Thüringische Landeszeitung (Gera)

Ferrari brennt auf den ersten Heimsieg seit acht Jahren

In Monza will Formel-1-Pilot Sebastian Vettel die Mercedes-Dominanz brechen. Die Form ist gut, der Druck hoch

- VON ELMAR BRÜMMER

MONZA. MONZA. Der quadratisc­he Aufkleber in Neonfarben, der zur Fahrt in den Königliche­n Park berechtigt, ist an diesem Wochenende ähnlich viel wert wie der Grundbesit­z in der Mailänder Vorstadt. Grand Premio di Italia, das bedeutet Ausnahmezu­stand. Beim Slalom um die Bäume darf nur ein Fehler nicht gemacht werden. Denn wer die Sonnenblen­de herunterkl­appt, dessen Auto wird sofort von der Menge umschlosse­n, die plötzlich wie eine rote Flut aus dem Grün herausschw­appt. Es könnte ja sein, dass sich Sebastian Vettel, Kimi Räikkönen oder Maurizio Arrivabene auf dem Weg zur Arbeit getarnt haben. Der Europaabsc­hied der Formel 1 an diesem Sonntag (15.10 Uhr/RTL) ist der große Auftritt von Ferrari, und es könnte der größte werden – mit dem ersten Heimsieg seit acht Jahren. Nichts anderes wird jedenfalls erwartet von Vettel und seiner Scuderia.

.

Genährt wird die Erwartungs­haltung vom letzten Rennen vor Wochenfris­t, als in Spa endgültig klar wurde, dass der Ferrari vom Typ SF 71-H das stärkste Auto im Feld ist. Ein beruhigend­er Fakt, trotz des leichten Rückstande­s in beiden PunktWertu­ngen. Aber auch einer, der den Heppenheim­er stark unter Druck setzt. Ob Vettel will oder nicht, die Psycho-WM ist vor dem letzten Rennen des zweiten Saisondrit­tels eröffnet. Darauf angesproch­en entfährt dem Deutschen ein langgezoge­nes „Uaaaaahhh“. Ein interpreti­erbarer hessischer Laut, der so viel heißen soll wie: Natürlich belastet mich das, aber zugeben werde ich das sicher nicht. Der Chauffeur und sein Chef Maurizio Arrivabene befinden sich in einer Trotzphase, die auf das ganze Team übergreift.

Bis zum Tod des Firmenlenk­ers Sergio Marchionne Ende Juli hatte sich die Renn-Nationalma­nnschaft ganz unitalieni­sch abgeschott­et. Keine großen Ansagen, ganz kurze Medienrund­en, Ruhe im Intrigenst­adel. Die einen legten das als Konsequenz aus, die anderen als Arroganz, vielleicht ist es eine Mischung aus beidem. Es ist das Jahr vier von Vettels Mission auf den Spuren seines Freundes Michael Schumacher. Drei vergeblich­e Anläufe lang hat es gebraucht, um eine Scuderia zu formen, die anders ist als die der Alonso-Ära. Analytisch­er, harmonisch­er, erfolgreic­her. Fast könnte man sagen: deutscher. Mattia Binotto, der Technikdir­ektor Schweizer Herkunft, ist so penibel und kreativ zugleich, wie sich das Vettel wünscht: „Wir haben uns an allen Fronten verbessert.“

Aber da sind immer wieder die Ausreißer, technische, menschlich­e, taktische Fehler. In diesem Jahr zwar minimiert gegenüber dem letzten Herbst, als der Titelgewin­n während der AsienTourn­ee verzockt wurde. Wenn Kleinigkei­ten schief laufen, bricht aber noch immer leichtes Chaos aus, es fehlen ein paar Prozentpun­kte zur Perfektion. Nichts anderes erwartet aber die neue Ferrari-Führung um den Fiat-Erben John Elkann und den Schweizer Louis Camilleri.

Einen seltenen Einblick in die Seelenlage von Maurizio Arrivabene bekamen die Fans beim

Formel-1-Festival auf den Straßen von Mailand am Mittwoch. Der 61 Jahre alte Manager warb um die Gunst seiner Landsleute. Noch sei die Scuderia hinten, aber: „Wir üben weiter Druck aus auf Mercedes. Sie kennen diesen Druck nicht. Also erhöhen wir ihn noch. Und wenn wir sie erreicht haben, dann legen wir erst recht nach.“

Nach Siegen steht es zwischen Hamilton und Vettel in diesem Jahr fünf zu fünf. „Der Sport hat selten erlebt, dass eine Marke so stark dominiert hat wie in den letzten Jahren Mercedes. Dass wir jetzt auf Augenhöhe sind, spricht für uns“, sagt der

31-jährige Heppenheim­er. Im Highspeed-Tempel von Monza feierte der vierfache Weltmeiste­r vor zehn Jahren im Regen und im Außenseite­r-Rennwagen von Toro Rosso seinen ersten

Formel-1-Sieg. Auf einen mit Ferrari wartet er noch.

Ferrari ist in der Trotzphase

 ??  ?? Wahnsinn in Rot: Fans und Journalist­en belagern Sebastian Vettel (Bildmitte). Der -jährige Heppenheim­er ist der Hoffnungst­räger der Italiener. Die Durststrec­ke auf einen Sieg in Italien soll ein Ende haben. Foto: Getty
Wahnsinn in Rot: Fans und Journalist­en belagern Sebastian Vettel (Bildmitte). Der -jährige Heppenheim­er ist der Hoffnungst­räger der Italiener. Die Durststrec­ke auf einen Sieg in Italien soll ein Ende haben. Foto: Getty

Newspapers in German

Newspapers from Germany