Thüringische Landeszeitung (Gera)

Platzt bei der Bundesbank die Billionen-Bombe?

Gastbeitra­g: Experten streiten über Sinn oder Unsinn von „Target II“– Versuch einer Versachlic­hung

- VON THOMAS BEILNER

igentlich heißt das englische Wort Target auf Deutsch Ziel. Doch wie so oft ist es auch in unserem Fall eine Abkürzung: Target II steht für „Trans European Automated Real Time Gross Settlement Express Transfer“in der verbessert­en Version II. Mit dieser nachfolgen­d als Target bezeichnet­en Mechanik werden grenzübers­chreitende Zahlungen zwischen den nationalen Notenbanke­n innerhalb des Euroraums abwickelt.

Die Target-Forderunge­n der Bundesbank nähern sich aktuell der Billionen-Euro-Zahl. Dieser Tatbestand schafft es auf die Titelseite bei Zeitungen und wird von Ökonomen leidenscha­ftlich diskutiert.

Das eine wissenscha­ftliche Lager sieht auf die Bundesbank enorme Risiken mit einer Ausfallgef­ahr zukommen. Das andere Lager kritisiert diese Warnungen und sieht in der Target-Mechanik bedeutungs­lose Verrechnun­gssalden. Was nun? unächst eine Einordnung: In den ersten Jahren der Finanzkris­e ist der Interbanke­nmarkt ausgetrock­net. Da die Risikopräm­ien bei Kapitalmar­kttransakt­ionen angestiege­n sind, ist privates Kapital durch Zentralban­kkredite ersetzt worden. Hat ein deutscher Investor eine Anleihe eines italienisc­hen Unternehme­ns gekauft, ist das Geld nicht direkt vom Konto des Deutschen bei seiner Bank auf das Konto des Italieners bei dessen Bank überwiesen sondern von den Geschäftsb­anken mit dem Umweg über das Target-System der Zentralban­ken abgewickel­t worden. Die Bundesbank erhält eine Verbindlic­hkeit und die italienisc­he Zentralban­k in gleicher Höhe eine Forderung gegen das Target-System. ann setzte eine Normalisie­rung der Situation ein. Die Salden reduzierte­n sich. Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) hat durch die Vollzuteil­ungen ihrer Tenderoper­ationen, die Zunahme ihrer Liquidität­sbereitste­llung und ihrer Aussage, den Euro auf jeden Fall zu bewahren, den Euroraum stabilisie­rt und der Politik Zeit verschafft.

Wenn sich nun die Target-Forderunge­n der Bundesbank der Billion nähern, ist Deutschlan­d mehr Zentralban­kgeld zu- als abgeflosse­n. Warum aber ist es dazu gekommen?

Die Antwort findet man in der Geldpoliti­k, die bei Gründung der Währungsun­ion dezentral implementi­ert worden ist. Insbesonde­re das Staatsanle­ihenKaufpr­ogramm der EZB hat dazu geführt, dass bei der Bundesbank die Target-Salden zunehmen. Dabei drücken die Nationalba­nken für den Kauf außerhalb ihres Staatsgebi­etes Zentralban­kliquiditä­t in das System, die unter anderem nach Deutschlan­d fließt, wo internatio­nale Banken ihr Liquidität­smanagemen­t über ein Konto bei der Bundesbank betreiben. Da die Liquidität nur langsam zurückflie­ßt, erhöhen sich bei der Bundesbank die Salden.

Die Target-Salden sind damit ein Indikator für falsch gesetzte Anreize und ein Ausdruck einer noch nicht abgeschlos­senen europäisch­en Währungsin­tegration. Würde nun theoretisc­h, was nach den Statuten nicht möglich ist, ein Euroland aus dem System ausscheide­n und seine nationale Währung einführen, blieben die Verpflicht­ungen in Euro gegenüber dem Target-System bestehen. Unabhängig von den negativen Folgen für das ausscheide­nde Land an den Finanzmärk­ten und die Realwirtsc­haft, ist es fraglich, ob diese Verpflicht­ungen dann für den Rest des Eurosystem­s einbringli­ch und werthaltig sind. atürlich kann man die Salden einfach als Verrechnun­gsposten stehen lassen. Eine Zahlungsun­fähigkeit für das Eurosystem droht nicht. Die Salden-Mechanik in ihrer aktuellen Version erfordert aber für die Risikoteil­ung und –sicherung ein gehöriges Maß an Solidaritä­t von allen Beteiligte­n. Wie liquide und stabil ist das Bankensyst­em, wie werthaltig sind die Sicherheit­en und wie ist die Bonität der gekauften Staatsanle­ihen zu bewerten? ie Target-Salden sind ein Indikator für Verspannun­gen im Bankensekt­or und nicht die Ursache. Der grenzübers­chreitende Kapitalver­kehr unter Banken muss wieder zum Laufen gebracht werden. Es wäre ratsam, dass die EZB ihre Geldpoliti­k auf ein Normalmaß zurückführ­t, den Abbau der Bestände an Staatsanle­ihen und Leitzinser­höhungen vornimmt sowie den Zugang zu Zentralban­kgeld reduziert, damit Geschäftsb­anken Liquidität wieder am Markt nachfragen. Damit wird die TargetSald­en-Bombe entschärft.

 ?? Foto: Arne Dedert, dpa ?? Die Deutsche Bundesbank präsentier­t in ihrer Zentrale in Frankfurt am Main Goldbarren.
Foto: Arne Dedert, dpa Die Deutsche Bundesbank präsentier­t in ihrer Zentrale in Frankfurt am Main Goldbarren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany