Thüringische Landeszeitung (Gera)
„Frontex schneller ausbauen“
FDP-Europaspitzenkandidatin Nicola Beer hofft auf neun Mandate bei der Wahl im Mai – dann wäre auch ein Thüringer dabei
WEIMAR.
Die FDP will das „Weimarer Dreieck“zurück in den politischen Fokus rücken. Nicola Beer, Spitzenkandidatin der Liberalen bei der Europawahl im Mai, hat dazu jetzt auch Gespräche mit dem Verein „Weimarer Dreieck“geführt. Über das Reden und Handeln auf europäischer Ebene spricht die FDP-Spitzenfrau im Interview mit dieser Zeitung. Es war die richtige Entscheidung, dass wir uns nicht als Stimmenbeschaffer hergegeben haben für eine Koalition, die keine Reformagenda gehabt hätte. Leider waren CDU/CSU und Grüne nicht mutig genug, , eine solche Reformagenda der Freien Demokraten in der Bundesregierung umzusetzen. Jetzt spüren wir, dass in Deutschland vieles ins Stocken geraten ist. Bei Wettbewerbsfähigkeit und Bildungsqualität kommen wir nicht voran. Beim Thema Steuern und Abgaben müsste dringend Entlastung geschaffen werden. In der Energiewende fahren wir einen deutschen Sonderweg, der für Verbraucher extrem teuer ist. Doch wir arbeiten daran, dass sich die Möglichkeit für uns noch ergibt, dass wir diese Punkte irgendwann angehen können. Das ist doch unabhängig von meiner eigenen Person. Ich bin überzeugt, dass wir bei diesen Europawahlen eine Richtungsentscheidung vor uns haben. Die EU befindet sich in einem schlechten Zustand. Es herrscht immer mehr Misstrauen zwischen den Mitgliedstaaten. In der Europäischen Union wird zu viel geredet und zu wenig gehandelt. Das Parlament soll ein Initiativrecht bekommen und dieser Wanderzirkus zwischen Brüssel und Strasbourg ein Ende finden. Eine Verkleinerung der Kommission erscheint uns wichtig. Außerdem brauchen wir deutlich mehr Mehrheitsentscheidungen, damit aus dem trägen Fährkahn EU ein hochseetauglicher Segler werden kann. Keinesfalls. Zuhören stellt die Grundlage für Handlungen dar. Deshalb brauchen wir diese Gespräche, damit Lösungen kommen, die von den Mitgliedsstaaten in der Breite akzeptiert werden. Momentan krankt die europäische Politik daran, dass 27 Staaten ihre nationalen Konzepte exportieren wollen. Um hier Verständnis und Kompromissbereitschaft zu entwickeln, braucht es Gesprächsformate wie das Weimarer Dreieck. Das letzte Treffen auf politischer Ebene im Format des „Weimarer Dreiecks“liegt schon viel zu lange zurück. Wir unterstützen zum Beispiel die Stärkung der deutsch-französischen Beziehungen über den Aachener Vertrag. Dort wird ein Programm installiert, mit dem deutsche und französische Parlamentarier in den Austausch treten. Mit dem Verein „Weimarer Dreieck“haben wir besprochen, dieses Format zu ergänzen und polnische Kolleginnen und Kollegen dazu zu holen. Dann kann dieser Austausch auch auf der Regierungsebene wieder stärker in den Fokus rücken, damit Brücken wieder verstärkt werden, die momentan doch etwas wacklig geworden sind. 2015 hat gezeigt, was passiert, wenn man sich europäisch nicht abstimmt. Deshalb hätten wir diese Situation viel stärker europäisch steuern und ordnen müssen. Dafür wäre es jedoch notwendig gewesen, vorher miteinander zu reden und nicht als Deutsche die anderen Länder vor vollendete Tatsachen zu stellen. Das aber hat Angela Merkel mit ihrer Entscheidung, die Grenze zu öffnen, getan. Deshalb werben wir für den Dialog und klare gemeinsame Regeln. Sowohl für die Menschen, die ein Recht auf Asyl haben, als auch für jene Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen einwandern wollen. Das kanadische Modell kann hier ein Vorbild sein. Das ist ein ungenügendes Instrument, weil es nur für akademische Berufe mit einem hohen zugesagten Jahresgehalt angewendet werden kann. Der Bedarf liegt aber in ganz anderen Bereichen. Deshalb benötigen wir hier eine Erweiterung auf Fachkräfte-Einwanderung mit hierzulande nachgefragten Qualifikationen. Gleichzeitig müssen wir die EU-Außengrenzen sichern. Denn das ist die Voraussetzung für Freizügigkeit im Schengen-Raum. Ja, aber die Behörde müsste schneller und umfangreicher ausgebaut werden. Die Bundesregierung ist da zu ambitionslos. Wir müssen die AußengrenzenSicherung glaubhaft garantieren und nicht erst im Jahr 2027. Dafür müssen die entsprechenden Gelder fließen. Aber er muss schneller vonstatten gehen. Sonst bauen wir das Misstrauen der Länder an den EU-Außengrenzen nicht ab. Wir möchten gern die Anzahl der FDP-Abgeordneten im Europaparlament verdreifachen auf wenigstens neun. Das würde zum Beispiel auch sicherstellen, dass unser ostdeutscher Spitzenmann Robert-Martin Montag aus Thüringen dabei ist.
„Die EU befindet sich in einem schlechten Zustand. Es herrscht immer mehr Misstrauen zwischen den Mitgliedsstaaten.“ Nicola Beer (FDP)