Thüringische Landeszeitung (Gera)
Meine Suppe esse ich
Lust auf Lebensmittel: Warum das gemeinsame Kochen mit Kindern so wichtig ist – und so schön
Suppenkasper oder Süßschnabel – wenn es darum geht, was Kinder essen oder eben nicht, ist Eltern, Verwandten, aber auch Betreuern zum Haareraufen zumute. Kleine Gaumen sind nicht immer leicht zu begeistern, gleichzeitig werden schon im Kindesalter die Weichen für spätere Ernährungsgewohnheiten gestellt.
Kenn ich nicht, ess ich nicht
Das Problem sei oft nicht, dass Kinder bestimmte Lebensmittel nicht mögen, sondern dass sie diese nicht kennen, meint Anja Schermer, die geschäftsführende Vorständin der Sarah-Wiener-Stiftung. Diese setzt sich seit 2007 für praktische Ernährungsbildung bei Kindern ein und schult unter anderem deutschlandweit Pädagogen, wie sie Kinder in eigenen Projekten für das Kochen begeistern können. „Kinder haben immer weniger Kontakt zu Lebensmitteln“, so Schermer. Weil mehr Mahlzeiten außer Haus stattfinden, seien sie immer seltener an der Zubereitung von dem, was auf den Teller kommt, beteiligt. „Dass der Kartoffelbrei mal eine Kartoffel war, die auf einem Feld gewachsen ist, ist für sie dann nicht mehr sichtbar.“
Zudem ist bei Kindern zwischen dem zweiten und sechsten Lebensjahr die Neophobie – die Angst vor Neuem – besonders bei Lebensmitteln stark ausgeprägt. Evolutionär schützte sie vor dem Verzehr giftiger Pflanzen, sorgt nun aber dafür, dass viele Gemüsesorten abgelehnt werden. Anja Schermer rät, das zu respektieren, Lebensmittel aber immer wieder verschieden zubereitet anzubieten. Studien zeigen, dass Kinder etwas zehn- bis zwölfmal probieren müssen, bis es ihnen schmeckt.
Das bestätigt auch Kerstin Ullrich, die mit ihrer Kochschule „Iss Was“in Erfurt Kinderkochkurse anbietet: „Kinder sind von Natur aus neugierig. Sie müssen die Chance haben, sich mit Lebensmitteln zu beschäftigen – dafür muss man sie auch mitmachen lassen.“Dann trauen sie sich auch eher zu probieren.
Beteiligen kann man Kinder bei jedem Gericht, je nach Alter. Schon die Kleinsten können mit einem Buttermesser oder einer Gabel weiches Obst für Fruchtquark bearbeiten. Ihnen etwas zuzutrauen und auch mal ein Messer in die Hand zu geben, fi den Schermer und Ullrich äußerst wichtig. Nicht zuletzt gehe es um Selbstwirksamkeit und Gemeinschaftsgefühl. „Man kann Kindern an praktischen Dingen zeigen, dass sie etwas können. Sie erleben ein Stück Verantwortung und Entscheidungskompetenz“, so Ullrich.
Bleibt noch die Frage, was auf den Teller kommt. Auch dabei sollten Kinder mitentscheiden, was und wie viel. Damit die Abwechslung nicht zu kurz kommt, hat Kerstin Ullrich einen Tipp: „Kinder knüpfen gern an das an, was sie schon kennen.“Also Bekanntes mit Neuem kombinieren – etwa einen Waffelteig mal mit Schnittlauch zubereiten.
„Kinder müssen die Chance haben, sich mit Lebensmitteln zu beschäftigen.“Kerstin Ullrich, Leiterin der Kochschule „Iss was“