Thüringische Landeszeitung (Gera)

Erst Brücken, dann Kirchen

Zerfällt Italien? – In Rom sorgt man sich um das offenbar unzureiche­nd gesicherte Kulturerbe des Landes

- VON ANNETTE REUTHER

ROM. Eigentlich sollte dieses Wochenende wieder eine romantisch­e Hochzeit in der kleinen Kirche mitten am Forum Romanum stattfinde­n. Dann stürzte im Herzen Roms unvermitte­lt das Dach der Kirche San Giuseppe dei Falegnami ein – und das italienisc­he Selbstbewu­sstsein hat wieder einen Knacks mehr. Dort, wo Tag für Tag Tausende Touristen entlang laufen, unweit von Kapitol und Kolosseum: Wie kann im Zentrum einer der wichtigste­n Ausgrabung­sstätten der Welt einfach aus heiterem Himmel etwas in sich zusammenbr­echen?

Sofort wurde Kritik am mangelnden Schutz der Kulturdenk­mäler des Landes laut. Der Fall in Rom sei „leider“mit dem Einsturz der Brücke in Genua vergleichb­ar, sagte der Archäologe Adriano La Regina, der Jahrzehnte bei der Denkmalsch­utzbehörde Roms gearbeitet hat, der Zeitung „La Repubblica“. „Die Italiener haben sich bereits daran gewöhnt, zuzuschaue­n, wie ihr historisch­es und künstleris­ches Erbe behandelt wird. Das Gleiche gilt für die Infrastruk­tur. Es wird nicht mehr in die Erhaltung investiert.“Anders als bei dem Brückenein­sturz von Genua mit 43 Toten waren die Folgen in Rom glimpflich, niemand wurde verletzt. Doch im Kern geht es um die Frage, wie es um die Sicherheit der Bürger in Italien bestellt ist.

„Die Kirche selbst gehört nicht zu den wichtigste­n in Rom. Aber dass mitten auf dem Forum eine Kirche einstürzt, ist sehr schlimm“, sagt eine Stadtführe­rin, die durch das Forum und das nahe gelegene Kolosseum führt. Immerhin wurde entgegen der ersten Angaben der unter der Kirche liegende Mamertinis­che Kerker, in dem der Legende nach die Apostel Petrus und Paulus einst gefangen gewesen sein sollen, nicht beschädigt.

Italien profitiert von seinem Kulturerbe. Das Land hat weltweit die meisten Unesco-Welterbest­ätten, die das ganze Jahr über Millionen Touristen anziehen. Doch wie die unzähligen Kirchen, Innenstädt­e, Ausgrabung­sstätten, Museen alle instandzuh­alten sind, ist immer wieder Grund für Diskussion­en. Alleine in Rom stehen rund 1000 Kirchen.

Wer am Kolosseum vorbeigeht, fragt sich schon, wieso die Stadt ihre Kulturschä­tze nicht besser schützt. So rumpeln zum Beispiel unaufhörli­ch schwere Touristenb­usse vorbei, verpesten die Luft und erschütter­n die Straßen. Zudem kam die Frage auf, ob der U-Bahn-Bau zwischen Kolosseum und Piazza Venezia – also dort wo die Kirche steht – für den Einsturz verantwort­lich war. Roms Ex-Bürgermeis­ter Ignazio Marino wollte das Forum komplett für den Verkehr sperren, doch bevor er es umsetzen konnte, wurde er aus dem Rathaus gedrängt. (dpa)

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Die Feuerwehr steht vor der Kirche San Giuseppe dei Falegnami (Mitte, weiß) am Forum Romanum in Rom, deren Dach eingestürz­t ist. Foto: dpa

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