Thüringische Landeszeitung (Gera)
Platzt bei der Bundesbank die Billionen-Bombe?
Gastbeitrag: Experten streiten über Sinn oder Unsinn von „Target II“– Versuch einer Versachlichung
igentlich heißt das englische Wort Target auf Deutsch Ziel. Doch wie so oft ist es auch in unserem Fall eine Abkürzung: Target II steht für „Trans European Automated Real Time Gross Settlement Express Transfer“in der verbesserten Version II. Mit dieser nachfolgend als Target bezeichneten Mechanik werden grenzüberschreitende Zahlungen zwischen den nationalen Notenbanken innerhalb des Euroraums abwickelt.
Die Target-Forderungen der Bundesbank nähern sich aktuell der Billionen-Euro-Zahl. Dieser Tatbestand schafft es auf die Titelseite bei Zeitungen und wird von Ökonomen leidenschaftlich diskutiert.
Das eine wissenschaftliche Lager sieht auf die Bundesbank enorme Risiken mit einer Ausfallgefahr zukommen. Das andere Lager kritisiert diese Warnungen und sieht in der Target-Mechanik bedeutungslose Verrechnungssalden. Was nun? unächst eine Einordnung: In den ersten Jahren der Finanzkrise ist der Interbankenmarkt ausgetrocknet. Da die Risikoprämien bei Kapitalmarkttransaktionen angestiegen sind, ist privates Kapital durch Zentralbankkredite ersetzt worden. Hat ein deutscher Investor eine Anleihe eines italienischen Unternehmens gekauft, ist das Geld nicht direkt vom Konto des Deutschen bei seiner Bank auf das Konto des Italieners bei dessen Bank überwiesen sondern von den Geschäftsbanken mit dem Umweg über das Target-System der Zentralbanken abgewickelt worden. Die Bundesbank erhält eine Verbindlichkeit und die italienische Zentralbank in gleicher Höhe eine Forderung gegen das Target-System. ann setzte eine Normalisierung der Situation ein. Die Salden reduzierten sich. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat durch die Vollzuteilungen ihrer Tenderoperationen, die Zunahme ihrer Liquiditätsbereitstellung und ihrer Aussage, den Euro auf jeden Fall zu bewahren, den Euroraum stabilisiert und der Politik Zeit verschafft.
Wenn sich nun die Target-Forderungen der Bundesbank der Billion nähern, ist Deutschland mehr Zentralbankgeld zu- als abgeflossen. Warum aber ist es dazu gekommen?
Die Antwort findet man in der Geldpolitik, die bei Gründung der Währungsunion dezentral implementiert worden ist. Insbesondere das StaatsanleihenKaufprogramm der EZB hat dazu geführt, dass bei der Bundesbank die Target-Salden zunehmen. Dabei drücken die Nationalbanken für den Kauf außerhalb ihres Staatsgebietes Zentralbankliquidität in das System, die unter anderem nach Deutschland fließt, wo internationale Banken ihr Liquiditätsmanagement über ein Konto bei der Bundesbank betreiben. Da die Liquidität nur langsam zurückfließt, erhöhen sich bei der Bundesbank die Salden.
Die Target-Salden sind damit ein Indikator für falsch gesetzte Anreize und ein Ausdruck einer noch nicht abgeschlossenen europäischen Währungsintegration. Würde nun theoretisch, was nach den Statuten nicht möglich ist, ein Euroland aus dem System ausscheiden und seine nationale Währung einführen, blieben die Verpflichtungen in Euro gegenüber dem Target-System bestehen. Unabhängig von den negativen Folgen für das ausscheidende Land an den Finanzmärkten und die Realwirtschaft, ist es fraglich, ob diese Verpflichtungen dann für den Rest des Eurosystems einbringlich und werthaltig sind. atürlich kann man die Salden einfach als Verrechnungsposten stehen lassen. Eine Zahlungsunfähigkeit für das Eurosystem droht nicht. Die Salden-Mechanik in ihrer aktuellen Version erfordert aber für die Risikoteilung und –sicherung ein gehöriges Maß an Solidarität von allen Beteiligten. Wie liquide und stabil ist das Bankensystem, wie werthaltig sind die Sicherheiten und wie ist die Bonität der gekauften Staatsanleihen zu bewerten? ie Target-Salden sind ein Indikator für Verspannungen im Bankensektor und nicht die Ursache. Der grenzüberschreitende Kapitalverkehr unter Banken muss wieder zum Laufen gebracht werden. Es wäre ratsam, dass die EZB ihre Geldpolitik auf ein Normalmaß zurückführt, den Abbau der Bestände an Staatsanleihen und Leitzinserhöhungen vornimmt sowie den Zugang zu Zentralbankgeld reduziert, damit Geschäftsbanken Liquidität wieder am Markt nachfragen. Damit wird die TargetSalden-Bombe entschärft.