Thüringische Landeszeitung (Gera)

Meine Suppe esse ich

Lust auf Lebensmitt­el: Warum das gemeinsame Kochen mit Kindern so wichtig ist – und so schön

- Von Friederike Deichsler

Suppenkasp­er oder Süßschnabe­l – wenn es darum geht, was Kinder essen oder eben nicht, ist Eltern, Verwandten, aber auch Betreuern zum Haareraufe­n zumute. Kleine Gaumen sind nicht immer leicht zu begeistern, gleichzeit­ig werden schon im Kindesalte­r die Weichen für spätere Ernährungs­gewohnheit­en gestellt.

Kenn ich nicht, ess ich nicht

Das Problem sei oft nicht, dass Kinder bestimmte Lebensmitt­el nicht mögen, sondern dass sie diese nicht kennen, meint Anja Schermer, die geschäftsf­ührende Vorständin der Sarah-Wiener-Stiftung. Diese setzt sich seit 2007 für praktische Ernährungs­bildung bei Kindern ein und schult unter anderem deutschlan­dweit Pädagogen, wie sie Kinder in eigenen Projekten für das Kochen begeistern können. „Kinder haben immer weniger Kontakt zu Lebensmitt­eln“, so Schermer. Weil mehr Mahlzeiten außer Haus stattfinde­n, seien sie immer seltener an der Zubereitun­g von dem, was auf den Teller kommt, beteiligt. „Dass der Kartoffelb­rei mal eine Kartoffel war, die auf einem Feld gewachsen ist, ist für sie dann nicht mehr sichtbar.“

Zudem ist bei Kindern zwischen dem zweiten und sechsten Lebensjahr die Neophobie – die Angst vor Neuem – besonders bei Lebensmitt­eln stark ausgeprägt. Evolutionä­r schützte sie vor dem Verzehr giftiger Pflanzen, sorgt nun aber dafür, dass viele Gemüsesort­en abgelehnt werden. Anja Schermer rät, das zu respektier­en, Lebensmitt­el aber immer wieder verschiede­n zubereitet anzubieten. Studien zeigen, dass Kinder etwas zehn- bis zwölfmal probieren müssen, bis es ihnen schmeckt.

Das bestätigt auch Kerstin Ullrich, die mit ihrer Kochschule „Iss Was“in Erfurt Kinderkoch­kurse anbietet: „Kinder sind von Natur aus neugierig. Sie müssen die Chance haben, sich mit Lebensmitt­eln zu beschäftig­en – dafür muss man sie auch mitmachen lassen.“Dann trauen sie sich auch eher zu probieren.

Beteiligen kann man Kinder bei jedem Gericht, je nach Alter. Schon die Kleinsten können mit einem Buttermess­er oder einer Gabel weiches Obst für Fruchtquar­k bearbeiten. Ihnen etwas zuzutrauen und auch mal ein Messer in die Hand zu geben, fi den Schermer und Ullrich äußerst wichtig. Nicht zuletzt gehe es um Selbstwirk­samkeit und Gemeinscha­ftsgefühl. „Man kann Kindern an praktische­n Dingen zeigen, dass sie etwas können. Sie erleben ein Stück Verantwort­ung und Entscheidu­ngskompete­nz“, so Ullrich.

Bleibt noch die Frage, was auf den Teller kommt. Auch dabei sollten Kinder mitentsche­iden, was und wie viel. Damit die Abwechslun­g nicht zu kurz kommt, hat Kerstin Ullrich einen Tipp: „Kinder knüpfen gern an das an, was sie schon kennen.“Also Bekanntes mit Neuem kombiniere­n – etwa einen Waffelteig mal mit Schnittlau­ch zubereiten.

„Kinder müssen die Chance haben, sich mit Lebensmitt­eln zu beschäftig­en.“Kerstin Ullrich, Leiterin der Kochschule „Iss was“

 ?? FOTO: ISTOCK/SAMAEL334 ?? Gemeinsam Gemüse schneiden macht Appetit und schult die Motorik. FOTO: ISTOCK/ LIGHTFIELD­STUDIOS
FOTO: ISTOCK/SAMAEL334 Gemeinsam Gemüse schneiden macht Appetit und schult die Motorik. FOTO: ISTOCK/ LIGHTFIELD­STUDIOS

Newspapers in German

Newspapers from Germany