Thüringische Landeszeitung (Gera)
„Bindung der Leser ans Blatt ist hoch“
Willi Wild ist Chefredakteur von „Glaube+Heimat“– demnächst geht er mit den Gemeindebriefen verstärkt ins Internet
WEIMAR. Am heutigen Samstag feiert die evangelische Kirchenzeitung „Glaube + Heimat“, die im Wartburg Verlag Weimar erscheint, ihren Redaktionsumzug innerhalb der Kulturstadt in die Johann-SebastianBach-Straße 1a. Die aktuelle Druckauflage beträgt 10115 Exemplare wöchentlich. Wir sprachen mit Willi Wild, der früher beim Radio arbeitete und seit Oktober 2015 G+H-Chefredakteur ist, über die Bedeutung der Kirchenzeitung früher und heute.
Herr Wild, an wen richtet sich „Glaube+Heimat“eigentlich? UWer sind Ihre Abonnenten?
G+H erscheint in Thüringen, Sachsen-Anhalt und in Teilen Sachsens und Brandenburgs. Mit der Kirchenzeitung in Sachsen „Der Sonntag“haben wir seit 20 Jahren eine Kooperation und produzieren in Weimar gemeinsame Seiten. Unsere Abonnenten sind zu 80 Prozent Mitglieder einer evangelischen Kirchengemeinde im Verbreitungsgebiet, ehrenamtliche und hauptamtliche Kirchenmitarbeiter und kirchlich Interessierte. Wir berichten über kirchliche Ereignisse und Themen aus unserem Verbreitungsgebiet von Sonneberg bis Salzwedel und von Gerstungen bis Lauchhammer. Daneben sind unsere Leserinnen und Leser an Glaubensthemen und Informationen über Gott und die Welt interessiert.
Heißt Kirchenpresse, dass Sie nur schreiben, was den EKM-Oberen gefällt? Führen Sie so gesehen ein PR-Instrument der Kirche in Mitteldeutschland? Oder hat G+H ein anderes Selbstverständnis?
In der protestantischen Kirchenpresse hat der unabhängige, freie Journalismus Tradition. G+H ist kein Verlautbarungsorgan der Kirchenleitung. Wir verstehen uns als kritische Begleiter und bieten darüber hinaus das einzige Forum, in dem Kirchenvolk und Kirchenleitung in den Dialog treten können, aber auch Kirchenmitglieder aus verschiedenen Regionen untereinander. Die Kirchenzeitung ist eine Art Klammer und Begegnungsraum.
Die Geschichte von „Glaube + Heimat“reicht weit zurück. Was bedeutet diese Geschichte für den heutigen Journalismus im Umfeld der evangelischen Kirche?
G+H ist 1924 gegründet worden. Vikare, also angehende Pfarrer, hatten damals den Titel eines Theaterstücks über die Vertreibung von Protestanten aus Tirol in der Zeit der Gegenreformation vorgeschlagen. „Glaube+Heimat“war vor 100 Jahren ein progressiver Titel für eine Kirchenzeitung und scheint es auch heute wieder zu werden. Die beiden Begriffe erleben im Moment eine Renaissance. Menschen suchen nach Heimat, wollen sich eine neue Existenz aufbauen, andere haben Angst und sehen sich auf ihrer Scholle bedroht. Die Themen sind so alt wie die Bibel selbst. Christliche Werte zu vermitteln und Möglichkeiten aufzeigen, das Leben zu gestalten, war schon immer der Grundauftrag der Kirchenzeitung. Wir schreiben die Geschichten auf, die die Leserinnen und Leser bewegen.
Trifft auch Sie und „Glaube+Heimat“der „Lügenpresse“-Vorwurf, wenn Sie berichten, was manchen Menschen nicht passt? Wie reagieren Sie auf solche Vorwürfe?
Wir haben eine relativ hohe LeserBlatt-Bindung. Vor der Wende konnten Sie in „Glaube+Heimat“Inhalte lesen, die es woanders nicht gab. Mir erzählen immer wieder Leser, dass die Kirchenzeitung seit Generationen zur Familie gehört. Da ist eine große Vertrauensbasis gewachsen. Natürlich gibt es auch Kritik, die aber ganz selten platt daherkommt. Ich freue mich über die lebhaften Beiträge auf unserer Forumseite, die wir angesichts der Fülle an Leserbriefen manchmal „ausklappen“könnten.
Jüngst hat sich „Glaube+Heimat“mit Schuld, ein anderes Mal mit der Frage nach Ehrfurcht befasst. Warum breiten Sie solche Fragen über eine ganze Ausgabe?
Weil unsere Leserinnen und Leser das wünschen. Als Wochenzeitung haben wir die Möglichkeit, Themen aufzufächern und in die Lebenswirklichkeit unserer Leser zu stellen. Verfahrene Konflikte überm Gartenzaun können durch ein Friedensangebot und die Bitte um Vergebung eine ganz neue Wendung bekommen. Die christliche Botschaft ist eine Friedensnachricht, die wir in G+H verbreiten. Ab Herbst auch über ein Gemeindebrief- und Redaktionsportal im Internet. Das wird ganz spannend.