarzt Völker selbst in Dhulikhel, zuletzt im Februar zu seiner siebten Reise. Einen Teil seines Jahresurlaubes verbringt der Weimarer Arzt in Nepal damit, Spendenartikel dorthin zu transportieren und Chirurgen aus- und weiterzubilden. Seit seinem ersten Besuch vor zehn Jahren wurde das chirurgische Spektrum an Operationen in Dhulikhel Schritt für Schritt weiterentwickelt, berichtet er. Von damals einem, von ihm ausgebildeten, laparoskopisch versierten Chirurgen sind es nun sechs Kollegen, die diese Methode beherrschen und anwenden können.
Welchen Stellenwert die Gynäkologie hat, belegt er mit einer Zahl: Jährlich verzeichnet das Hospital in Dhulikhel rund 3000 Geburten. Die Ärzte haben ein hohes Ausbildungsniveau, anwenden können sie es nur dann, wenn die entsprechenden medizinischen Geräte vorhanden sind. Das Credo des Gründers und Ärztlichen Leiters des Dhulikhel-Hospitals, Prof. Dr. Ram Shresta, „Moderne Medizin für arme Menschen“lässt sich nach wie vor nur durch das große Spendenaufkommen aus aller Welt umsetzen. Im kommunalen Dhulikhel-Hospital wird kein Patient wegen fehlender finanzieller Mittel abgewiesen, Härtefälle werden aus einem Fond der Namaste-Stiftung in Gilching finanziert, mit der Völker eng zusammenarbeitet.
Das Hospital in Dhulikhel wird baulich beständig erweitert und erlitt wegen der modernen Bauweise durch die Erdbeben 2015 nur wenige Schäden. Derzeit weist es eine Kapazität von rund 400 Betten auf und hat zwölf Fach-Abteilungen. Aktuell werde an einer neurochirurgischen Erweiterung der Klinik gearbeitet, die nur durch das Engagement des Erfurter Unfallchirurgen und Orthopäden Professor Heiner Winker und seine beruflichen Kontakte möglich geworden ist.
Die Gynäkologinnen und andere Mediziner leisten in den etwa 25 Außenstationen in den Bergen nicht nur medizinische Hilfe, sondern sind auch bei Aufklärung, Vorsorge und sozialen Projekten engagiert. Frauenkrankheiten sind noch immer ein Tabuthema. Deshalb würden Frauen von Frauen behandelt. Schrittweise müsse Vertrauen aufgebaut und mehr Wissen vermittelt werden. Bei Risikoschwangerschaften wird den Schwangeren angeboten, zwei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin in ein Mutterund-Kind-Haus in der Frauenklinik einzuziehen, um die Gefahr für Mutter und Kind zu minimieren. Es gibt finanzielle Anreize, um zu den Nachsorgeuntersuchungen zu kommen. Der Erfolg bleibt nicht aus: Die Säuglingssterblichkeit habe man durch diese Maßnahmen deutlich senken können.
Völkers Projekt „Netz für Nepal“ist nicht die einzige Hilfsorganisation, die sich in Dhulikhel engagiert. „Wir sind nur eine Masche im großen Netz für Nepal “, gibt der Arzt sich bescheiden. So wurde zum Beispiel mit Hilfe deutscher Gastroenterologen, die in der „Gastro-Foundation“vereint sind, in Dhulikhel eine moderne Endoskopieabteilung etabliert, die als Zentrum für ganz Nepal fungiert.
Völkers Projekt „Netz für Nepal“lebt nicht nur durch seine eigenen Bemühungen vor Ort sondern vor allem durch die seit zehn Jahren immer wieder eingehenden Spenden von engagierten Menschen, die wissen, dass ihr Geld vor Ort ohne Abzüge in voller Höhe verwendet wird. So wurden auch die Reisekosten für die beiden nepalesischen Ärztinnen und ihr Aufenthalt in Weimar über „Netz für Nepal“finanziert. Zum zweiten Mal nach 2012 holte Völker Mediziner aus Nepal zur Weiterbildung nach Weimar. Sie sollen in die Lage versetzt werden, moderne OP-Methoden im eigenen Krankenhaus anzuwenden und zu vermitteln.
Der Weimarer Chirurg war der Erste, der in Nepal einen Laparoskopie-Workshop für Chirurgen organisierte. Inzwischen ist die Methode in Dhulikhel Standard geworden, berichtet er von den Fortschritten. Nicht nur Leistenbrüche, auch Blinddarm, Magen, Darm und Gallenblase werden nach der Methode operiert. Tiefe Dankbarkeit spüre Völker immer wieder bei den Patienten in Dhulikhel, die durch die laparoskopischen Operationsmethoden deutlich früher wieder in ihr häusliches Umfeld gelangen. Der schönste Erfolg für ihn sei es jedoch, wenn er bei seinen Besuchen sehe, wie das, was er an Kenntnissen und Techniken vermittelt habe, von den nepalesischen Kollegen in der täglichen Arbeit zur Routine geworden sei. Aus den Kollegen seien gute Freunde geworden.
Es gibt zudem einen regen Mail-Verkehr, um ihn bei schwierigen Fällen um seine fachliche Meinung zu fragen. In der ersten Hälfte 2019 werde mit Unterstützung des Rotary-Clubs wiederum ein großer Seecontainer, bestückt mit medizinischer Technik und weiteren Hilfsgütern, auf die Reise nach Nepal gehen. ● Weitere Infos unter www.netz-fuer-nepal.de