Thüringische Landeszeitung (Gera)

Über Aktien

- VON JOE LITTLE

Wieder sitzen wir auf der Veranda der „Roten Laterne“, und Hop Sing serviert unser aktuelles Lieblingsg­etränk, Pfeffermin­ztee mit Eis – on the rocks also. Weil das harmlose Zeug, das uns so herrlich erfrischt, in der Farbe dem Bushfire-Whiskey vollkommen gleicht, halten die übrigen Gäste uns für beinharte Säufer. Haha, mehr Schein als Sein! So ein CowboyImag­e muss man halt pflegen ...

Als der chinesisch­e Wirt die Gläser abstellt, murmelt er Dick wieder Geheimform­eln zu: Tschej-Di, Ali-Papa, Sitripp und Schomi glaube ich zu identifizi­eren. „Neinnein!“kreischt unser Feuerkopf. „Lass mich mit dem Kram bloß in Ruhe!“Enttäuscht zieht Hop Sing ab. Dick spürt unsere fragenden Blicke. „Diesmal will er mir Aktien chinesisch­er Ei-Ti-Firmen andrehen. Das Risiko ist mir zu hoch.“

Da sind wir mitten im Thema und wollen von Dick, unserem Börsenmogu­l, endlich die maßgeblich­en Hinweise, wie man es zu dicken Hosen bringt. „Ich geb‘ keine Anlage-Tipps“, hebt der die Hände. „Das verdirbt nur die Freundscha­ft.“Nach einigem Hin und Her lässt er sich zu einem Einführung­svortrag in dieses uns fremde Metier überreden. „Wer die Finanzwelt nicht versteht, weiß nicht, wie die Weltpoliti­k funktionie­rt“, sagt er. Er sei ja nur aus Notwehr zum Anleger geworden.

Wegen der Niedrigzin­spolitik der EhZett-Beh habe er nicht zusehen wollen, wie die Inflation sein kleines Vermögen allmählich auffrisst. „Den Preis für die Griechenla­nd- und die Bankenkris­e zahlen seit zehn Jahren alle Sparbuch-Inhaber.“An der Börse habe man indessen von der Hochkonjun­ktur toll profitiert. „Rendite gibt‘s aber nur gegen Risiko.“

Er selbst habe anfangs mit seinem finanzwirt­schaftlich­en Hobby eine Reihe „gebührenpf­lichtiger Erfahrunge­n“gemacht, gibt Dick zu. Zu deutsch: Er hat sich verzockt. „So einfach, wie alle Welt glaubt, ist das nämlich nicht.“Die Börse, so Dick, handle stets mit Erwartunge­n. Da reiche es nicht, wenn ein Konzern SuperBilan­zen vorlege. Lägen zugleich die Gewinnprog­nosen im trüben Bereich, stürze der Kurs trotzdem ab.

„Ich investiere nur in Anlagen, die ich gut kenne und deren Marktumfel­d ich zu verstehen glaube“, sagt Dick. Sonst sei all das ja Roulette. Er versuche, jede Entscheidu­ng anhand vieler komplexer Faktoren abzuwägen. Und die wichtigste Währung an den Märkten sei am Ende nichts Pekuniäres, sondern: Vertrauen. Daher habe er sich inzwischen vom Bullen zum Bären gewandelt. Hell lachen wir auf, dass das ausgerechn­et einem Holzdorfer Cowboy passiert. Aber sein jetzt folgender Grundkurs darüber, wie man überhaupt handelt, lehrt uns Respekt.

Längst sind wir zum richtigen Bushfire übergegang­en, da will ich von Dickie noch wissen: „Und was, wenn ein Kräsch kommt? Ist dann alles futsch?“Dickie erzählt vom 11. September 2001, als der Dachs panikartig binnen Minuten um drei Viertel abrutschte. „Für solche Situatione­n bleiben nur zwei Instrument­e“, sagt er und schaut tief ins Glas. „Der StopLoss-Befehl. Und die Hoffnung.“

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