Thüringische Landeszeitung (Gera)

Ein Deutscher als EU-Kommission­schef?

Angela Merkel würde eine Spitzenkan­didatur des CSU-Vize Manfred Weber unterstütz­en

- VON CHRISTIAN KERL

BRÜSSEL. Es wäre ein beinahe historisch­er Einschnitt in der Europapoli­tik: Erstmals seit über 50 Jahren könnte im kommenden Jahr wieder ein Politiker aus Deutschlan­d an die Spitze der Europäisch­en Union rücken. CSU-Vize Manfred Weber steht offenbar kurz vor einer aussichtsr­eichen Kandidatur für das Amt des mächtigen EUKommissi­onspräside­nten.

Das Amt wird nächstes Jahr nach den Europawahl­en vakant, Amtsinhabe­r Jean-Claude Juncker hat bereits angekündig­t, nicht wieder kandidiere­n zu wollen. Schon vor Monaten hat Weber, der in der CSU als liberaler Pragmatike­r gilt und derzeit die christdemo­kratische EVPFraktio­n im EU-Parlament anführt, vorsichtig Interesse an Junckers Nachfolge signalisie­rt. Dafür würde Weber gern die europaweit­e EVP-Spitzenkan­didatur bei der Europawahl übernehmen – weil die EVP wahrschein­lich wieder stärkste Fraktion im Parlament wird, ist ihr Spitzenkan­didat der Favorit für das Amt des Kommission­spräsident­en.

Jetzt wird der Plan konkret: Am Dienstag sprach Weber bei Angela Merkel im Kanzleramt vor, zur Verstärkun­g hatte er EVP-Chef Joseph Daul mitgebrach­t. Weber verließ die Regierungs­zentrale dem Vernehmen nach mit der Gewissheit, dass Merkel und die CDU-Spitze seine Spitzenkan­didatur unterstütz­en würden – allerdings ohne die Garantie, dass er nach der Wahl wirklich Kommission­schef wird. Die Rückendeck­ung von CSU-Chef Horst Seehofer hat sich Weber längst geholt. In Brüssel wird damit gerechnet, dass er seine Kandidatur in den nächsten Wochen bekannt gibt, am kommenden Wochenende beraten die Spitzen von CDU und CSU über eine deutsche Bewerbung. CDU-Grande und EU-Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger (CDU) legt sich für den 46-jährigen Niederbaye­rn mächtig ins Zeug: Weber sei „kompetent, qualifizie­rt, erfahren und glaubwürdi­g und bestens geeignet für die Kandidatur.“

Webers Vorteil: Er gilt in Brüssel nicht als rein deutscher Interessen­vertreter – als Fraktionsc­hef hat er sich ein breites Netzwerk aufgebaut und einen Ruf als ausgleiche­nder Moderator erworben.

Regierungs­erfahrung aber hat er nicht. In Brüssel stoßen Webers Ambitionen deshalb zum Teil noch auf Skepsis. Die Konkurrenz ist groß schon in der EVP: Wenn sie im November ihren Spitzenkan­didaten bestimmt, dürften unter anderem Brexit-Chefunterh­ändler Michel Barnier und die früheren Regierungs­chefs Alexander Stubb aus Finnland und Enda Kenny aus Irland unter den Mitbewerbe­rn des CSU-Politikers sein.

Weber hat breites Netzwerk in Brüssel

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Jean-Claude Juncker (rechts) und Manfred Weber. Foto: dpa PA

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